“Abkehr von der Globalisierung”

Felix W. Zulauf habe ich öfters bei bto zitiert. Er ist einer der klügsten Köpfe in den weltweiten Finanzmärkten. In seinen regelmäßigen (aber seltenen) Kommentaren für die FINANZ und WIRTSCHAFT blickt er immer auf das große Ganze. So auch diesmal, wo er die Folgen einer (zweifellos erfolgenden) Abkehr von der Globalisierung diskutiert:

  • „Der Höchstpunkt der letzten Globalisierungswelle im späten 19. Jahrhundert lag bei 14 %, der Tiefstpunkt nach dem Zweiten Weltkrieg bei 5 %. Den größten Beitrag (der) historisch einmaligen Entwicklung (der letzten Jahrzehnte) leistete die Integration Chinas, das vom Armenhaus zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen ist.“ – bto: Die Daten sind bekannt, wobei ich gehört habe – kann sein, dass es nicht stimmt! – dass die Werte vor dem Ersten Weltkrieg nicht so hoch lagen und nur durch einzelne Ausreißer so hoch aussehen. Unstrittig ist das deutliche Wachstum der letzten 30 Jahre
  • „Gewinner dieser Globalisierung gibt es viele. Besonders in den Schwellenländern ist eine neue Mittelschicht mit viel höherem Lebensstandard und steigendem Einkommen entstanden. Sie hat nun große Kaufkraft. Die anderen großen Gewinner waren die Oberschichten in den Industrieländern.“ – bto: stimmt. Das zeigt das „Elephant-Chart“ der Weltbank so schön.
  • „Die multinationalen Unternehmen und ihre Aktionäre konnten die enormen Produktivitätsgewinne durch die Verschiebung von Arbeitsplätzen in günstigere Regionen als großen Mehrwert verbuchen. Der höhere Umsatz in diesen aufsteigenden Regionen trug zusätzlich dazu bei.“ – bto: Es war ein Boost für die Weltwirtschaft, aber hat die Ungleichheit im Westen erhöht. Das wiederum war ein Grund für das zunehmende Setzen auf Schulden, um eine Wohlstandsillusion zu schaffen.
  • „Die Notenbanken, (…) haben (…) den Pfad der Tugend verlassen. Das Fed hat zumindest keinen Negativzins eingeführt, der jedes marktwirtschaftliche System auf die Dauer kaputt macht, und es ist jetzt dabei, die Exzesse über seine Bilanz abzubauen. Völlig unverantwortlich ist der Kurs der EZB und auch der von ihr gefangenen SNB, die selbst bei ansprechender Konjunkturlage noch immer Geld schöpfen, das die Wirtschaft gar nicht braucht.“ – bto: Es ist aber jedem klar, dass der Euro schon längst Geschichte wäre ohne diese Politik, was nicht bedeutet, dass ich sie für gut halte.
  • „Ein vormals marktwirtschaftliches System wird mit exzessiv niedrigen Zinsen fehlgeleitet. Die daraus entstehenden Fehlallokationen bauen für die Zukunft große Probleme auf. Außerdem finanzieren diese Zentralbanken Regierungen, die weitgehend marode Staatsfinanzen ausweisen und sich durch ein liederliches Finanzgebaren auszeichnen. Primär geht es dort nur noch darum, die Fehlkonstruktion Euro am Leben zu erhalten.“ – bto: Genauso ist es!
  • „Da die Wirtschaft die viel zu großzügig geschöpfte Liquidität gar nie gebrauchen konnte und das Bankensystem – besonders in Europa – derart angeschlagen ist, dass es gar nicht mehr im gewünschten Ausmaß Kredit vergeben kann, floss die Überschussliquidität in Vermögenswerte aller Art. Obligationen, Aktien, Immobilien, Kunst und diverse Sammlerobjekte gewannen deutlich an Wert. (…) Entsprechend vergrößert sich der Graben zwischen Habenden und Habenichtsen weiter.“ – bto: Deshalb sollte man auch bei der Geldpolitik ansetzen, um das „Problem“ zu lösen.
  • „China hat das asiatische Modell zur Wirtschaftsentwicklung angewendet wie zuvor Japan: Die Infrastruktur wird über große Verschuldung massiv ausgebaut, der Export über niedrige Preise gefördert. Wenn in den letzten fünfzehn Jahren die Exportpreise Chinas in Dollar unverändert geblieben sind, aber die Löhne um das Sechsfache angezogen haben, dann stimmt etwas nicht. Meist steckt eine versteckte Staatsfinanzierung dahinter, was gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) ist.“ – bto: Das wusste ich nicht. Würde ja für die Vorwürfe von Trump sprechen. Ungeachtet dessen bleibe ich bei meiner Vermutung, dass Trump ganz klar auch geostrategische Ziele verfolgt
