UNION: Programm für eine Koalition, die nicht kommt

Als die UNION ihr Wahlprogramm erarbeitete, war die Welt aus Sicht der Autoren noch in Ordnung. CDU und CSU würden erneut als stärkste Kraft die Geschicke des Landes bestimmen, diesmal gemeinsam mit den GRÜNEN. Das Programm spielte dabei keine so große Rolle, musste es doch nur Gemeinsamkeiten verdeutlichen und rote Linien aufzeigen – mehr Grundlage für Koalitionsverhandlungen als Werbung für eigene Ideen.

Trotzdem bleibt der Union angesichts der allseits offensichtlichen Defizite des Staates nichts anderes übrig, als ein „Modernisierungsjahrzehnt“ auszurufen. Im Programm finden sich dann zwar richtige Vorhaben, wie die Einführung der doppelten Buchführung auch im Bund, den Abbau von Bürokratie, mehr Digitalisierung und beschleunigte Planverfahren, aber wirklich neu klingt das nicht. Immerhin hat es mit der sogenannten Generationenrente noch eine echte Innovation ins Angebot geschafft.

Viel interessanter ist dagegen, wo die UNION klare Position bezieht und wo nicht. Über weite Teile des Programms verspürt man eine deutliche Flexibilität, quasi als Platzhalter für die entsprechenden Ausführungen des künftigen Koalitionspartners. Offensichtlich ist das beim Klimaschutz, wo man sich kaum noch von GRÜNEN und SPD unterscheidet. Alle sehen die Lösung in der Verdoppelung der Anstrengungen, egal ob wir das Ziel so erreichen oder nicht.

Wirklich wichtig sind der UNION nur wenige Themen, so das Bekenntnis gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen und gegen die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Bei der Schuldenbremse und der Beschwörung, nicht in eine Euro-Schulden- und Transferunion einzutreten, wirkt das Programm wie das berühmte Pfeifen im Walde. Der Zug ist längst in eine andere Richtung abgefahren.

An vielen Stellen wird deutlich, dass die Partei der sozialen Marktwirtschaft derselben nicht mehr so recht traut und das stimmt dann doch sehr bedenklich. Mochte man die Aussagen von Peter Altmaier (CDU), der in bester planwirtschaftlicher Tradition nicht nur „Garantien“ für Klima und Wirtschaft abgeben, sondern gleich auch die CO2-Einsparung für jeden Sektor bis zum Jahr 2050 vorgeben wollte, noch als Ausrutscher einer Fehlbesetzung im Amt des Wirtschaftsministers abtun, so wird man nun eines Besseren belehrt. Im Programm werden Industrien geschaffen, Technologien entwickelt und Wertschöpfungsstrukturen verlagert. Es wird Protektionismus begrüßt, um die heimische Industrie vor unfairem Wettbewerb zu schützen. Ein Europa, das sich am französischen Modell der Industriepolitik orientiert, wird nicht mehr als Schreckens-, sondern als Zielbild propagiert.

Die UNION scheint in das Lager derjenigen gewechselt, die im Staat den Löser aller Probleme sehen. Das ist das Erschreckende an dieser Wahl. Die Politik hat vergessen, worauf unser Wohlstand beruht.

handelsblatt.com: “Die Union bietet ein Wahlprogramm für eine Koalition, die es nicht geben wird”, 10. September 2021