2016: Erste Staatspleiten zu erwarten

Was für ein Start in das neue Jahr! Da haben wir noch zu Weihnachten die hoffnungsvollen Prognosen der Auguren gesehen, die nun endlich auch für Europa eine Erholung erwarten, getragen von billigem Öl, schwachem Euro, aggressiver Geldpolitik und – ja und – mehr Staatsausgaben, dank Flüchtlingskrise direkt bei uns und indirekt bei den anderen, denen wir nun nicht mehr so genau auf die Finger schauen. Und dann diese Enttäuschung: Die Märkte spielen, von China ausgehend, Weltrezession und alle Träume stellen sich als solche heraus! Natürlich könnte ich jetzt behaupten, es ja vorhergesagt zu haben, zuletzt noch in meiner Kritik an der Fed, die uns prozyklisch in die Krise begleitet.

Doch ehrlich gesagt, habe auch ich nicht direkt zum Jahresanfang mit dem Einbruch gerechnet. Denn das mit dem Timing ist ja nun mal so eine Sache. So wie es nun aussieht, treiben wir in Richtung einer echten Rezession, gepaart mit entsprechenden Einbrüchen an den Finanzmärkten. Albert Edwards spricht gar von einem Kursziel von 666 Punkten (und weniger!) im S&P 500. Klar, er war schon immer eher pessimistisch. Was aber nicht bedeutet, dass es falsch sein muss, was er sagt.

Damit könnten wir aber auf die Krise zulaufen, vor der schon lange auch bei bto gewarnt wird:

  • Rezession in China mit Export von Deflation
  • Rückgang der Weltliquidität
  • Schuldenkrisen in den Schwellenländern
  • Druck auf die Eurozone
  • Monetarisierung aus vollen Rohren.

Alles spricht dafür, dass 2016 ein turbulentes Jahr wird. Staatspleiten dürften auch auf der Agenda stehen, so sieht es zumindest aus. Bekanntlich sind die Schulden von Staaten (und Privaten) schon lange außer Kontrolle und jenseits des Point of no Return. Dennoch schön, wenn es aus berufenem Munde wiederholt wird. Carmen Reinhart, US-Professorin und mit Kenneth Rogoff Autor des Bestsellers „This Time Is Different“, meldet sich deutlich zu Wort: Nun kommen die Pleiten. Ich denke, dass die sich abzeichnende Abschwächung der Weltkonjunktur diesen Prozess deutlich beschleunigen dürfte. 

Doch nun zu Frau Reinhart:

  • „Was Staatsschulden angeht, wird der Begriff der ‚Pleite‘ oft missverstanden. Dies bedeutet fast nie die vollständige und dauerhafte Nichtanerkennung der gesamten Schuldenlast. Sogar einige Anleihen aus der russischen Zarenzeit wurden nach der Revolution von 1917 schließlich (wenn auch nur teilweise) zurückgezahlt. Stattdessen zieht eine Nichtzahlung, oder bei privaten Gläubigern laut der Definition der Rating-Agenturen ein ‚Zahlungsverzug‘, normalerweise Gespräche über eine Umschuldung nach sich, in der es um Laufzeitverlängerungen, Aussetzung von Zinszahlungen, Zahlungsaufschübe oder Schuldenschnitte (so genannte ‚Haircuts‘) gehen kann.“ – bto: was natürlich ein schwacher Trost für die Gläubiger ist.
  • „Wie so viele andere weltwirtschaftliche Phänomene neigen Kreditaufnahme und Pleiten dazu, in Zyklen abzulaufen. Seit 1800 gab es in der Weltwirtschaft einige solcher Zyklen, wobei der Anteil einzelner Länder, in denen es eine Umschuldung gab, in jedem einzelnen Jahr zwischen null und 50 Prozent schwankte (wie in der Abbildung dargestellt).“ – bto: Na, dann wissen wir zumindest, was bevorsteht.

