Wohlstand für alle braucht Kapital

„Die Wahrheit übers Erben“ versprach jüngst eine ZDF-Dokumentation. Doch statt Aufklärung bot die Sendung Vorurteile und bediente Klischees: auf der einen Seite die junge Familie ohne Chance auf eine eigene Wohnung, auf der anderen der arrogante, nur am eigenen Nutzen orientierte, gesellschaftlich desinteressierte Erbe. Gewünschte Schlussfolgerung: Erben ist ungerecht und verfestigt die ohnehin hohe Ungleichheit im Lande. Wasser auf die politischen Mühlen, Erbschaften hoch zu besteuern.

Abgesehen davon, dass Erbschaften nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW Köln) dazu beitragen, die
Ungleichheit zu verringern, lohnt ein breiterer Blick auf das Thema. Schon der Schotte Adam Smith (1723 – 1790), Begründer der klassischen Nationalökonomie, erkannte: „Volkswirtschaften, in denen die Sparsamkeit und die Kapitalakkumulation dominieren, blühen langfristig. Volkswirtschaften, in denen das laufende Einkommen, das Ausgeben und Schuldenmachen dominieren, gehen zugrunde.“ Wir können uns glücklich schätzen, dass wir nach den Verheerungen zweier Weltkriege wieder eine Generation haben, die im großen Umfang vererben wird. Wir haben Kapital gebildet, nichts anderes ist Vermögen. Angesichts der Endlichkeit des Lebens ist es normal, dieses an die kommende Generation weiterzugeben.

Der größte Teil des zu vererbenden Vermögens ist in Unternehmen gebunden. Gerade bei sehr großen Erbschaften spielen Unternehmensbeteiligungen eine wesentliche Rolle. Genau diese werden vom Gesetzgeber mit Blick auf die Substanzsicherung und den Erhalt von Arbeitsplätzen bei der Erbschaftssteuer verschont. Und für die Erben ist es keineswegs „leistungslos“, wie Kritiker behaupten, sondern mit der Verpflichtung verbunden, das Erbe zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Was bleibt, ist eine Steuer für „kleine Millionäre“, die nicht die Möglichkeit haben, mit steuerlichen Strukturen der Last zu entgehen. Hier die Erbschaftssteuerbelastung weiter zu erhöhen, ist weder gerecht noch zielführend. Was sollte das Ziel sein? Die Vermögen in Deutschland gleichmäßiger zu verteilen. Doch das erreichen wir nicht durch Umverteilung vorhandener Vermögen, sondern indem wir der breiten Masse helfen, Vermögen zu bilden. Das beginnt bei einer geringeren Abgabenbelastung, besseren Möglichkeiten der Geldanlage und geht bis zu einem staatlichen Erbe – beispielsweise 20.000 Euro – für alle, die eine Berufsausbildung abgeschlossen haben. Gern finanziert durch eine tiefe Erbschaftssteuer ohne Ausnahmen.

Das ist der Weg, den die neue Regierung beschreiten sollte. Setzen sich aber diejenigen durch, die privatem Vermögen skeptisch gegenüberstehen, belohnen wir Konsum und bestrafen Sparsamkeit. Das Gegenteil von dem, was wir zur Sicherung unseres künftigen Wohlstands brauchen.

P. S.: Der Titel, den das Handelsblatt verwendet hat, finde ich nicht so passend.

handelsblatt.com: “Wohlstand für alle braucht große Erbschaften”, 3. Dezember 2021