Wie SPD und Kühnert Politik für Reiche, Besitzende und Alte machen

Dieser Kommentar von mir erschien bei manager-magazin.de:

Bekanntlich ist das Gegenteil von „gut“, „gut gemeint“. Keine Partei führt das gerade so vor, wie die SPD und ihr Nachwuchsstar Kevin Kühnert.

Was erwartet man von der SPD und von ihrem Repräsentanten der Parteijugend Kevin Kühnert? Unter anderem, dass sie sich um die Belange der Armen, Besitzlosenden und Jungen kümmert. Genau diesen Eindruck vermitteln die Genossen in Interviews und Talkshow-Auftritten. Und sicherlich meinen sie das auch so.

Das Problem dabei: Die Welt ist deutlich komplexer als es sie von Politikern der SPD aber auch anderer Parteien wahrgenommen wird. Sie reden immer von „komplexen Problemen“, für die es „keine einfachen Lösungen“ geben darf. Das tun sie dann besonders gern, wenn es einfache Lösungen gäbe, diese ihnen aber nicht ins politische Konzept passen. Bei den wirklich komplexen Themen wie der Schaffung und Verteilung von Wohlstand in diesem Lande haben sie keinerlei Hemmungen, mit Einzelmaßnahmen in das System einzugreifen und damit immer mehr Schaden anzurichten.

Die Folge: Wenn es gut läuft, nutzt die Maßnahme den Begünstigten nicht. Wenn es schlecht läuft, profitieren jene, um die es den Politikern der SPD nicht geht: die Reichen und Besitzenden. Beispiele dafür gibt es reichlich. Hier eine Auswahl.

Mindestlohn und Minijob

Die Idee hinter der Einführung des Mindestlohns ist bekannt. Es geht aus Sicht der Politik darum, nach Jahren rückläufiger Einkommen und eines stark wachsenden Niedriglohnbereichs den unteren Einkommensgruppen zu helfen. Seither wird der Mindestlohn turnusmäßig überprüft und erhöht. So weit, so gut. Was allerdings nicht passiert, ist eine zeitgleiche Anpassung der Minijobgrenze. Zuletzt wurde die Einkommensgrenze für Minijobs von 400 auf 450 Euro angehoben. Das war im Jahr 2013. Danach schlägt der Staat mit Abgaben unerbittlich zu.

Minijobber haben vergleichsweise viel Netto vom Brutto, weil die Abgabenlast deutlich geringer ist. Kein Wunder also, dass viele Menschen versuchen, unter der Grenze zu bleiben. Das mag viele Gründe haben, im Kern liegt hinter diesem Verhalten aber das Vermeiden der Abgaben. Gäbe es einen sanfteren und vor allem späteren Übergang in das Entrichten von Abgaben, wäre es sicherlich anders.

Als der Mindestlohn eingeführt wurde, betrug er 8,50 Euro und ein Minijobber konnte 53 Stunden im Monat arbeiten, ohne über die kritische Grenze zu kommen. Heute, nach der letzten Erhöhung des Mindestlohns, sind es nur noch 49 Stunden. Und genau dieser Rückgang der offiziellen Arbeitszeiten lässt sich beobachten. Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigen sich auf eine Reduktion der Arbeitszeit, wobei offenbleibt, ob diese auch in der Praxis sinkt. Letzteres führt dann zu Rufen nach mehr „Kontrollen“.

Richtig wäre es natürlich, die Minijobgrenze direkt anzuheben, wenn der Mindestlohn steigt. Dann hätten die Betroffenen, um die es der Politik ja nach eigener Aussage geht, mehr in der Tasche. Doch nein, das SPD-geführte Arbeitsministerium sträubt sich, ist es doch das erklärte Ziel, die Anzahl der Minijobber klein zu halten. Man will, dass mehr Menschen sozialversicherungspflichtig werden und in die Kassen einzahlen – offiziell, um für das eigene Alter vorzusorgen (was nicht stimmt, ergeben die geringen Beiträge doch keine Altersvorsorge), faktisch natürlich, um die heutige Finanzierung des Systems zu verbessern. Auch die Gewerkschaften sind gegen eine Anhebung, weil sie befürchten, dass noch mehr Menschen aus dem System der Zwangsabgaben fliehen.

