US-Wahl: Rezession und schwache Börse – egal wer gewinnt

Dieser Kommentar erschien bei manager magazin online:

Die Kommentatoren überschlagen sich: Sollte Trump gewinnen, drohen Börsenkrach und Rezession, manche sehen gar eine Depression wie in den 30er-Jahren. Nur wenn Hillary Clinton gewählt würde, ginge dieses Szenario an uns vorbei. Diese Annahme ist falsch. Egal, wer morgen die Wahl gewinnt, derjenige wird als Präsident für Rezession und schwache Börse stehen oder die Voraussetzung für einen echten Aufschwung schaffen.

Die Wahl Donald Trumps dürfe in der Tat zu heftigen Turbulenzen an der Börse führen. Wie bei dem überraschenden Votum der Engländer für den Brexit kämen die Börsen einige Tage und vielleicht Wochen unter Druck. Beim Brexit übrigens eine Kaufgelegenheit, haben sich die Börsen doch rasch und deutlich erholt.

Viel wichtiger als diese kurzfristige Reaktion, ist die Frage nach den Aussichten für Wirtschaft und Börse für die kommenden vier Jahre. Und die sind schlecht, egal wer die Wahl gewinnt. Vielleicht sogar etwas besser mit einem Präsident Trump. Fünf Gründe sprechen für dieses Szenario:

  1. Der Aufschwung ist alt und schwach

Der Konjunkturaufschwung in den USA dauert seit 2009 an. Statistisch gesehen ist es schon jetzt eine der längsten Phasen konjunktureller Expansion seit dem Zweiten Weltkrieg. Aufschwünge sterben nicht abrupt und laut, sondern an Altersschwäche. So wird es auch diesmal sein. Der Lärm kommt vielmehr von den Finanzmärkten, die sich meistens, so auch heute, zu weit von der Realwirtschaft entfernt haben.

An dieser Analyse ändert auch nichts, dass der Aufschwung der schwächste seit siebzig Jahren ist. Beschäftigung und Industrieproduktion liegen deutlich unter Vorkrisenniveau, die Geldpolitik bleibt historisch aggressiv. Es ist kein Wunder, dass die Wahlen in den USA so ablaufen. Der Aufschwung hat sich an den Finanzmärkten abgespielt, die Mittelschicht aber nicht erreicht.

Anzeichen für eine baldige Rezession mehren sich. So fiel das Vertrauen der kleinen Unternehmen, gemessen am NIFB, im September erneut und deutet bereits einen Abschwung an. Vor allem die Zahl der offenen Stellen sank in diesem Segment deutlich, auf den tiefsten Stand seit 15 Monaten. Erfahrungsgemäß ist dies ein sehr zuverlässiger Indikator für die weitere Entwicklung. Die US-Wirtschaft hängt vor allem vom Konsum ab, während der stärkere Dollar die Exporte hemmt und der tiefe Ölpreis den Energiesektor weiter belastet. Für 2017 dürfte die Wahrscheinlichkeit einer Rezession bei 50 Prozent liegen, für die kommenden vier Jahre bei 90 Prozent. Egal, wie es bei der Wahl ausgeht.

  1. Die Ursachen der Krise nicht gelöst

Der eigentliche Grund für die schwache wirtschaftliche Erholung in den USA und noch verschärft bei uns in Europa liegt in der unbewältigten Finanz- und Wirtschaftskrise. In keiner Hinsicht wurden die Probleme, die zu der Krise geführt haben, bereinigt. Zwar haben die USA rascher und schneller das Bankensystem saniert und eine härtere Regulierung eingeführt. Die FED war auch schneller und aggressiver mit Zinssenkung und Wertpapierkäufen. Das ist es aber dann schon. Genauso wie wir haben die Amerikaner eine Krise, die durch zu viele Schulden ausgelöst wurde, mit noch mehr Schulden bekämpft. Nur im Vergleich zu einem Europa, welches unter noch höheren Schulden, noch schlechterer Demografie, noch dysfunktionaleren Strukturen und dem Korsett des Euro leidet, stehen die USA gut da.

Wenn Thomas Fricke bei SPIEGEL ONLINE für den Fall eines Wahlsieges von Donald Trump eine neue große Depression befürchtet, so muss man ihm entgegenhalten, dass wir uns schon seit 2009 in genau dieser befinden. Sie spielt sich im Unterschied zu damals nur in Zeitlupe ab. Die Wahl in Amerika, wie schon das Votum der Briten und die zunehmende Unterstützung für Nicht-Mainstream-Parteien (radikal ist da nicht immer die richtige Bezeichnung) passen in dieses Bild und sind nicht Auslöser oder gar Ursache, sondern nur Symptom. Eine Reaktion auf die Weigerung der etablierten Parteien, die Probleme anzuerkennen und zu lösen. Die Politiker der G20 haben auf Zeit gespielt und auf ein Wunder gehofft. Erstere läuft aus und Zweites will nicht passieren. In den nächsten fünf Jahren werden wir weltweit mit heftigen Turbulenzen zu kämpfen haben. Zahlungsausfälle, Schuldenrestrukturierungen, deutliche Inflation. Alles steht auf dem Programm egal, wer amerikanischer Präsident wird.

