“A Long-Despised and Risky Economic Doctrine Is Now a Hot Idea”

MMT und Helikopter erreichen immer mehr den Mainstream. Passend zum Thema “Klimawandel” werden so die nächsten Extremmaßnahmen in der Geldpolitik vorbereitet. So befasst sich auch Bloomberg mit dem Thema:

  • “Hardly anyone thinks central banks can fix a stalling world economy with their current tools. So some of the biggest names in finance are trying to invent new ones. The proposals so far – including recent entries by billionaire Ray Dalio and monetary policy maven Stanley Fischer – have one thing in common: They foresee the once all-powerful central bankers taking a more junior role, and collaborating with governments.” – bto: richtig. Es geht darum, die Nachfrage um jeden Preis hochzutreiben und damit auch die Inflation, damit der Nenner endlich schneller wächst als der Zähler! Ich bin auch dafür, ist doch die Alternative äußerst unerfreulich!
  • “History is littered with cautionary tales in which blurring the lines between central bank and Treasury coffers led to runaway inflation.But right now, deflation is the big threat. An emerging consensus says the next downturn may need to be fought with direct and permanent injections of cash – often called ‘helicopter money’ – and that central banks can’t deliver it alone.” – bto: Und warum ist Deflation so gefährlich? Weil es dann zum Kollaps der aufgeblähten Vermögenspreise und der dahinterstehenden Schulden kommt.

Interessant ist die Abbildung zur Entwicklung der Schulden nach Sektoren seit 2008 (Japan seit 1998). Die privaten Haushalte bauen Schulden ab, die Unternehmen auch (außer in den USA und in der Eurozone) und die Staaten machen mehr Schulden. In der Eurozone sicherlich nicht genug:

Quelle: IMF, Bank for International Settlements, Bloomberg

  • “What’s resurfacing is the old idea of monetary policy sometimes pushing on a string, (…) We’ve got to think much harder, for economic stabilization, about mechanisms that involve spurring demand directly. (…)  their budgets, governments don’t have to push the string – they can open the taps, spending directly into the economy or boosting the purchasing power of consumers or companies by cutting taxes.” – bto: So und nur so wird das funktionieren.
  • “(…) fiscal-monetary cooperation (…) could solve problems, and maybe create some new ones (…) The banks would get their hands on some powerful new instruments. But they’d likely have to accept that independence from politicians (…) has limits.” – bto: Dazu zeigt Bloomberg dann ein interessantes Chart. Es zeigt (schwarz), um wie viel die Notenbanken in der letzten Krise die Zinsen gesenkt haben und wo sie heute liegen. Sie müssten also beim nächsten Mal deutlich in den negativen Bereich. Deshalb auch die Diskussion über Bargeldeinschränkung und -besteuerung.