Gewinner: niemand

Verlierer:

  • Minijobber (bekommen nicht mehr Gehalt),
  • Arbeitgeber (zahlen weiterhin hohe Beiträge und finden schwerer Mitarbeiter),
  • Allgemeinheit (Durchlässigkeit Arbeitsmarkt verringert).

Mietpreisbremse

Ein weiteres schönes Beispiel für das Gegenteil von „gut“ ist die Mietpreisbremse. Das offizielle Ziel ist klar: den Anstieg der Mieten in Ballungsräumen zu bremsen. Maßnahmen wie Fördern und Erleichtern des Baus neuer Wohnungen werden in vielen Städten aus politischen Gründen nicht realisiert. Da bleibt Bauland ungenutzt, da dürfen Dachgeschosse nicht ausgebaut werden und Gebäude eine bestimmte Höhe nicht überschreiten.

Mit der Mietpreisbremse soll das Versagen der Politik auf diesem Gebiet kaschiert werden. Doch wie wirkt diese Bremse?

  • Da der Vermieter die Miete innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nur um 15 Prozent erhöhen kann, ist er gezwungen, mögliche Mieterhöhungen schnell vorzunehmen. Wartet er zu lange, kann es sein, dass er zu einem späteren Zeitpunkt an die Kappungsgrenze stößt. Rational betrachtet, erhöht der Vermieter also sofort, sobald er auch nur ein kleines bisschen erhöhen kann. Damit wird die Mietpreisbremse zu einem Mieterhöhungsbeschleunigungsgesetz.
  • Vermieter, die sich durch die Begrenzungen der Mietpreisbremse und andere Maßnahmen des Mieterschutzes zu sehr eingeschränkt sehen, vermieten nur noch möblierte Wohnungen und dies befristet. In Berlin wird der Anteil der so vermieteten Wohnungen bereits auf fünf bis zehn Prozent geschätzt. Aus Sicht der Vermieter höchst attraktiv und vor allem rational, da für das Vermieten von möblierten Wohnungen die Mietpreisbremse nicht gilt.
  • Aber selbst wenn der Vermieter sich an alle Regeln hält, profitieren nicht die Armen und Bedürftigen, sondern jene, die es am wenigsten brauchen. Dies erläutert folgendes Beispiel: Eine Wohnung kostet ohne Mietpreisbremse beispielsweise 15 Euro/qm. Wenn sich drei Interessenten beim Vermieter melden, nimmt dieser jenen, der ihm am solventesten erscheint. Wird die Miete durch die Mietpreisbremse unter den Marktpreis auf beispielsweise 10 Euro gedrückt, bewerben sich nicht drei, sondern 103 Interessenten. Der Vermieter jedoch nimmt denselben Mietanwärter. Gewinner der Aktion ist also der Interessent, der auch 15 Euro gezahlt hätte (er spart fünf Euro/qm). Verlierer sind der Vermieter und die 100 Interessenten, die sich Hoffnungen gemacht haben.
  • Die fehlende Möglichkeit für die Vermieter, die Miete nachhaltig anzuheben, führt dazu, dass Mieter, die in einer Wohnung bereits seit Langem sitzen, deutlich unter Marktpreis bezahlen. Zu langsam erfolgt hier der Anpassungsprozess. Die Folge ist, dass langjährige Mieter, zum Beispiel nach Auszug der Kinder oder Tod des Partners trotzdem in einer viel zu großen Wohnung bleiben, weil diese günstiger pro Quadratmeter ist als eine kleinere Wohnung. In der Folge fehlt Wohnraum für junge Familien und Einzelmieter belegen Flächen, die sie weder benötigen noch nutzen. Damit schützt die Politik die Besitzenden gegen diejenigen, die noch keine Wohnung haben.