  1. Geldpolitik am Ende

Kommt es nun aus welchen Gründen auch immer zu einer erneuten Rezession, stehen die USA wie Europa vor der Herausforderung dagegenzuhalten. Die Geldpolitik ist mit ihrem Latein am Ende, die Munition ist aufgebraucht. Natürlich kann man die Zinsen noch tiefer in den negativen Bereich treiben. Natürlich kann man die Freiheitsrechte der Bürger einschränken durch Bargeldverbot und Kapitalverkehrsbeschränkungen. Je verzweifelter diese Maßnahmen jedoch werden, desto gefährlicher wird es für das System als Ganzes. Geht das Vertrauen in die vermeintliche! Allmacht der Notenbanken verloren, droht nicht nur ein Kollaps an den Finanzmärkten, sondern der offene Ausbruch der Depression, die bisher nur mit einer wahren Geldflut unterdrückt wurde. Wie ernst die Profis die Lage einschätzen, konnte man an den Diskussionen beim traditionellen Treffen der Notenbanker in Jackson Hole festmachen. Ray Dalio, einer der erfolgreichsten Hedgefonds-Manager aller Zeiten, ist ebenfalls skeptisch und fragt schon lange, was passiert, wenn die Märkte realisieren, dass die Notenbanken eben nur Zeit kaufen, die Wirtschaft aber nicht heilen können. Das gilt, egal wer am Dienstag gewählt wird.

  1. Vermögenspreise völlig losgelöst

Wenn als Folge der Wahl ein Einbruch an den Börsen befürchtet wird, so ist das zunächst nur eine kurzfristige Entwicklung. Natürlich würde die Wahl von Trump die Unsicherheit erhöhen und damit tiefere Wertpapierpreise wahrscheinlich machen. Umgekehrt wäre dann eine Zinserhöhung der FED wiederum vom Tisch mit eben dieser Unsicherheit begründet sodass es, wie auch im Fall des Brexit, ganz anders kommen könnte. US-Aktien könnten gar von einer Abschwächung des Dollars profitieren. Für Spekulanten eine Einstiegschance.

Interessanter ist der Blick auf die Aussichten für die Börse der kommenden vier Jahre. Kommt es zu einer Rezession und/oder dem angesprochenen Vertrauensverlust in die Notenbanken, dürften die Märkte deutlich korrigieren. Doch selbst, wenn es dazu nicht kommt, dürfen sich Vermögensbesitzer nicht zu große Hoffnungen machen. Die tiefen Zinsen der letzten Jahre haben dazu geführt, dass praktisch alle Vermögenswerte zur “Perfektion gepriced ” sind. Selbst ohne Crash dürften Anleihen, Aktien und Immobilien auf Sicht von zehn Jahren nur noch Renditen von rund zwei Prozent pro Jahr erbringen. Die Gewinne wurden schon gemacht, egal, wer nun die Wahl gewinnt.

  1. Kooperationsbereitschaft nimmt ab

In der Diskussion über die US-Wahlen wird bei uns gerne der Eindruck erweckt, es gäbe einen Entscheid zwischen einem Protektionisten und einer glühenden Befürworterin des Freihandels. Das ist allerdings Quatsch. Hillary Clinton hat sich schon immer am politischen Mainstream orientiert und dieser bewegt sich weltweit, nicht nur in den USA, immer mehr in Richtung Protektionismus. Heute noch nicht so plump und offen wie in den 1930er-Jahren, aber dennoch spürbar ansteigend. Die Bereitschaft zur internationalen Kooperation nimmt umso mehr ab, je länger und je tiefer die Krise ist. Beim Brexit ging es auch um den Schutz britischer Arbeitsplätze. In der EU nehmen die Spannungen zu und werden sich bei einer neuen Rezession dramatisch verschärfen.

Auch innerhalb von Ländern nimmt die Bereitschaft, Probleme gemeinsam zu lösen, ab, die Polarisierung nimmt zu. Dies kann nicht verwundern, ist es doch gerade in Demokratien , aber auch anderswo, man denke nur an China stabilisierend, wenn der Wohlstand wächst. Stagniert oder schrumpft er gar, drohen rasch soziale Spannungen und Unruhen. In diesem Umfeld wird es für die Politik unmöglich, Probleme kooperativ zu lösen. Hier rächt sich, dass die amtierenden Politiker die letzten sieben Jahre nicht genutzt haben, die Probleme anzupacken. Umgehen mit den Folgen muss jeder Präsident, egal, wer es wird.

