Alarm: Wenn eine Million Arme einwandern, steigt die Ungleichheit!

Wenn man diesen Titel für einen Artikel wählen würde, wäre die Nachricht klar. Jeder, der etwas über mathematische Kenntnisse verfügt, wüsste sofort, dass alleine durch die Mixveränderung die Ungleichheit zunehmen muss. Wenn man das nicht will, so wäre die richtige Schlussfolgerung: weniger Zuwanderung, weniger Armut, Problem gelöst.

Das aber ist ausländerfeindlich und rassistisch.

Besser also: Arm gegen Reich: Schlimmer als in Amerika”. Da kann sich dann die (links-) intellektuelle Elite am Pfingstwochenende so richtig aufregen und neue Pläne zur Belastung der Mittelschicht ausbrüten, ist es doch die Mittelschicht, die immer die Rechnung für die Versuche, die „Reichen“ zu besteuern, begleichen muss.

Thomas Fricke, den ich aus den FTD-Zeiten sehr schätze, scheint seine Existenzberechtigung bei SPIEGEL ONLINE nur durch immer wiederwährende Propaganda-Artikel sicher zu können. Das tut mir leid.

  • „Von wegen Wohlstand für alle  das Gefälle zwischen Besserverdienern und Billigarbeitern erreicht im aktuellen Aufschwung einen Rekord. Und das Drama ist: Die Folgen werden bei uns immer weniger aufgefangen.“ – bto: Damit wird suggeriert, dass es ein Vergleich innerhalb der Gruppe der Arbeitenden ist und hier käme es zu deutlicheren Steigerungen bei jenen die besser verdienen und der Staat würde es immer weniger korrigieren.
  • Die Wirtschaft wächst. Es gibt Monat für Monat einige Tausend mehr Beschäftigte im Land. Und die Arbeitslosigkeit ist mittlerweile nur noch halb so hoch wie vor zehn Jahren. (…)  Auslaufmodell Reichtumsgefälle. Was der eine oder andere optimistische Experte in den vergangenen Jahren auch schon zu erkennen schien, weil die Ungleichheit der Einkommen seit 2005 angeblich nicht mehr zugenommen habe.“ – bto: Das sagt übrigens die OECD, also nicht „irgendein optimistischer Experte“. Aber egal.
  • Umso mehr haben es erste Schätzungen in sich, nach denen das Gegenteil zu passieren scheint  und die Einkommen mitten im gelobten deutschen Aufschwung weiter auseinandergedriftet sind. (…)  Wie unterschiedlich sich Einkommen entwickeln, leiten Experten aus großen Umfragen und Statistiken ab, in Deutschland vor allem aus denen des Sozio-ökonomischen Panels, das vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin geführt wird.“ – bto: Große Statistiken sind natürlich glaubwürdiger als „optimistische Experten“. So arbeitet man mit Sprache! Dass das DIW zugegeben hat, die Daten manipuliert zu haben und sich eine zunehmende Ungleichheit eben nicht aus den Daten ergeben hat, verschweigt Fricke. Warum nur? Hier die Meldung über die massiven Datenfehler beim DIW:
    NTV: “DIW räumt Pannen bei Mittelstandsstudie ein”
    Später musste dann auch das DIW zugegeben: → „Geringverdiener schließen zur Mitte auf“

     So ein Mist auch, wie kann man da rumlaufen und jammern. Egal, Fricke hat eine neue Quelle gefunden:

    • „Wie es um Deutschland steht, hat der weltweit renommierte Ungleichheitsforscher Branko Milanovic kürzlich ausgewertet. Der Index ist 2015 wieder gestiegen, dem aktuellsten Jahr der Erhebungen. Nimmt man die alleinigen (Netto-)Einkommen zum Maßstab, die am Markt und ohne Einrechnung des Zugriffs durch den Fiskus erzielt werden, liegt der Abstand zwischen Reich und Arm jetzt sogar so hoch wie noch nie in der Bundesrepublik  nachdem er ums Jahr 2010 herum für kurze Zeit geringer geworden war. Die Ungleichheit ist heute also größer als vor dem Aufschwung. Nach Milanovics Berechnung liegen Besser- und Schlechter-Verdienende in Deutschland sogar weiter auseinander als in den USA.“ – bto: Tja, woran könnte das wohl liegen? 2015 beginnt der Anstieg. Nein, die Flüchtlinge sind in den Zahlen noch nicht enthalten, aber die Migranten der Vorjahre schon.
    • „Im Diagramm entsprechen die blauen Linien diesem sogenannten Markt-Einkommen. (…) Zwar bestätigen auch Milanovics neue Rechnungen: Nach Steuern und Transfers liegen die tatsächlich verfügbaren Einkommen in Deutschland nach wie vor weniger stark auseinander als etwa in den USA (anders als bei den Markteinkommen   Im Diagramm sind das die grünen Linien.) Nur gilt das seit der Jahrtausendwende immer weniger.“ – bto: Wenn man ganz genau hinsieht, was sieht man dann? Die Schlagzeile von Fricke? Also, ich nicht:

