Stärken stärken, statt Schwächen korrigieren zu wollen

Die WELT berichtet von einer neuen Studie zur Entwicklung der Regionen in Deutschland. In diesem Zusammenhang werde auch ich zitiert:
  • „Während sich Deutschland als Ganzes passabel schlägt, fallen einige Landesteile (…) spürbar zurück. Die Menschen, die dort leben, drohen dann eben doch abgehängt zu werden – womöglich dauerhaft. Wer dort aufwächst, hätte von Anfang an schlechtere Startchancen.“ – bto: Das stimmt. Die Antwort sollte überall gute Ausbildung sein. Mehr aber nicht. Wir befinden uns vor einem demografischen Niedergang, dem man nicht entgegnen kann, indem man immer mehr Ressourcen in die abgehängten Bereiche pumpt. Man muss das Geld gezielt einsetzen.
  • „Wenn Fachkräfte wegziehen und fehlen, dann machen Betriebe dicht, es fehlt an Steuereinnahmen, und leere kommunale Kassen erlauben keine Investitionen in die Infrastruktur mehr, was wiederum den Exodus der Bevölkerung verstärkt.“ – bto: richtig. Nur werden wir einen allgemeinen Rückgang haben und deshalb auch einen entsprechenden Bedarf zur Konzentration unserer Ressourcen.
  • „Insgesamt identifizierten die Wissenschaftler 19 Problemregionen in Deutschland, denen eine solche Abwärtsspirale droht. Das ist ein Fünftel aller untersuchten Gebiete, und sie liegen keineswegs nur im Osten. (…) Besonders düster sieht es in den Regionen Duisburg/Essen, Emscher-Lippe und Bremerhaven aus. Michael Hüther, der Direktor des IW, spricht von einem nie richtig bewältigten Strukturwandel, der die Zukunftsperspektiven verdunkele.“ – bto: Und wie viele Milliarden sind in diesen Strukturwandel schon gesteckt worden? In Leuchtturmprojekte ohne Erfolg und ökonomischen Sinn? Und deshalb sollte man jetzt noch mehr Mittel verwenden? Ich denke, es ist eben nicht möglich, das mit staatlichen Eingriffen zu korrigieren.

Quelle: Infografik WELT 

  • „Hüther verdeutlicht die Folgen für die Gebietskörperschaften: ‘In diesen Regionen sinkt das Erwerbspersonal besonders schnell, wodurch sich schon abzeichnet, dass es in Zukunft erheblich weniger Steuereinnahmen geben wird.’“ – bto: Das ist so und es ist völlig normal. Die Versuchung für die Politik, hier mit Umverteilung gegenzusteuern, ist groß, aber es wäre eine Verschwendung von Geld, das woanders besser angelegt wäre.

