17 Prozent Wohlstandsverlust durch Euro und “Rettungspolitik”

Es ist unvoreingenommenen Beobachtern der Eurozone schon lange klar, dass der wirtschaftliche Preis für das politische Experiment des Euro erheblich ist. Nun rechnen Forscher in einer neuen Studie vor, dass sich die Verluste für die Krisenländer Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien zusammen auf rund 17 Prozent vom BIP als Folge von Euro und Austeritätspolitik belaufen. Ein Hammer.

 Der Telegraph fasst die Studie zusammen:

  • “A fascinating new paper has constructed a model that shows how the European economies would have fared under different scenarios. It found that had countries such as Portugal and Italy been able to devalue, they would have bounced back far more quickly from the 2008 crash than they did. And if they hadn’t had cuts in public spending imposed upon them, they would have hardly suffered at all.” bto: Das ist natürlich ein Ergebnis mit erheblicher Sprengkraft!
  • Greece remains the most dramatic example, with per capita GDP now one quarter below its 2009 level, but a third of the countries in the zone ended 2014 worse off than they were in 2009.” bto: Nochmal, ein Drittel der Länder ist noch unter Vorkrisenstand. Ganz zu schweigen vom Vorkrisentrend!
  • “In a new paper, University of Michigan professors Christopher House and Linda Tesar, along with Christian Proebsting of the Ecole Polytechnique Federale de Lausanne, constructed a model to work out how the European economies would have fared under different scenarios.” bto: Ja, es ist ein Modell, aber besser als gar nichts.
  • “First they looked at how the economies actually performed since the recession of 2008, and found that Greece, Ireland, Italy, Spain and Portugal between them contracted by 18pc in total.” bto: 18 Prozent!
  • “Then they ran a simulation in which there was no euro, and those countries had been able to devalue their currencies, or simply seen them weakened by the markets. In that universe, output by the end of 2014 would have been 7pc higher than it actually was. The rest of the eurozone was roughly neutral, because it already benefited from a weaker exchange rate.” bto: Sieben Prozent sind erheblich. Allerdings stimmt es für den Rest nicht, da der Euro ohne die Krisenländer stärker gewesen wäre.
  • “In a second simulation, they ran the same figures for a world in which the austerity demanded by the European Central Bank, and by a German-led European Union, had not been imposed, and those countries were free to set their own fiscal and monetary policy. The result? The peripheral countries would have contracted by only 1pc, not the 18pc that they actually did.” bto: Das wiederum kann nicht überraschen.
  • “So, in total, output is now 17pc lower across those countries than it would have been without monetary union and the austerity that it demanded.” bto: Wenn man das auf Plakate schreibt in den Ländern …
  • “They would have ended up with lower overall debt ratios as well. The cuts in government spending demanded as the price of the bail-outs should have reduced debt ratios across the region. The plan was for debt to come down by 20 percentage points in the five peripheral countries, from an average of 95pc when the crisis started. What happened? The overall ratio actually went up by 20 points, as economies shrank, and the overall amount owed either remained the same or carried on rising. It would be hard to think of a more self-defeating policy.” bto: Das sind die Staatsschulden. Auch dann hätten wir einen Schuldenschnitt gebraucht. Nur heute ist er größer als damals!
  • “An overall loss of 17pc of GDP in less than a decade is a huge price to pay for an experiment in monetary union. For a comparison, the Great Depression in the United States in the Thirties saw a drop in output of close on 30pc.” bto: Ja, wir haben von Irving Fisher nun wirklich gar nichts gelernt in Europa.
  • With figures this stark, it is hard to believe those countries will put up forever with the damage. The only real question is which will be the first to escape and how?” bto: Italien bleibt mein Kandidat Nummer 1. Wobei, sollten die Franzosen ähnlich anders wählen als gedacht, wer weiß?

→ The Telegraph: “The eurozone peripheral nations paid a high price for single currency folly”, 20. Februar 2017

Kommentare (11) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Wolfgang Selig
    Wolfgang Selig sagte:

    “Ein Hammer” sagen Sie, Herr Dr. Stelter. Ich würde es vom Erkenntniswert her eher kalten Kaffee nennen. Tut mir leid, aber die anderen Foristen haben recht, wenn Sie darauf hinweisen, dass ohne den vorangegangenen künstlich erzeugten Boom in den Südländern durch die Euroeinführung der spätere Absturz nicht so ausgefallen wäre. Ich vermute, Sie meinen eher, dass die Ergebnisse politische Sprengkraft haben, wenn die Zahlen z.B. von Nationalisten in den betroffenen Ländern als “Neuigkeit” benutzt werden. Aber auch das glaube ich ist inzwischen ohne wesentliche politische Bedeutung, denn dafür ist die Debattte über hohe Jugendarbeitslosigkeit u.ä. dort schon viel zu lange am Laufen.

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    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      so meine ich es. Ich setzte halt (wohl fälschlich) immer voraus, meine gesamte Argumentation zu kennen. In meinen Büchern, sehr schön grafisch in “Die Krise…” zeige ich doch genau den Ablauf: Euroeinführung – tiefe Zinsen – Schuldenboom – Immobilienboom – noch mehr Schulden – steigende Löhne – mehr Importe – Pleite.