Quelle: Bloomberg

  • “One solution is to (let) central banks create money to finance government budget deficits. The challenge (…) is to encase such ‘historically unusua’ measures in explicit rules – so that central bankers retain their independence, and can apply the brakes if government spending gets out of control. (…) The details differ, but plenty of others have reached similar conclusions about what central bankers could do next (…) you need fiscal policies and debt monetization (…).” – bto: Das wird nur über eine Entwertung von Geld funktionieren können.
  • “Along with the lack of monetary ammunition, one reason behind the big rethink may be deepening inequality, especially after 2008’s financial crisis. As central banks shifted from setting rates to seemingly propping up financial assets, they became more vulnerable to the charges that their policies helped the rich most, and went beyond their remits. A new book by financial commentator Frances Coppola, titled ‘ The Case For People’s Quantitative Easing,’ calls for newly minted central-bank money to be funneled straight into the bank accounts of households or small businesses. That kind of stimulus will deliver more growth and better distribution, she argues — as well as addressing challenges like ageing populations and automation.” – bto: Ich finde diesen Gedanken nicht schlecht, habe ich doch schon vor Jahren genau das vorgeschlagen: 10.000 Euro für jeden.
  • “After the 2008 crash, central banks routinely worked with governments. (…) But if the post-crisis environment has strengthened the theoretical case for working together, in practice it’s often led to unusually fraught relations between politicians and technocrats. (…) It’s in Japan that collaboration has been taken furthest. The Bank of Japan has been a key player in Prime Minister Shinzo Abe’s plan to reflate the economy with a mix of monetary stimulus and fiscal spending. It now holds 43% of the national debt, which is the world’s largest.” – bto: Wobei man kritisch anmerken müsste, dass die Inflation immer noch recht tief ist. Auch das Wachstum ist mau, allerdings wächst die Produktivität pro Erwerbstätigen eindrucksvoll, was aber eher an Technologie und Innovation liegt, statt am billigen Geld. Oder?
  • “In theory, that debt hasn’t been monetized. In reality, most analysts think it has, and the sky hasn’t fallen in. The market does not expect the government of Japan to ever be able to repay this debt, (…). The BOJ may as well make it explicit.” – bto: Richtig, offiziell die Schulden annullieren, wäre jetzt der konsequente nächste Schritt. Und der wird gegangen werden.
  • “Japan was the first country to cut interest rates to zero, and the first to try quantitative easing. Given its close working relations with the government, the BOJ may provide a blueprint for the latest ideas about central banking too.” – bto: Und das sehe ich genauso.

→ bloomberg.com (Anmeldung erforderlich): “A Long-Despised and Risky Economic Doctrine Is Now a Hot Idea”, 22. September 2019

Kommentare (10) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Wolfgang Selig
    Wolfgang Selig sagte:

    bto: “Auch das Wachstum ist mau, allerdings wächst die Produktivität pro Erwerbstätigen eindrucksvoll, was aber eher an Technologie und Innovation liegt, statt am billigen Geld. Oder?”

    Sehr geehrter Herr Dr. Stelter,

    das widerspricht diametral der Aussage Ihres Freundes Dr. Markus Krall, der für Japan über seit 20 Jahren leicht sinkende Produktivitätsziffern berichtet und sich auf eine Studie beruft, die nach meiner Erinnerung Prof. Schnabel (Uni Leipzig) erstellt hat. Da Herr Dr. Krall in Japan promoviert hat, traue ich ihm ein paar Landeskenntnisse zu.

    Sollte die Produktivität dort wirklich wachsen, kann es an der Technologie liegen, aber m.E. auch an kulturellen Veränderungsprozessen, wenn etwa die lebenslange Beschäftigungsgarantie in einem Unternehmen so in Teilen der Wirtschaft auf einmal nicht mehr gilt.

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  2. guter-verwalter
    guter-verwalter sagte:

    Sobald die ersten 10.000€ auf den Konten der EU-Bürger eingehen, werden
    a) die Märkte das Vertrauen in den “stabilen” Wirtschaftsraum Eurozone verlieren und die EU-economy massiv abwerten und,
    b) die Bürger ihr Vertrauen in die Gesellschaft, die Leistung entsprechend be-/entlohnt, vollends aufgeben. Die Klugen werden ihr Kapital spätestens dann abziehen. Die Dummen werden nach der Maxime handeln “Lasst uns essen und trinken denn morgen sind wir tot.” und danach sofort nach den nächsten 10.000€ Heli-Geld schreien…wie verzogene Kinder, die süchtig nach Süßigkeiten sind. Und wenn dieses Geld dann nicht wird kommen können, dann gnade Gott der freiheitlichen Demokratien.

    Beste Grüße,
    guter Verwalter

    Antworten
    • Horst
      Horst sagte:

      …die Leistung entsprechend be-/entlohnt…

      Die Krankenschwester und der Handwerker, die nun aller Voraussicht nach bis 69 arbeiten werden und daher keine Muße um 22.34 Uhr finden, so geistreiche Kommentare wie die Ihrigen in die Welt zu setzen, werden Ihnen mit absoluter Sicherheit zustimmen.