Diese keineswegs vollständige Aufzählung macht klar, die Interventionen im Immobilienmarkt dienen genau jenen, denen sie keinen Nutzen bringen sollen.

Gewinner:

  • Eigentümer/Vermieter (weniger neuer Wohnraum, schnellere Mieterhöhungen, Ausweichen auf     möblierte Wohnungen),
  • gut verdienende Mieter (mieten günstiger, als sie ohne Mietpreisbremse mieten könnten, dank   Deckelung),
  • Alte/Besitzende (zahlen weniger als die marktübliche Miete).

Verlierer:

  • nicht so gut verdienende Mieter (bekommen trotzdem keine Wohnung, verschwenden Zeit, erleben enttäuschte Hoffnungen),
  • junge Menschen/Familien (finden keinen Wohnraum, weil dieser durch Alte/Besitzende blockiert wird).

Migration

Unabhängig davon, wie man zum Thema Migration steht, muss man feststellen, dass diese vor allem die unteren und mittleren Einkommensgruppen der Gesellschaft trifft. Dies erklärt auch, weshalb so viele Wähler aus dem eigentlich „linken“ Spektrum in Richtung von Parteien umorientieren, die sich für eine Begrenzung der Migration aussprechen. Die Folgen der Migration sind vielfältig:

  • Studien zeigen eindeutig, dass Migration zu Lohndruck in den unteren und mittleren Einkommensgruppen führt. Es gibt mehr Menschen, die einfache und ungelernte Tätigkeiten ausüben können. Das führt, allen Begrenzungen mit Mindestlohn etc. zum Trotz, zu einer Dämpfung des Lohnanstiegs. Verlierer sind die bereits im Lande lebenden Menschen mit geringer Qualifikation. Gewinner sind Arbeitgeber und Kunden, zum Beispiel die Besserverdiener, die so günstiger an Putzfrau und Kunden kommen.
  • Die Zuwanderer drängen darüber hinaus vorwiegend in den unteren Bereich des Wohnungsmarktes und verstärken damit die Wohnungsnot in diesem Segment. Zwar haben Menschen, die schon länger hier leben, erfahrungsgemäß bessere Chancen als Zuwanderer, dennoch führt das zu entsprechendem Preisdruck, der sich auch nach oben durchschlägt, kann man doch davon ausgehen, dass die Mieten relativ zu einander bestimmt werden. Die Politik denkt derweil darüber nach, die Benachteiligung von Ausländern auf dem Wohnungsmarkt zu bekämpfen. Instrument ist das Antidiskriminierungsgesetz. Es wird auch darüber nachgedacht, die Bewerbungen zu anonymisieren. Damit wächst der Druck auf die heimische Bevölkerung.
  • Unstrittig kommt es zu einer Konzentration der Zuwanderung in einigen Stadtvierteln. Die Folge ist dann auch in Kindergärten und Schulen zu besichtigen. In Berlin gibt es Schulen, in denen der Anteil der deutschstämmigen Kinder in der ersten Klasse bei unter einem Prozent (!) liegt. Dies führt dazu, dass immer mehr in der Gegend wohnende Menschen umziehen wollen. Dies können sich nicht alle leisten und führt so oder so zu höheren Kosten.
  • Auch bei den Sozialleistungen führt die Zuwanderung zu einer Verschiebung. Da wohl kein Land so sehr wie Deutschland eine Zuwanderung in das Sozialsystem anzieht, ist eine Überlastung des Staates die zwangsläufige Folge. Nach Studien beziehen Zuwanderer in Deutschland nicht nur mehr als die Bevölkerung erwartet, sondern sogar mehr als die schon hier ansässige Bevölkerung. Schon früher habe ich an dieser Stelle vorgerechnet, dass der gesamte Anstieg der Armut in Deutschland schon vor der Flüchtlingskrise mit dem gestiegenen Anteil der Migranten an der Bevölkerung erklärt werden kann:
  • Als „arm“ gilt, wer weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens verdient.
  • Laut OECD ist Deutschland das Land mit dem geringsten Armutsrisiko.
  • Laut Statistischem Bundesamt ist die Armutsquote von 12,6 Prozent (2005) auf 13,9 Prozent (2014) gestiegen.
  • Bei der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund liegt das Risiko bei 11,3 Prozent.
  • Bei Menschen mit „direktem Migrationshintergrund“ liegt das Risiko bei 22,2 Prozent.
  • Bei jenen mit „indirektem Migrationshintergrund“ liegt das Risiko bei 16,1 Prozent.
  • Bei Annahme gleicher Armutsquoten der Bevölkerungsgruppen wie im Jahre 2014 genügt ein Anstieg des Anteils der Bevölkerung mit Migrationshintergrund von 22 auf den heutigen Wert von 25,6 Prozent, um den Anstieg der Gesamt-Armutsquote seit 2005 zu erklären.