  • Wie auch bei tatsächlichem Bankrott und der Umstrukturierung von Schulden bei öffentlichen Gläubigern werden solche Zahlungsverzüge oft unter den Teppich gekehrt, da sie meist arme Schuldner und relativ geringe Dollarbeträge betreffen. Aber dies verringert nicht ihr Potenzial, zur Auslösung einer neuen Krise beizutragen, wenn beispielsweise Länder, die ihre Schulden nie wirklich im Griff hatten, plötzlich nachteiligen weltwirtschaftlichen Bedingungen ausgesetzt sind.“ – bto: Dabei hebt Reinhart auf die kleineren Schwellen- und Entwicklungsländer ab.
  • Wie meine jüngste Arbeit mit Vincent Reinhart und Christoph Trebesch zeigt, sind Hoch- und Tiefpunkte im internationalen Kapitalflusszyklus besonders gefährlich. Immer am Ende einer Periode stark vermehrter Kapitalflüsse häufen sich dann die Pleiten.“ – bto: Zur Erinnerung – davor warnt die BIZ seit Langem mit Blick auf die erhebliche Auslandsverschuldung der Schwellenländer.
  • Zu Beginn des Jahres 2016 gibt es nun klare Anzeichen für wachsende Schuldenprobleme und Zahlungsunfähigkeiten. Bereits jetzt sind die ersten Schaumkronen auf den Wellen sichtbar.“
  • „Die Situation in Griechenland hingegen ist nur allzu vertraut. Die Regierung hat so lange Schulden angehäuft, bis die Last nicht mehr tragbar war. Als diese Exzesse immer offensichtlicher wurden, hörten die Kredite auf zu fließen, woraufhin die bestehenden Schulden nicht mehr bedient werden konnten. Im letzten Juli erklärte Griechenland im Rahmen hochbrisanter Verhandlungen mit seinen öffentlichen Gläubigern – der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds – seine Unfähigkeit, seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem IWF nachzukommen. Damit ist das Land der erste Industriestaat, der dies getan hat – und bis jetzt der einzige.“ – bto: BIS JETZT!
  • Eine weitere stark gefährdete Volkswirtschaft ist das Gemeinwesen von Puerto Rico, das dringend eine umfassende Restrukturierung seiner Staatsschulden in Höhe von 73 Milliarden US-Dollar benötigt. Die aktuellen Vereinbarungen über eine teilweise Umschuldung sind nur der Anfang, da sie noch nicht einmal ausreichen, sicher einen Bankrott zu verhindern.“
  • Einige der größten Risiken liegen bei den Entwicklungs- und Schwellenländern, die am stärksten unter den Veränderungen der weltweiten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen leiden. Während Chinas Infrastruktur-Boom hat das Land enorme Mengen Rohstoffe importiert. Dies führte zu steigenden Preisen und stärkerem Wachstum der Rohstoffexporteure aus aller Welt, darunter großer Schwellenländer wie Brasilien. Gemeinsam mit der verstärkten Kreditaufnahme in China und enormen Kapitalzuflüssen aufgrund niedriger US-Zinsen wurde so das Wachstum in diesen Ländern nach oben getrieben.“ – bto: Das war übrigens ein explizites Ziel der Fed, um auf diese Weise die Exporte nach den USA mittelfristig weniger wettbewerbsfähig zu machen und das Schuldenwachstum zu exportieren. Hier mehrfach diskutiert.
  • „(…) die Entscheidung der US-Federal-Reserve, die Zinsen zu erhöhen, das schwächere Wachstum (und damit die geringeren Investitionen) in China sowie fallende Öl- und Rohstoffpreise brachten den Boom der Kapitalzuflüsse zum Stillstand. In jüngster Zeit kamen die Währungen vieler Entwicklungs- und Schwellenländer stark ins Rutschen, was die Kosten der Begleichung ihrer externen Dollarschulden in die Höhe trieb. Die Einnahmen der öffentlichen Hand aus den Exporten gingen zurück, und dies führte zu immer größeren Leistungsbilanz- und Haushaltsdefiziten. Fast überall haben sich Wachstum und Investitionstätigkeit verlangsamt.“
  • Aus historischer Perspektive betrachtet, scheinen sich die Entwicklungs- und Schwellenländer auf eine große Krise zuzubewegen. Natürlich könnten sie sich als widerstandsfähiger erweisen als ihre Vorgänger. Aber darauf sollten wir uns nicht verlassen.“

bto: Das dürfte stimmen. Die Folge wäre eine erhebliche Rezession. Hinweis noch zu Europa: Gerade europäische Banken sind sehr in diesen Ländern engagiert. Österreich im Osten, vor allem in Ungarn, Portugal in Angola, Spanien in Brasilien. Nach neuer Regelung haften die Bankkunden. Da kommt was auf uns zu, denn sobald die Bankkunden richtig zur Kasse gebeten werden, setzt eine Flucht aus dem System ein.

Nachtrag: Die Kollegen von der FuW fragen sich, weshalb es einen solchen Zyklus überhaupt gibt. Wieso dieser Wiederholungszwang? Die Antwort: „Der Zinszyklus bestimmt die weltweiten Finanzströme. Wenn die Zinsen hoch sind, fliesst das Kapital hauptsächlich in die reichen Länder. Sobald diese Länder in eine Rezession geraten und die Zinsen sinken, fliesst das Kapital in die Schwellenländer – bis die Zinsen wieder steigen und die Schwellenländer in eine Finanzkrise geraten.“ – bto: Je wilder die Notenbanken intervenieren mit Null-Zins und QE, umso schlimmer sind die Folgen!

→ Zero Hedge: „Carmen Reinhart Warns ‚Serious Sovereign Debt Defaults‘ Are Looming“, 1. Januar 2016

→ Fonds Professionell: „Carmen Reinhart: Ein Jahr der Staatspleiten?“, 5. Januar 2016

→ FINANZ und WIRTSCHAFT: „Warum dieser Wiederholungszwang?“, 13. Januar 2016