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      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Horst

        Hartzer und professionelle Sozialisten-Kader haben vermutlich die meiste Zeit, Jubelkommentare zum Helikoptergeld abzufassen, das stimmt schon. (Wobei sich die Hartzer sicher ärgern werden, sobald sie die Anrechnungsregeln begreifen…)

        Trotzdem denke ich, dass auch die meisten Krankenpfleger (m/w/d) und Handwerker (sowieso fast alle m) zustimmen werden, dass Einkommen besser durch Erwerbsarbeit verdient werden sollte anstatt dass von der Zentralbank neu geschöpftes Geld einfach in der Bevölkerung verteilt wird.

  3. Ulrich Remmlinger
    Ulrich Remmlinger sagte:

    Vielleicht suchen die MMT-Jünger die Zukunft unter der falschen Laterne.
    In diesem Beitrag wird ab 15:50 die Zukunft des FIAT-Geldes in Frage gestellt:
    https://www.youtube.com/watch?v=wQLwUTaOGuo
    Der Autor ist der Überzeugung, daß auf Grund der “Scalability” die Zukunft den Crypto-Währungen gehört.
    Vielleicht denken wir heute noch zu sehr “in der Box”.

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    • Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      Durchaus interessante Aspekte, die Frisby thematisiert, aber insbesondere beim Thema Geld ist er auf dem falschen Dampfer. Warum?

      Money is NOT Tec! Geld ist eine soziale Verpflichtungsrelation in der Zeit.

      Wenn also schon der Begriff Technologie fällt, dann bitte nicht im Sinne von Bitcoin & Co., sondern vielmehr im Sinne einer Sozialtechnologie. Ob es dann oben drauf mit Libra, oder aber parallel mit M-Pesa oder was auch immer technologisch umgesetzt wird, das ist eine ganz andere Geschichte.

      Und: Nicht nur der Dollar sprengt schon lange die nationalen Grenzen, sondern das ist ja gerade erklärtes Ziel von Libra. Dahinter stehen aber wieder nationale Fiat-Währungen. Dominant jenseits aller realen Verhältnisse ist im Libra-Mix allerdings der Dollar, während der Yuan überhaupt keine Rolle spielt. Honi soit qui mal y pense (siehe Beitrag vom Nachmittag zum Dollar). Denn Libra ist auch ein globales Dollarerhaltungsprojekt einer Währung auf Abruf. Allerdings wurde der Abgesang auf den Dollar schon des Öfteren seit den 70er Jahren eingestimmt. Aber auch hier gilt die alte Weisheit von Rudi Dornbusch: „The crisis takes a much longer time coming than you think, and then it happens much faster than you would have thought.”

      LG Michael Stöcker

      Antworten
  4. Richard Ott
    Richard Ott sagte:

    Ich stelle meine Frage aus dem “10000 Euro für jeden”-Kommentarstrang nochmal: Wie will die Eurozone so ein Helikoptergeld einführen, wenn

    a) das Schengen-Gebiet nicht einmal seine eigenen Außengrenzen wirksam kontrollieren kann und zu erwarten ist, dass wir von Migranten überrannt werden wenn das Helikoptergeld auch für Nicht-Eurozonen-Staatsbürger gezahlt wird oder

    b) wir die Nicht-Eurozonen-Migranten von der Helikoptergeld-Zahlung ausschließen und daraufhin massive Unmutsbekundungen von denjenigen Millionen von Migranten zu erwarten sind, die seit 2015 unkontrolliert eingewandert sind?