     

    •  „Bis etwa ins Jahr 2000 wurde der drastische Anstieg der Abstände zwischen den Einkommen im Grunde vollständig dadurch ausgeglichen, dass die Top-Verdiener mehr Steuern zahlten und Geld zu denen transferiert wurde, die zu den Verlierern zählten. (…) Vorbei: Seit 2000 nimmt der Abstand zwischen den verfügbaren Einkommen ähnlich stark zu, wenn die Einkommen – vor Umverteilung – auseinandergehen.“ – bto: Wäre es denn richtig? Und wenn ja, wer wäre der Profiteur der Umverteilung? Nach heutiger Politik nicht der arme Rentner oder die Alleinerziehende, sondern Zuwanderer, die selber nie in das System eingezahlt haben. Wenn man dies ungerecht empfindet, lautet die Antwort aber nicht mehr Abgaben, sondern andere Verteilung der Leistungen. Oder?
    • „Ein Grund dürften die Steuerreformen seit Ende der Neunzigerjahre sein, sagt Charlotte Bartels, Ungleichheitsexpertin beim DIW. Damals wurden Spitzensteuersätze gesenkt und obere Einkommen vor allem entlastet. Und danach auch die eine oder andere Sozialleistung gekürzt. (…) Mit dem  damals gewollten  Ergebnis, dass es weniger Umverteilung gibt. Weil die angeblich zu teuer war  und die (vermeintlichen) Leistungsträger vom Arbeiten abhalten.“ – bto: Liebe Ungleichheitsexpertin: Allein mit einer Dreisatzrechnung lässt sich der gesamte Anstieg der Ungleichheit seit 2015 erklären, wie ich schon 2017 an dieser Stelle und bei manager magazin online vorgerechnet habe: Nehmen wir die Zahlen einmal, wie sie präsentiert werden, und schauen etwas genauer auf die Komponenten. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes ist die Armutsquote  definiert als weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens – in den letzten Jahren gestiegen. Von 10,8 Prozent (1995) auf 12,6 (2005) und 13,9 (2014). Dabei sind unterschiedliche Bevölkerungsgruppen sehr unterschiedlich vom Armutsrisiko getroffen:
    • Bei der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund liegt das Risiko demnach bei 11,3 Prozent.
    • Bei der Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist das Risiko deutlich höher. Menschen mit „direktem Migrationshintergrund“ haben ein Risiko von 22,2 Prozent, jene mit „indirektem“ (also Nachkommen von nach Deutschland eingewanderten Menschen) immer noch ein Risiko von 16,1 Prozent.
    • Legt man die Bevölkerungsanteile im Schnitt der Jahre 2012 bis 2014 zugrunde, waren rund 6,8 Millionen Deutsche ohne Migrationshintergrund vom Armutsrisiko betroffen, 2,35 Millionen Menschen mit direktem Migrationshintergrund und 1,65 Millionen mit indirektem.
    • Bekanntlich steigt seit Jahren der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund, was zu der interessanten Erkenntnis führt, dass der Zuwachs der statistischen Armut auch viel mit der Zusammensetzung der Bevölkerung zu tun hat. Folgende Rechnung mag das verdeutlichen: Bei Annahme gleicher Armutsquoten der Bevölkerungsgruppen wie im Jahre 2014 genügt ein Anstieg des Anteils der Bevölkerung mit Migrationshintergrund von 22 auf den heutigen Wert von 25,6 Prozent, um den Anstieg der Gesamt-Armutsquote seit 2005 zu erklären. Nachzulesen hier:→ Warum Deutschland nicht noch mehr Umverteilung braucht
    • Dann kommt es bei Fricke noch dicker: „Jetzt steht Deutschland da, erlebt ein immer atemberaubenderes Auseinanderdriften der Einkommen  und wundert sich, warum so viele Leute irgendwie nicht zufrieden sind. Obwohl wir so einen tollen Aufschwung haben. Kein gutes Omen, wenn sich im nächsten Abschwung bemerkbar zu machen droht, (…) Was dann droht, lässt sich in Ländern schon jetzt beobachten, die wie die USA oder Großbritannien gesellschaftlich tief gespalten sind. Und wo Politiker immer dachten, dass sie so einen Ausgleich fürs Auseinanderdriften von Einkommen nicht bräuchten.“ Oh man. 1. „atemberaubend“ passt nicht zur Abbildung 2. „nicht zufrieden“ kann ja nicht daran liegen, dass der Sozialstaat manchen Leuten, die nie eingezahlt haben, mehr gibt als jenen, die es getan haben (siehe Mindestrente). 3. Die Spaltung ist doch schon da, aber aus anderen Gründen und 4. Natürlich wird es beim nächsten Abschwung bitter. Sehr bitter. Aber wegen Migration und Euro.