In der Folge fehlt natürlich Geld für die schon länger hier lebenden Bedürftigen. Zum einen drückt die Zuwanderung das verfügbare Einkommen im Durchschnitt und macht damit früher als „arm“ Definierte „reicher“. Die Politik hat darauf zwar mit dem Ausweiten der Sozialleistungen reagiert – noch nie wurde in Nicht-Rezessionszeiten so viel Geld für Soziales ausgegeben wie heute –, dennoch führt es zu einer Verringerung der Leistungen gegenüber dem Zustand ohne Zuwanderung in das Sozialsystem.

Die Zuwanderung hat erhebliche Verteilungswirkungen, die allerdings nicht für eigentlich linke Politik stehen.

 Gewinner:

  • Vermieter (mehr Nachfrage nach Wohnraum, steigende Mieten),
  • Arbeitgeber (Lohndruck im unteren Segment),
  • Kunden (billigere Dienstleistungen),
  • private Bildungsanbieter (Flucht aus dem öffentlichen Schulsystem),
  • Integrationssektor (Sprachschulen etc.),
  • Migranten (leben deutlich besser als in ihren Herkunftsländern).

Verlierer:
untere Einkommensgruppen (mehr Wettbewerb um Arbeit, Wohnung, weniger Sozialleistungen, schwierigeres Wohnumfeld/Schulen).

Man fragt sich, wie da SPD-Politiker wie Heiko Maas im Fernsehen behaupten können, dass durch die Zuwanderung in diesem Land “niemand etwas weggenommen” würde.

Bildungspolitik

„Gute Bildung darf nichts kosten“, plakatierte die SPD vor einigen Jahren im Berliner Wahlkampf. Klingt gut, deckt sich aber nicht mit der Realität, wo eine Politik die Standards ständig senkt und unzureichend in die öffentlichen Schulen investiert:

