Wofür sich Schulden lohnen

In der vergangenen Woche habe ich an dieser Stelle mit Blick auf die Logik der Währungsunion dafür plädiert, in Deutschland auf mehr Staatsschulden zu setzen, solange wir unter dem Schnitt der anderen Euro-Länder liegen. Was zu der Frage führt, wofür der Staat in Deutschland mehr Schulden machen sollte.

Die Antwort sollte sich an den großen Herausforderungen orientieren, vor denen wir stehen: Die Erhöhung des Wachstumspotenzials vor dem Hintergrund einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung, die bessere Versorgung der alternden Gesellschaft und eine breitere Vermögensverteilung sollten Kernziele einer verschuldungsorientierten Politik sein. Auf keinen Fall sollte weiterer Konsum auf Kredit finanziert werden.

Deutsche Privathaushalte sind im europäischen Vergleich ärmer, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die untere Hälfte über kein oder nur wenig Vermögen verfügt. Auch die Rentenansprüche in Deutschland sind im europäischen Vergleich nicht sonderlich hoch. Hier könnte die Idee eines staatlich finanzierten Alterssicherungsfonds helfen.

Deutschland sollte einen Staatsfonds nach norwegischem Vorbild auflegen. Für jeden Bürger unter 65 Jahre würden 25.000 Euro vom Staat auf ein Alterssicherungskonto eingezahlt und zwar zunächst in Form neu ausgegebener Staatsanleihen. Das Fondsmanagement würde diese über Zeit verkaufen und im Gegenzug ein globales Portfolio von Aktien, Immobilien und Infrastrukturinvestments erwerben. Die Bürger bekämen das Geld ausgezahlt, sobald sie das 65. Lebensjahr vollendet haben und mindestens zehn Jahre im Fonds investiert waren. Es sollte möglich sein, den eigenen Anteil zum Zweck des Erwerbs von Immobilien oder der Gründung eines Unternehmens zu beleihen.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Auf einen Schlag besäßen jene 50 Prozent der Bevölkerung, die bisher vermögenslos waren, Vermögen und legten dieses renditeoptimal und professionell an. Als Land mit schrumpfender Bevölkerung würden wir uns in der Alterssicherung unabhängig machen von der Demografie und am Aufschwung in anderen Regionen partizipieren.

Die Geldanlage wäre zudem mit Blick auf die erheblichen Inflationsrisiken weitaus sicherer als Sparbuch und Lebensversicherung. Unser Staat wäre selbst nach der Gründung eines solchen Fonds, der überschlägig 1600 Milliarden Euro bzw. 45 Prozent vom BIP kosten würde, nur so hoch verschuldet wie der Durchschnitt der Eurozone und geringer als Italien, Spanien und Frankreich und würde in Zukunft wie diese Länder von der Entwertung der Schulden durch Inflation profitieren.

Das Einzige, was gegen diese für unseren Wohlstand naheliegende Strategie spricht, ist die Politik. Die Mehrheit unserer Volksvertreter dürfte es nicht verstehen und jene, die das tun, scheuen die Konsequenz. Bürger, die selbst über Vermögen verfügen, sind weniger anfällig für Wahlgeschenke und damit Manipulation.

handelsblatt.com: “Mehr Staatsschulden können die Deutschen reicher machen”, 19.08.2022