Robert Habecks neue Wohlstands­mes­sung ver­schlei­ert Zielkonflikte

Führungskräfte kennen das Problem: Werden bei der Zielvereinbarung zu viele Ziele definiert, tut man sich am Jahresende mit der Mitarbeiterbeurteilung schwer. Selbst wenn wichtige Ziele nicht erreicht wurden, endet man mit einem befriedigenden Ergebnis.

Die Bonuszahlungen fallen entsprechend gleichmäßig aus. Aus Sicht der Mitarbeiter mit weniger starken Leistungen ein erfreuliches Ergebnis, weshalb sie auch künftig auf möglichst viele Ziele drängen werden. Was im Personalbereich ärgerlich ist, ist auf gesamtwirtschaftlicher Ebene hochproblematisch.

Trotz Schwächen ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der beste Indikator für die Leistung eines Landes. Steigt es, wachsen die Einkommen und damit die Leistungsfähigkeit. Sinkt es, schrumpft der Wohlstand und die Gesellschaft kann sich weniger leisten.

In der Zielhierarchie muss deshalb die Entwicklung des BIP an oberster Stelle stehen. Es bildet die Grundlage und Finanzierungsquelle für alles andere: einen funktionierenden Sozialstaat, Investitionen zur Sicherung künftigen Wohlstands und auch die Klimaschutzmaßnahmen.

Bedenklich ist, dass das Bundeswirtschaftsministerium unter aktueller Führung von Robert Habeck (Grüne) auf ein Sammelsurium an Wohlstandsindikatoren setzt. Nach Kürzung schafften es immerhin 33 Ziele in den Jahreswirtschaftsbericht – von Nitratbelastung bis Bildungsmobilität. Für sich betrachtet mögen die Ziele erstrebenswert sein. Als Größen im Jahreswirtschaftsbericht sind sie fehl an Platz.

Die Gefahr liegt auf der Hand: Die Politik wird in Zukunft fehlendem Wachstum des BIP nicht nur die Erreichung anderer Ziele entgegenstellen, sondern diese anderen Ziele in den Vordergrund stellen und so Erfolg reklamieren.

Haben Ziele jenseits des BIP einmal übergeordnete Bedeutung bekommen, wird die Frage nach den materiellen Kosten und Nutzen der Maßnahmen zur Zielerreichung nicht mehr gestellt. Damit entfällt eine zentrale gesellschaftliche Diskussion über das, was wir uns leisten können und wollen.

Noch schwerer wiegt, dass hinter der Zielerweiterung eine tief sitzende Wachstumsskepsis der führenden Akteure liegt. Nur mit weniger Wirtschaftsleistung und sinkendem Konsum sei demnach das Klima zu retten. Abgesehen davon, dass das Gegenteil der Fall ist, weil man sich Klimaschutz auch leisten können muss, entspricht es nicht der Empirie. Seit Jahren schon hat sich die wirtschaftliche Entwicklung vom Ressourcenverbrauch entkoppelt.

Wie bei überbordenden Zielvereinbarungen im Personalwesen wird auch die Politik damit am Ende Schiffbruch erleiden. „Klimagerechter Wohlstand“ kann alles sein, nur nicht weniger Wohlstand. Denn es lässt sich kein einziger Fall auf der Welt finden, bei dem ein nachhaltig sinkendes Bruttoinlandsprodukt mit mehr Zufriedenheit der Bevölkerung einherging.

handelsblatt.com: “Robert Habecks neue Wohlstandsmessung verschleiert Zielkonflikte”, 18. Februar 2022