    Antworten
    • guter-verwalter
      guter-verwalter sagte:

      Ich würde Ihren Fragen in puncto Grenzintegrität noch einen Punkt c) mit monetärer Stoßrichtung anschließen wollen:

      Wer würde bei 10.000€ Heli-Geld proPerson die stark verschuldeten Südeuropäer daran hindern, ihre 10k € neu gewonnenes Privatvermögen in Massen nach DE, BE/NE/LUX und FR zu schaffen, um das Geld dort (noch) rentabel zu investieren/ zu sichern; denn die Staatsfinanzen von Italien u.a. Staaten Südeuropas sind bis Oberkante Unterlippe defizitär.

      (Man könnte diese Euroraum-interne Kapitalflucht als souveräne Staaten nämlich schnell unterbinden wollen/müssen, also einen EU-internen Kapitalfluss-Stopp verhängen, um notwendige Liquidität über Steuern wieder abgreifen zu können, bevor das Kapital flieht. Das wäre dann aber das Ende des Euro als uneingeschränkt mobiler Einheitswährung.)

      Antworten
  5. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Die „hot idea“ ist nichts Neues, aber wenn Bloomberg sich damit beschäftigt, ist es ein Zeichen mehr, dass sie im Mainstream angekommen ist.

    >The challenge (…) is to encase such ‘historically unusua’ measures in explicit rules – so that central bankers retain their independence, and can apply the brakes if government spending gets out of control. (…)>

    Die Unabhängigkeit der Zentralbanken mit REGELN sichern zu wollen, ist NAIV.

    Wenn die Staaten sich NUR noch mit dem Geld der Zentralbanken finanzieren können, ist es mit deren Unabhängigkeit vorbei.

    Wer anderer Meinung ist, soll bitte einmal darlegen, was angesichts von durch die BoJ finanzierten 43% japanischer Staatsschulden passieren würde, wenn eine vermeintlich unabhängige BoJ erklärte, dass sie die Finanzierung des japanischen Staats bei 237% Staatsverschuldung in Beziehung zum BIP einstellt.

    Hier die Entwicklung der japanischen Staatsverschuldung in den letzten 10 Jahren:

    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/152666/umfrage/staatsverschuldung-japans-in-relation-zum-bruttoinlandsprodukt-bip/

    Wer es noch nicht kapiert hat, dem sei gesagt:

    Die Politik muss nicht einmal handlungsunfähig werden, um Regeln zu brechen.

    Es genügt bereits, in Schwierigkeiten zu kommen oder zu sein, um sie zu brechen.

    Wer dafür Beweise braucht, informiere sich darüber, wie viele Male z. B. die Regeln der Maastricht Verträge gebrochen worden sind.

    Antworten
  6. Michael Stöcker
    Michael Stöcker sagte:

    Diese „lang verachtete und riskante Wirtschaftslehre“ ist eigentlich ein alter Hut und findet seinen Ursprung in einem Paper von Milton Friedman aus dem Jahre 1948: “A Monetary and Fiscal Framework for Economic Stability”. Daraus:

    “A reform of the monetary and banking system to eliminate both the private creation or destruction of money and discretionary control of the quantity of money by central bank authority. The private creation of money can perhaps best be eliminated by adopting the 100 per cent reserve proposal […] and as the chief function of the monetary authorities, the creation of money to meet government deficits or the retirement of money when the government has a surplus. […] A predetermined program of transfer expenditures, consisting of a statement of the conditions and terms under which relief and assistance and other transfer payments will be granted. […] Absolute outlays, however, will vary automatically over the cycle. They will tend to be high when unemployment is high and low when unemployment is low.” https://miltonfriedman.hoover.org/friedman_images/Collections/2016c21/AEA-AER_06_01_1948.pdf

    Mehr dazu hier: https://youtu.be/BA_YUJweWKA

    Ja, Hayek hatte Recht, als er Friedman als Keynesianer einstufte: https://zinsfehler.com/2015/03/23/die-citoyage-keynesianischer-monetarismus-als-ordnungspolitisches-korrektiv/

    LG Michael Stöcker

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