Die Zukunft liegt im Wett­bewerb der Geldanbieter

Bitcoin und andere Kryptos erreichten in der letzten Woche neue Rekordstände. Ob diese Euphorie gerechtfertigt ist und ob sich die Erwartungen der Optimisten erfüllen werden, die bereits für das kommende Frühjahr eine weitere Verdoppelung sehen, mag ich nicht beurteilen. Ich halte es mit Isaac Newton. Der erklärte 1720, nachdem er viel Geld in der Südseeblase verloren hatte, er könne „die Bewegungen der Himmelssterne berechnen, aber nicht den Wahn der Menschen“.

Inflationsängste und Sorgen um die Stabilität des Finanzsystems, das von den Notenbanken in eine Sackgasse geführt worden ist, werden als Gründe für die spektakuläre Entwicklung angeführt. Dass gleichzeitig Gold, seit rund 6000 Jahren aus ähnlichen Gründen geschätzt, in diesem Jahr im Minus liegt, wird mit dem Hinweis abgetan, dass Millennials lieber auf moderne Technologie setzten.

Beide – Gold wie Kryptos – mögen der Wertaufbewahrung dienen, eine Teilhabe an der produktiven Entwicklung der Welt bieten sie nicht. Das unterstreicht auch das gern von Gold-Fans angeführte Beispiel, dass man für den Wert einer Unze im antiken Rom eine gute Toga bekam und heute einen guten Anzug. Relativ zur Wirtschaftsleistung wurden Anzüge deutlich günstiger.

Die Funktion von Geld erfüllen beide wegen zu hoher Transaktionskosten nur unzureichend. Dennoch geben die Kryptos einen entscheidenden Impuls für eine Neugestaltung unserer Geldordnung, die 50 Jahre nach dem Ende der Goldbindung des US-Dollars und angesichts der offensichtlichen Probleme – Rekordschulden, Blasen, Interventionsspiralen – mehr als überfällig ist. Hier könnten Amazon, Apple, Google & Co. ansetzen und kostengünstige globale Alternativwährungen schaffen.

Staaten und Notenbanken fürchten die Konkurrenz privaten Geldes, verschafft das staatliche Monopol doch Macht und Gewinne. Das steht hinter den Bemühungen, mit digitalem Zentralbankgeld privaten Initiativen zuvorzukommen. Ähnlich wie bei der Diskussion zur Umstellung auf ein Vollgeldsystem sehen die Befürworter darin eine Möglichkeit, das Finanzsystem zu stabilisieren und den Bürgern ausfallsicheres Geld in die Hand zu geben, statt einer Forderung gegen ihre Bank. Die Rede ist gar von einem modernen Bargeld.

Es ist aber kein Bargeldersatz. Es wäre eine Welt, in der es keine Geheimnisse gäbe. Jeder Bürger wäre mit seinem Verhalten transparent. Unerwünschtes Verhalten wie Alkoholkonsum oder zu hoher CO2-Verbrauch ließen sich nicht nur erfassen, sondern auch sanktionieren. Die Politik der Marktmanipulation und Enteignung durch Negativzinsen ließe sich noch effektiver umsetzen. Die Tradition des Missbrauchs des Geldmonopols träte in eine neue Phase.

Wir sollten die Gestaltung der neuen Geldordnung nicht jenen überlassen, die es schon jetzt schlecht machen. Die Zukunft muss im Wettbewerb der Geldanbieter liegen.

handelsblatt.com: “Die Zukunft liegt im Wettbewerb der Geldanbieter”, 12. November 2021