  • Nicht nur der steigende Ausländeranteil – dem mit der Einstellung von deutlich mehr Lehrern begegnet werden müsste! –, sondern gerade auch die fehlenden Investitionen und politisch beabsichtigten Senkungen der Leistungsstandards führen zu einer Flucht aus dem öffentlichen Schulsystem, den sich naturgemäß nur jene leisten können, die über ausreichende finanzielle Mittel verfügen. Erst geht es in private Schulen im Inland, wer es sich leisten kann, schickt seine Kinder gleich in ausländische Internate. Die stark steigenden Zahlen sprechen für sich. In der Folge fehlen viele leistungsstarke Schüler, was das Niveau der Bildung zusätzlich senkt.
  • Kein Wunder, dass die OECD feststellt, dass Deutschland das Land mit der geringsten sozialen Mobilität ist. Nirgendwo bestimmt das Elternhaus das künftige Einkommen so sehr wie hier. Der Versuch der linken Politik, die Akademikerzahlen durch Senkung der Standards nach oben zu treiben, funktioniert eben nur vordergründig. Auf dem Papier ist es leichter, nach oben zu kommen. Faktisch passiert das Gegenteil: Statt auf dem Niveau der Schule erfolgt die Differenzierung zu einem späteren Zeitpunkt in der Universität oder spätestens bei der Suche nach einem Arbeitsplatz. Wie schon beim Beispiel Mietpreisbremse werden hier Hoffnungen geweckt, die nachher zwangsläufig enttäuscht werden müssen.
  • Beispielhaft seien die Abiturergebnisse angeführt: Der Anteil der Einser-Abiturienten hat sich seit 2006 verdoppelt. 53 Prozent der 20- bis 24-Jährigen haben eine Hoch- oder Fachholschulreife. Zum Vergleich: Bei den 40- bis 44-Jährigen haben diese nur 39 Prozent. In Berlin, Brandenburg und Thüringen gab es in den letzten zehn Jahren eine wahre “Intelligenzschwemme“. Der Anteil der Einser-Abiturienten stieg dort von einem Prozent auf 4,7 (Berlin), von 1,8 auf 5,3 (Brandenburg) und von 2,8 auf 5,3 Prozent in Thüringen.
  • Parallel dazu steigt jedoch der Anteil der Lehramtsstudenten für Deutsch, die an der Uni erst Nachhilfe in Rechtschreibung brauchen, und der Ingenieurstudenten, die an der Uni erst noch die Grundlagen der Mathematik nachholen müssen. Ähnliches zeigen die Ergebnisse der internationalen PISA-Studie, wo die Gruppe der Spitzenschüler ständig schrumpft: So ist der Anteil der 15 Jahre alten Schüler, die das Höchstniveau im PISA-Test in Mathematik erreichten, seit 2006 von 4,5 Prozent auf 2,9 Prozent gesunken. Dabei sind es gerade diese Spitzenleister, die für die künftige Innovationsfähigkeit eines Landes stehen.

Die Politik bekämpft fehlende soziale Mobilität mit dem erleichterten Zugang zu höherer Bildung durch Absenken der Leistungsstandards, statt durch bessere und höhere Investitionen in Bildung. Sie folgt damit einem „Akademisierungswahn“ (NZZ), der zugleich den Mangel an Fachkräften in der Zukunft verschärft. Ein weiteres „schönes“ Beispiel für das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“.

Gewinner:

  • Privatschulen im In- und Ausland (mehr Schüler),
  • Kinder aus wohlhabendem Hause (Sicherung sozialer Status durch besseren Zugang zur Bildung),
  • das Ausland (Zuwanderung künftiger High Potentials, die nach der Ausbildung nicht nach Deutschland zurückkehren).

Verlierer:

  • Kinder aus tieferen sozialen Schichten (abnehmende Qualität Bildung, unzureichende Investitionen),
  • Kinder mit Migrationshintergrund (noch deutlich weniger Chancen als Kinder aus deutschsprachigen Haushalten),
  • der Standort Deutschland (weniger gut ausgebildete Arbeitskräfte, Verlust von High Potentials an das Ausland, Fachkräftemangel verstärkt),
  • die alternde Bevölkerung (künftig geringere Einkommen pro Kopf und damit weniger Finanzkraft zur Deckung der steigenden Kosten für Renten, Pensionen und Gesundheit).

Sozialstaat-Ausbau

Rente, Kranken- und Pflegeversicherung, Hartz IV, BAföG, Kindergeld – alles zusammengerechnet erreichten die Sozialausgaben 2017 den Rekordwert von 965,5 Milliarden Euro. Die Sozialausgaben betragen damit 29,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Bundesregierung will den Anteil der Sozialausgaben am Bundeshaushalt weiter deutlich ausweiten. Konkret sollen die Sozialausgaben von 179,5 Milliarden Euro im laufenden Jahr auf 198,3 Milliarden Euro im Jahr 2023 steigen. Damit würde die Sozialausgabenquote des Bundeshaushalts von derzeit 50,4 Prozent auf demnächst 52,9 Prozent steigen. In den Ausgaben ist dabei noch nicht das Vorhaben zur Einführung einer Grundrente berücksichtigt.