      Nun haben wir eine Bilanzrezession in die hinein es keinen Sinn macht zu sparen. Aus der Pleite spart man sich nicht heraus. Hammer dahingehend, dass die Analyse zeigt, was zwangsläufig in einer solchen Situation passiert und politisch ist es höchst problematisch.

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  2. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    >„In a second simulation, they ran the same figures for a world in which the austerity demanded by the European Central Bank, and by a German-led European Union, had not been imposed, and those countries were free to set their own fiscal and monetary policy. The result? The peripheral countries would have contracted by only 1pc, not the 18pc that they actually did.“ >

    Wunderbar – wenn man die Ausgangslage unter den Tisch fallen lässt.

    Beispielsweise:

    Griechenland war VOR dem Austeritäts-Programm („Rettungsschirm“ u. a. mit Austeritätsauflagen und Krediten zur Insolvenzsicherung) hoch defizitär und kam auf eine Defizit von MEHR als 15% vom BIP!

    O. Blanchard sagt völlig zu recht.

    „Austerität war keine Wahl, es war eine Notwendigkeit”

    Hier:

    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/griechenland/olivier-blanchard-iwf-verteidigt-sich-fuer-griechenland-13696880.html

    Oder, hier, aus erster Hand detailliert argumentiert:

    https://blog-imfdirect.imf.org/2015/07/09/greece-past-critiques-and-the-path-forward/

    Modellieren kann man ja viel, soll man auch.

    Mich würde interessieren, ob in dem Modell auch simuliert ist, wer angesichts einer von den Griechen in Eigenregie „frei“ gestalteten Fiskalpolitik obiges Defizit finanziert hätte, das weiterhin ERFORDERLICH gewesen wäre, wenn Griechenland wie die anderen Peripherieländer nur 1% Wirtschaftswachstum verloren haben sollte.

    Es ist mir völlig schleierhaft, wie man als WISSENSCHAFTLER derart an der REALITÄT vorbei modellieren kann.

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  3. Bagehot
    Bagehot sagte:

    Die Studie enthält meiner Ansicht nach schwere methodische Mängel.

    1. Wie hier schon angemerkt wurde, befassen sich die Autoren nur mit dem Zeitraum von 2009 bis heute. In dieser Zeit ist die Wirtschaft in einigen Peripherieländern, namentlich Griechenland und Italien, in der Tat erheblich geschrumpft.

    Die Jahre davor, also die Zeit vom jeweiligen Euro-Beitritt der Krisenländer bis zum Ausbruch der Finanzkrise, wird total unterschlagen. In diesem Zeitraum erlebten die meisten dieser Staaten ein hohes Wachstum, das für diese Länder historisch beispiellos ist.

    Griechenland erwirtschaftete 2002 ein Bruttoinlandsprodukt von gut 150 Milliarden Dollar. 2008 betrug das BIP mehr als 350 Milliarden. Das ist ein Zuwachs von insgesamt weit mehr als 100 Prozent innerhalb von nur zehn Jahren.

    Auch wenn man die Werte für 2002 und 2015 (als das Hellas-BIP bei gut 240 Milliarden Dollar stand) gegenüberstellt, wird man per Saldo in Griechenland noch ein durchaus ansehnliches Wachstum konstatieren können. Es entspricht grob gerechnet dem Trend der Jahrzehnte vor dem Beitritt zur Eurozone.

    Hieraus lässt sich schließen: Ohne Euro stünden die Peripherieländer heute nicht wesentlich besser.da als sie es jetzt tun.

    2. Mit Blick auf die Politik befassen sich die Autoren (soweit aus den zitierten Auszügen ersichtlich) offenbar nur mit den Rettungsprogrammen und der hiermit verknüpften Austerität.

    Sie beziehen anscheinend nicht ein, dass die Peripheriestaaten enorm von der Geldpolitik der EZB profitieren. Dank des Quantitative Easing und der impliziten Haftung der übrigen Euroländer sind die Zinsen bei südeuropäischen Staatsanleihen nicht viel höher als die von Bundesanleihen. Ohne EZB müssten sich die Peripheriestaaten zu erheblich schlechteren Bedingungen verschulden und hätten sehr viel größere Löcher im Staatshaushalt..

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  4. prestele
    prestele sagte:

    Ein wunderschönes Beispiel, wie mit dem gewählten Zeitraum Statistik ein Verwirrspiel getrieben wird. Hier die Zahlen für Griechenland nach Statista:
    BIP 2002 $153 Mrd, 2008 $356 Mrd und 216 $195 Mrd oder
    BIP p.c. 2002 $ 12.000, 2008 $ 32.200, 2016 18.100
    Bei allem Mitgefühl für die betroffenen armen Griechen stellt sich doch die Frage, wie das immense Wachstum ab 2002 zu erklären ist und wo der Wohlstandszuwachs geblieben

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