  • „Trump fordert von China, was seine Vorgänger und die Europäer hätten tun sollen: sich an die Regeln der WTO zu halten. China ist mit seinen 1,3 Mrd. Einwohnern bei Produkten wie Autos, Mobiltelefonen, Waschmaschinen usw. inzwischen der größte Markt. Präsident Xi Jinping präsentiert sich als starker Mann und kann gegenüber den USA kaum nachgeben. China wird sich nicht beugen, sondern versuchen, seine Volkswirtschaft mit anderen Handelspartnern weiterzuentwickeln. Somit dürften die USA die Schraube weiter anziehen.“ – bto: aber eben auch aus den anderen Gründen.
  • „In den letzten 500 Jahren wurde die jeweils dominante Macht sechzehn Mal von einem neuen wirtschaftlichen Aufsteiger herausgefordert. Zwölf Mal führte das zu Kriegen. Wer glaubt, dieser Konflikt sei ein Problem Trump, täuscht sich. Die Demokraten in den USA sind diesbezüglich mit Trump auf einer Linie, und der nächste US-Präsident wird Trumps diesbezügliche Politik weiterführen.“ – bto: Ich habe immer noch die Hoffnung, dass es am Ende ohne Krieg geht.
  • „Sorgen bereitet auch die EU, die sich in ein unmögliches Projekt «zentralisiertes Großeuropa» verrannt hat. Politik- und Wirtschaftseliten forcieren diese Zentralisierung gegen die Interessen der eigenen Völker. Dagegen regen sich nun Zentrifugalkräfte. Wenn die EU nicht erkennt, dass die Völker eigene souveräne Staaten in einem dezentralisierten Europa wünschen, dann wird sie scheitern. Leider ist diese Einsicht auf der Politbühne nirgends zu erkennen, nicht einmal nach dramatischen Stimmenverlusten früher dominanter Volksparteien.“ – bto: Eurokrise und Migration werden diesen Zersetzungsprozess weiter befeuern.
  • „Der für die Briten demütigende und inakzeptable Brexit-Vertrag wird wohl zu einem harten Brexit führen und Theresa Mays Karriere als Premierministerin beenden. Was demütigende Verträge historisch angerichtet haben, ist in Brüssel offensichtlich nicht bekannt.“ – bto: Und da sage noch einer, mein Blog wäre immer negativ.
  • „Wer Trump, Brexit und andere Anti-Establishment-Entwicklungen einfach als dumm und kurzsichtig darstellt, der muss zuerst einmal erkennen, dass die heutige Situation die Folge einer fehlgeleiteten Politik eben dieses Establishments ist. Es ist diese egoistische und rücksichtslose Globalisierung, die bei uns viele Verlierer produziert hat und solche, die befürchten, es zu werden. Aufgrund just dieser Politik, gepaart mit unkontrollierter, übermäßiger Migration, fühlen sich immer mehr Bürger von den etablierten Volksparteien nicht mehr vertreten. Das schürt den Nationalismus.“ – bto: Zulauf ist Schweizer, der überwiegend in den USA lebt. Da darf man so etwas noch sagen. Bei uns ist die Lösung des Establishments, kritische Stimmen durch politische Verteufelung mundtot zu machen.
  • „Die Globalisierung wird nun abgewickelt, und für die multinational tätigen Unternehmen bricht eine andere Welt an. Sie müssen die Versorgungsketten neu aufstellen. Das wird nicht einfach und wird mit zunehmenden Kosten verbunden sein – und Jahre dauern.“ – bto: Ich denke, dass neue Produktionstechniken einen Trend zur „Re-Nationalisierung“ ohnehin begünstigen. Man ist näher an den Märkten und damit flexibler. Was man nicht braucht, sind die großen Containerflotten.
  • „Seit Anfang Oktober fallen die Aktienindizes rund um den Globus, zum Teil heftig. Überverkaufte Märkte erholen sich normalerweise temporär ab Mitte Dezember über das Jahresende. Doch die hier aufgezeichneten strukturellen Veränderungen werden auch im nächsten Jahr auf den Aktienmärkten lasten, sodass eine weiterhin defensive Anlagepolitik angezeigt bleibt.“ – bto: ein Rat, dem ich mich anschließe.

→ fuw.ch: “Abkehr von der Globalisierung”, 27. November 2018