Ein offensichtliches Gewinnerthema für die SPD, könnte man meinen. Denn damit würde genau jenen geholfen, die es benötigen und soziale Ungerechtigkeit bekämpft. Doch auch hier sind Zweifel angebracht:

  • Zunächst die Feststellung: Umverteilung funktioniert. Nach Daten der OECD ist Deutschland – wie schon erwähnt – das Land mit dem geringsten Armutsrisiko und die Einkommensverteilung liegt nach der Umverteilung seit Langem stabil bei einem Gini-Koeffizienten von 0,29. Damit ist Deutschland eines der „gerechtesten“ Länder der Welt. Zugleich ist in den letzten zehn Jahren vor allem das Einkommen der untersten zehn Prozent gewachsen, deutlich schneller als die Einkommen der Mittelschicht.
  • Auch die weitere Feststellung, dass die Bürger Umverteilung wollen passt ins Bild. Allerdings stellt sich bei vertiefenden Umfragen heraus, dass die tatsächliche Umverteilung heute schon über der gewünschten liegt. Nur fehlt den Bürgern die Transparenz bei dem Thema.
  • Die Frage ist jedoch: Wer zahlt denn für den Sozialstaat? Es sind genau jene, die von der SPD und anderen Parteien des linken Spektrums geschützt werden sollten: die Bürger/-innen mit kleinen und mittleren Einkommen. Laut OECD ist Deutschland das Land mit der zweithöchsten Abgabenbelastung. Musste man in den 1960er-Jahren noch das 15-Fache des Durchschnittseinkommens bezahlen, um zum exklusiven Kreis der Spitzensteuerzahler zu gehören, so genügt heute bereits das 1,3-Fache. Jeder zehnte Deutsche zahlt den Spitzensteuersatz. Anders kann die Finanzierung der immer größeren Umverteilungsmaschine nicht funktionieren. Man braucht einfach die Masse der Steuerzahler, die im Verhältnis gesehen wenigen wirklich „Reichen“ genügen da lange nicht. Die Politik spricht zwar immer von den „Reichen“, aber da ist in Summe gar nicht genug zu holen.
  • Profiteure sind – wie bereits oben gezeigt – zunehmend die Zuwanderer nach Deutschland. Diese dürften sich angesichts der hiesigen Sozialleistungen hier keineswegs als „arm“ empfinden, vor allem, wenn man das hiesige Leistungsniveau mit dem BIP pro Kopf der Herkunftsländer vergleicht. Selbst kaufkraftbereinigt lebt es sich bei uns nicht nur finanziell, sondern auch mit Blick auf Sicherheit und Gesundheitsversorgung, deutlich besser.
  • Dabei haben die Politiker Sozialleistungsversprechen abgegeben, die in Zukunft nicht zu halten sind. Schon heute müssten wir nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums jährlich zwischen 36 und 115 Milliarden zusätzlich sparen, um für die künftigen Lasten vorzusorgen. Das bedeutet, dass es in Zukunft noch deutlich höhere Abgabenlasten geben wird, oder aber es kommt zu drastischen Leistungskürzungen.

Gerade beim Thema Sozialstaat zeigt sich die fatale Verteilungswirkung der Eingriffe.

Gewinner:

  • heutige Rentner (beziehen eine hohe Rente, dank Belastung der Beitragszahler und obwohl sie das
    geringste Armutsrisiko tragen),
  • Migranten (erhalten Leistungen, ohne selbst einen Beitrag geleistet zu haben),
  • Arbeitslose.

Verlierer:

  • heutige Beitragszahler (hohe Abgaben heute, keine Möglichkeit zur Vermögensbildung, Aussicht auf deutlich schlechtere Versorgung und Leistungskürzungen im Alter),
  • Standort Deutschland (unzureichende Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung, Innovation, Bildung).

Eurorettung durch Transferunion

Die SPD tritt eindeutig für eine Transferunion in der EU ein. Sie begrüßt die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips bei Entscheidungen zur Steuer- und Sozialpolitik, wohlwissend, dass nach dem Austritt Großbritanniens die Empfängerländer die Mehrheit haben. Sie begrüßt die Ideen einer europäischen Arbeitslosenversicherung und einer vollständigen Bankenunion. Dabei spielt es keine Rolle, dass durch eine Transferunion die Eurozone nicht zu retten ist, wie ich bereits mehrfach erklärt habe.