Hoffnung Reflation

Damit wird klar. Egal, wer das Rennen macht, dürfte über einen wirtschaftlichen Abschwung und schwache Börsen präsidieren. Barack Obama hat die Wirtschaft stabilisiert und danach die Pause der langen Depression genossen. Der Nachfolger dürfte nicht so viel Glück haben.

Kommt es zur Rezession, bleiben nur noch massive fiskalpolitische Maßnahmen, um die Depression zu verhindern. In Fachkreisen wird bereits diskutiert, die Staaten direkt durch die Notenbank zu finanzieren, das berühmte Helikopter-Geld. In der Tat dürfte es die einzige Möglichkeit sein, um die Wirtschaft vor einem Absturz zu bewahren und zugleich den relativ schmerzlosesten Weg des Schuldenabbaus mittels Inflation zu erreichen. Hierbei profitieren jene am meisten, die das Instrument als erstes verwenden. Eine deutliche Abwertung der eigenen Währung verschafft einen Vorsprung im Wettbewerb mit anderen Ländern.

Einmal abgesehen davon, dass Trump im Wahlkampf offener und lauter für Protektionismus eingetreten ist, wäre er vermutlich in einer besseren Position, um eine solche radikale Maßnahme umzusetzen. Dass er in diese Richtung denkt, zeigte sich in Interviews, in denen er, gefragt nach seiner Lösung für die US-Staatsschuld, lakonisch festhielt: You print the money. Je nach Ausgang der Kongresswahl dürfte er gar über die erforderliche Mehrheit verfügen.

Eine Präsidentin Clinton hingegen dürfte ob nun berechtigt oder nicht viel größere Widerstände im Kongress zu überwinden haben. Noch schlimmer wäre es, wenn sie durch fortgesetzte Untersuchungen wegen ihres Geschäftsgebarens und Umgangs mit vertraulichen E-Mails dauerhaft politisch gelähmt wäre. Bei einem solchen Szenario, das wissen wir aus den Grabenkämpfen der letzten Jahre, droht eher ein politisches Patt.

So könnte allen berechtigten Sorgen bezüglich seiner Person zum Trotz ein Präsident Trump besser und schneller auf die Rezession reagieren und vielleicht sogar die Grundlage für eine wirkliche Lösung der Krise über höhere Inflation legen. Auch die Börsen würden profitieren. Wahrscheinlich? Sicherlich wahrscheinlicher als die Hoffnung auf den ewigen Aufschwung im Falle eines anderen Wahlausgangs.

→ manager-magazin.de: “Trump oder Clinton: Die Rezession kommt in jedem Fall”, 6. November 2016

Kommentare (2) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Angesichts und bezogen auf die REALITÄTEN ist völlig klar:

    Clinton ist das geringere Risiko, weil von ihr KONTINUITÄT zu erwarten ist.

    Heißt:

    Sie wird nichts Grundsätzliches ändern wollen und auch nicht können, sondern mit der Fed ein Weiter so betreiben.

    Das mag noch eine Zeit lang gut gehen (Verlängerung der Eiszeit), aber NICHT ewig.

    Die Fed könnte zwar so viel Geld drucken, wie sie wollte für beliebige Sicherheiten (Millionen für eine Karre Sand) oder gar keine, aber sie kann die POLITISCHE WILLENSBILDUNG nicht kaufen.

    „Whatever ist takes“ suggeriert ALLMACHT, hat aber Grenzen.

    Es geht nicht um das Ausscheiden von Notenbanken, sondern darum, WANN sie IRRELVANT für das Geschehen werden

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  2. Johannes
    Johannes sagte:

    Hier eine weitere interessante Einschätzung:

    http://www.nzz.ch/finanzen/fonds/marc-faber-zu-den-wahlen-dr-doom-blickt-gelassen-auf-trump-und-hillary-ld.126988

    Marc Faber ist eigentlich für Katastophenprognosen bekannt – hier einmal völlig unaufgeregt.

    Und hier stimme ich ihm zu:

    “Es sei ein Fehler zu glauben, die Notenbanken hätten ihr Pulver bald verschossen – obwohl die expansive Geldpolitik mittlerweile schon acht Jahre betrieben werde. Solange alle «die Notenpressen auf Hochtouren laufen lassen», funktioniere das Vorhaben. Nur wenn eine Zentralbank ausscheide, komme es zu Verwerfungen auf dem Währungsmarkt.”

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