Sozial­unter­nehmen müssen unter­nehmerisch bleiben

Die Bundesregierung arbeitet an einer „Nationalen Strategie für Sozialunternehmen“ mit dem im Koalitionsvertrag festgehaltenen Ziel, gemeinwohlorientierte Unternehmen umfassend zu unterstützen.

Sven Giegold (Die Grünen), der zuständige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, setzt sich seit Jahren für bessere Rahmenbedingungen für Sozialunternehmen ein und sieht diese „als wichtigen Treiber für die Transformation Deutschlands“.

Da es neben einer Verbesserung von Rahmenbedingungen vor allem um einen erleichterten Zugang zu öffentlichen Fördergeldern geht, könnte angesichts des so formulierten Ziels der Verdacht aufkommen, dass ein weiterer staatlich alimentierter Sektor geschaffen werden soll, der unter dem Deckmantel des Unternehmertums politisch opportune Projekte verfolgt.

Das wäre sehr bedauerlich, leisten doch die bereits aktiven Sozialunternehmen einen erheblichen positiven Beitrag zur Gesellschaft. Die Bandbreite reicht von Bildungsprogrammen über Hilfe für Geflüchtete bis zu Initiativen für eine nachhaltige Landwirtschaft.

Derartige Aktivitäten, die sich an den UN-Nachhaltigkeitszielen orientieren, können gerade aufgrund der unternehmerischen Ausrichtung effizienter und effektiver einen Beitrag zur Zielerreichung der Strategie leisten als schwerfällige Behörden und staatliche Akteure.

Staat sollte nur am Anfang helfen

Deshalb ist es allerdings auch wichtig, dass diese gemeinwohlorientierten Unternehmen sich ebenso wie „normale“ Unternehmen am Markt bewähren müssen. Dies bedeutet, die Sozialunternehmen müssen den überwiegenden Teil der benötigten Mittel selbst erwirtschaften, über Erlöse oder Spenden. Sie dürfen nicht dauerhaft von staatlichen Mitteln abhängen. Der Staat kann und sollte am Anfang helfen, sich dann aber zurückziehen.

Wichtig wird deshalb sein, dass die Bundesregierung einen Weg findet, wie die finanzielle Förderung frei von politischer Einflussnahme und mit einer klaren Begrenzung erfolgen kann. Ein neutrales Gremium, das auch mit Vertretern der Wirtschaft besetzt ist, würde in dieser Hinsicht Vertrauen schaffen und die Entscheidungsqualität verbessern.

Wie wichtig die Bewährung am Markt ist, betont auch Juliane Kronen, die Gründerin und Geschäftsführerin von innatura. Gegründet im Jahr 2013 vermittelt innatura Sachspenden von Unternehmen an soziale Einrichtungen und verringert so das auf jährlich über zwei Milliarden Euro geschätzte Volumen an Waren, die vernichtet werden, obwohl sie noch für gemeinnützige Einrichtungen und für bedürftige Abnehmer verwendbar gewesen wären. Sie verweist allerdings auch auf die dringend erforderliche Verbesserung der Rahmenbedingungen.

So müssen Unternehmen, die eine Sachspende leisten, auf den Warenwert Umsatzsteuer entrichten. In der Folge ist es oft günstiger, die Ware – zum Beispiel wegen Beschädigungen an der Verpackung – zu vernichten, als sie als Spende weiterzureichen.

Warum handelt die Koalition nicht?

Es wäre ein Leichtes, diesen steuerlichen Unsinn zu beenden, wie Dr. Wolfram Birkenfeld, ehemaliger Richter am Bundesfinanzhof in einem Gutachten feststellt. Eine einfache Verwaltungsregelung, in der die Bemessungsgrundlage für alle unverkäuflichen Waren mit null Euro festgelegt wird, würde genügen. EU-Recht steht dem nicht mehr entgegen.

Das führt zur Frage, weshalb die Koalition entgegen der im Koalitionsvertrag gemachten Ankündigung hier nicht handelt. „Wir werden bestehende steuerrechtliche Hürden für Sachspenden an gemeinnützige Organisationen durch eine rechtssichere, bürokratiearme und einfache Regelung beseitigen, um so die Vernichtung dieser Waren zu verhindern“, ist dort zu lesen.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich als Finanzminister nicht darum gekümmert. Christian Lindner tut es ihm gleich. Dabei beweist die Mühelosigkeit der deutlichen Erhöhung der Erbschaftsteuer im Jahressteuergesetz, wie einfach es gehen kann, wenn man nur will.

Aber es sind ja noch ein paar Tage Zeit, um eine Verwaltungsregelung zu erlassen, die es im neuen Jahr erlaubt, ungehindert anderen Spenden zukommen zu lassen. Frohe Weihnachten.

→ handelsblatt.com: “Sozialunternehmen müssen unternehmerisch bleiben, 18. Dezember 2022