Überlastung der deut­schen Wirtschaft droht

„Es ist noch immer gut gegangen“. Dieses Motto scheint die deutsche Politik zu bestimmen. Wiedervereinigung, New-Economy-Blase, Euro-Krise. Immer wieder ist es der deutschen Wirtschaft gelungen, zu alter Stärke zurückzufinden. Sicherlich haben es nicht immer alle Unternehmen und Branchen geschafft, dafür waren die anderen umso stärker. Der Exportweltmeister eilte von Erfolg zu Erfolg.

Die Politik konzentrierte sich derweil auf die Verteilung des erwirtschafteten Wohlstands und einen regelmäßigen Test der Belastbarkeit der Wirtschaft mit allerlei mehr und meist weniger sinnvollen Eingriffen. Auch das konnte den Erfolg nicht verhindern, nur erschweren.

Geprägt von den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte scheint die Bundesregierung überzeugt, dass es der deutschen Wirtschaft schon gelingen wird, die aktuelle Krise zu bewältigen, um danach an alte Erfolge anzuknüpfen. Nur so lassen sich ihre Handlungen und politischen Prioritäten erklären.

Von unausgegoren Entlastungspaketen ohne klare Wirkung über die Bereitschaf,t nach einer Verzwanzigfachung der Strompreise das Angebot durch das Abschalten von Atomkraftwerken zusätzlich zu senken, bis zur absehbaren Zustimmung zu neuen europäischen Gemeinschaftsschulden.

Diesmal ist die Gefahr, dass es nicht gut ausgeht, sehr real. Auch ohne Krieg war der Niedergang absehbar: Die Industrie befindet sich schon seit 2019 auf dem Rückzug, seit Jahren investieren Unternehmen in Deutschland weniger, die Mängel bei Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung sind eklatant. Die Erwerbsbevölkerung beginnt zu schrumpfen, Produktivitätszuwächse bleiben aus.

Verbunden mit einer stetig wachsenden Abgabenlast und einer Politik, die sich als Lenker versteht und die Prinzipien der Marktwirtschaft aushöhlt, ist der Standort Deutschland schon lange nicht mehr attraktiv.

Auslandsinvestitionen, wie jene von Tesla in der Nähe von Berlin, sind nicht selten mit erheblichen Subventionen verbunden und führen dazu, dass sich das Land in falscher Sicherheit wiegt.

Wir brauchen dringend eine echte Zeitenwende. Einen wirklichen Neustart in der Wirtschaftspolitik, eine grundlegende Reform des Staates, des Steuer- und Abgabensystems und die Bereitschaft anzuerkennen, dass wir mit unserer Klima- und Energiepolitik gescheitert sind.

Für die mindestens 2000 Milliarden Euro, die Deutschland der Weg in die Klimaneutralität kosten dürfte, könnten wir den weltweiten Ausstoß an CO2 halbieren. Schließlich liegen die Kosten, um eine Tonne CO2 auszugleichen, global im Schnitt bei 100 Dollar im Vergleich zu den 2500 Euro, die wir dafür in Deutschland aufwenden müssen.

Kostengünstige und verlässliche Energieversorgung ist die Grundlage für alles. Es nutzt dem Weltklima wenig, wenn die gleiche Produktion statt bei uns woanders stattfindet.

Unserer Politik fehlt es an der Erkenntnis, der Bereitschaft und wohl auch an der Fähigkeit, die Wende einzuleiten. Wir drohen, k. o. zu gehen. Höchste Zeit, dass die Wirtschaft lautstark protestiert.

handelsblatt.com: “Höchste Zeit, dass die Wirtschaft lautstark protestiert”, vom 09.09.2022