Quelle: Infografik WELT 

  • „Eine als ohnehin wenig attraktiv wahrgenommene Region wird aus Sicht von Fachkräften und jungen Familien noch unattraktiver und droht so endgültig abgehängt zu werden, weil niemand mehr dort leben will. Und es gibt noch einen Faktor, der den Prozess beschleunigen kann: eine schwache Infrastruktur.“ – bto: Das gilt übrigens für das ganze Land.
  • „‘Dieses mangelhafte Infrastrukturangebot erzeugt negative Reaktionen in der Bevölkerung’, befürchtet Ökonom Südekum. Es mache sich ein Gefühl der Geringschätzung breit, wenn seitens des Staates offensichtlich kein Wert auf ein gewisses Maß an Bereitstellung öffentlicher Güter gelegt wird.“ – bto: Das dürfte aber in Deutschland weit über die hier genannten Regionen hinausgehen. Oder wie fühlt sich ein Bürger in Berlin, der für seine Kinder keine gute Schulbildung bekommt, der unter zunehmender Kriminalität und der Verwahrlosung des öffentlichen Raumes leidet?
  • Jetzt kommt es aber ganz schlimm: Für die Forscher liegt es auf der Hand, dass die Verantwortlichen gegensteuern müssen. “‘In diesen Regionen gibt es akuten Handlungsbedarf für die Politik, damit die Gebiete nicht den Anschluss verlieren’ (…) Michael Hüther ruft die Bundesländer dazu auf, den abgehängten Regionen durch Schuldenerlasse ihre finanziellen Spielräume zurückzugeben. Wichtig ist aus Sicht der Forscher auch die Stärkung der Verkehrsinfrastruktur (…) Eine langfristig ganz entscheidende Maßnahme dürfte aus Sicht der Wissenschaftler darin bestehen, in den Problemregionen bessere Bildungsangebote zu schaffen.“ – bto: Das ist alles fast schon witzig. Je besser die Bildung ist, desto größer der Anreiz in bessere Regionen abzuwandern, sieht man auch an der Migration aus anderen Regionen der Welt. Und wie am Beispiel von Berlin und Bremen zu sehen, ist Bildung ein massives Problem in Deutschland.
  • Und dann kommt meine Meinung ins Spiel: „Manche Ökonomen halten eine groß angelegte Regionalförderung für eine Verschwendung von Steuergeldern. ‘Es ist nur natürlich, dass sich Regionen unterschiedlich entwickeln’, kritisiert Daniel Stelter, Autor des Buches ‘Das Märchen vom reichen Land: Wie die Politik uns ruiniert’. Er hält es für sinnvoller, in erster Linie zu gewährleisten, dass Menschen in entvölkerten Gebieten mit dem Notwendigsten versorgt sind. Das beinhalte auch die öffentliche Ordnung. Eine darüber hinausgehende Förderung sei dagegen oft Geldverschwendung. Es müsse nicht in jeder Kleinstadt eine Fachhochschule angesiedelt werden, ohnehin sei staatliche Ansiedlungspolitik oft ineffizient. Auch hält er es für einen Trugschluss, dem Fachkräftemangel generell mit Zuwanderung begegnen zu wollen. ‘Migration wird die Unterschiede sogar noch vertiefen’, fürchtet Stelter. Weil es sowohl qualifizierte als auch unqualifizierte Zuwanderer in die relativ besser ausgestatteten Regionen ziehe.“ – bto: Genauso ist meine Sicht. Kurzgefasst so:
  1. Es ist nur natürlich, dass sich Regionen unterschiedlich entwickeln und
  2. das vor allem vor dem Hintergrund der gerade erst einsetzenden demografischen Entwicklung.
  3. Wenn wir heute 19 Regionen mit Problemen haben, werden es in zehn Jahren 39 sein (oder wie viel auch immer).
  4. Das Problem wird sich also vertiefen und verbreitern, was angesichts einer Stagnation bzw. Rückgang der Bevölkerung an der Zuwanderung nichts ändert, nur normal ist.
  5. Zuwanderung wird die Unterschiede sogar noch vertiefen, weil sowohl qualifizierte wie unqualifizierte Zuwanderer in die relativ besseren Regionen gehen.
  6. Jeder Versuch der Politik, dies durch Umverteilung etc. zu lösen, ist zum Scheitern verurteilt.
  7. Das kann man schon in den neuen Bundesländern beobachten. Dort, wo es geklappt hat, gab es bereits gute Grundlagen (Jena!) und/oder es war eine außergewöhnlich gute Politik (Sachsen, so wie nach dem Krieg Bayern). Letzteres aber immer noch in einem Umfeld insgesamt wachsender Erwerbsbevölkerung. Der Trend dreht sich jetzt aber um und damit wird es nicht möglich sein, gegen den Trend zu bestehen.
  8. Damit sind wir bei dem Punkt: Jeder Versuch der Politik, mit Geld diese Entwicklung aufzuhalten, muss zum Scheitern verurteilt sein.
  9. Besser ist es, die insgesamt geringer werdenden Mittel (ich erinnere an die fehlenden Mittel für Rente, Gesundheit etc.!!) zu fokussieren, und zwar
  10. so, dass wir die Leistungsfähigkeit der Menschen, die arbeiten, maximieren: Bildung, Infrastruktur, Innovation etc. – fokussiert statt gebündelt.
  11. Es gilt der Grundsatz: Stärken stärken, statt Schwächen versuchen zu beheben. Letzteres muss scheitern.
  12. Versucht man es dennoch, ist nicht nur das Geld verschwendet, es werden die Hoffnungen der Menschen enttäuscht UND es fehlen die Mittel für die Starken.
  13. Im Ergebnis sinkt so der Wohlstand ALLER.
  14. Deshalb sollte man es sozial abfedern und über Wege nachdenken, wie man jene Menschen, die in den sich entvölkernden Gebieten bleiben wollen, mit dem Notwendigsten versorgt. Aber auch nicht mehr.

Klingt hart, ist aber nur logisch, da wir eben schon seit Jahren nicht vorsorgen.

→ WELT: “Leben Sie in einer abgehängten Region?”, 8. August 2019