Viel entscheidender ist ein anderer Punkt. Warum sollen die deutschen Privathaushalte, die nach allen Daten die Ärmsten der Eurozone sind, für die Kosten aufkommen? Nach Daten des französischen Reichtumsforschers Thomas Piketty lag die Vermögensquote – also das Vermögen relativ zum Volkseinkommen im Jahre 2015:

  • in Spanien bei 659 Prozent (2014),
  • in Frankreich bei 591 Prozent,
  • in Italien bei 587 Prozent,
  • in den Niederlanden bei 530 Prozent (2014),
  • in Griechenland bei 499 Prozent,
  • in Deutschland bei 446 Prozent.

Die Deutschen besitzen also im Durchschnitt weniger Vermögen als Italiener, Franzosen und Spanier, die im Rahmen der europäischen „Solidarität“ eine größere Anstrengung von uns verlangen und nur geringfügig mehr als die Griechen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) erhebt regelmäßig Daten zum Medianvermögen im Euroraum. Das Ergebnis deckt sich mit den Daten von Piketty und zeigt, dass wir Deutschen, obwohl wir viel verdienen, nur über ein geringes Vermögen verfügen: konkret rund 60.000 Euro, während der entsprechende Wert in Italien, Frankreich und Spanien bei mindestens dem Doppelten liegt.

Die SPD, offiziell immer laut nach einer Umverteilung von „reich“ zu „arm“ rufend, will hier genau das Gegenteil. Sie will, dass die ärmeren deutschen Haushalte den reicheren in anderen Ländern helfen.

Gewinner:

  • die Privathaushalte (mehr Einkommen, weniger Beitrag zur Lösung der nationalen Probleme)
  • und die Politiker (höhere Popularität im Inland) in den Krisenländern der Eurozone.

Verlierer: die hiesige Bevölkerung.

Enteignung von Immobilien und Unternehmen

Kommen wir zum Abschluss noch zur neuesten Idee von SPD und Linken, der Enteignung von Immobilienbesitzern und Unternehmen. Auch hier sind es die Besitzenden und „Reichen“, die davon profitieren:

  • Niemand, der vernünftig ist, wird angesichts der Enteignungsdiskussion in Deutschland in neuen Wohnraum investieren. In der Folge wächst das Angebot bei weiter steigender Nachfrage noch langsamer. Damit steigen die Mieten schneller und es gibt eine bessere Verzinsung bestehender Immobilieninvestments. Die absehbaren weiteren Eingriffe der Politik (Verschärfung Mietpreisbremse etc.) werden sich wieder umgehen lassen und zusätzlich die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage verschärfen. Damit wachsen die Mieten noch schneller.
  • Alle Vermögenden und auch die Familienunternehmen wurden aus ihrer Illusion, dass es in Deutschland auf Dauer so gut weitergeht, erweckt. Jetzt wissen sie, dass es in dem Land angesichts der demografischen Entwicklung nur eine Richtung geben wird: hin zu mehr Regulierung, mehr Umverteilung, weniger Investitionen und damit immer klarer in Richtung DDR 2.0 (wie hier erklärt).

Gewinner:

  • Vermieter (länger höhere Mieten),
  • die Vermögenden (Weckruf, können noch rechtzeitig ihr Geld in Sicherheit bringen).

Verlierer:
alle jene, die nicht die Möglichkeit haben, auszuwandern (Wohlstandsverlust, weniger Wachstum, kleinerer Umverteilungskuchen).

Komplexe Systeme erfordern intelligente Antworten

Die Aufzählung ist sicherlich nicht vollständig. Sie soll nur illustrieren, wie die Politik genau das Gegenteil von dem bewirkt, was sie vorgibt, erreichen zu wollen. In der Praxis nutzt die Politik der SPD vor allem jenen, denen die Partei sicherlich nicht helfen will. Kühnert und Co. beweisen, dass komplexe Systeme eben intelligentere Antworten brauchen.