So retten wir die EU und uns selbst

Dieser Kommentar von mir erschien bei manager magazin. Heute tagt Brüssel. Es steht zu befürchten, dass ein Plan herauskommt, der uns viel kostet und niemandem wirklich etwas bringt: nur dem Euro ein paar mehr Jahre und den Empfängerländern von  Wiederaufbaufonds oder Ähnlichem die Illusion, dauerhaft von Transfers leben zu können. Die werden aber nicht kommen.

Die Corona-Krise hat die Weltwirtschaft fest im Griff. Zum ersten Mal seit 30 Jahren wird es der Welt schlechter ergehen als im Jahr zuvor, so eine Auswertung der Vereinten Nationen. Dabei trifft es die Entwicklungs- und Schwellenländer am härtesten.

In Europa brechen die ungelösten Probleme von EU und Euro mit voller Wucht wieder auf. Hektisch sucht die Politik, wie zuletzt Bundeskanzlerin Merkel gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, ein Instrumentarium, um den Euro angesichts des schweren Konjunktureinbruchs zu retten. Wie schon seit Jahren sind es am Ende Kompromisse, die bestenfalls Zeit kaufen, die grundlegenden Probleme aber verschleppen.

Doch was sollte Deutschland tun, um aus der Krise gestärkt hervorzugehen und den Wohlstand zu erhalten? Hier ein Programm:

Hamilton machen, statt davon zu reden

An großen Worten fehlt es bekanntlich nicht. Bundesfinanzminister Scholz orientierte sich im Gespräch mit der ZEIT in dieser Woche an Alexander Hamilton. Als Finanzminister trug dieser 1790 entscheidend zur staatlichen Einheit der USA bei, indem er auf Ebene des Zentralstaats eigene Einnahmen und eine Verschuldungskompetenz schuf.

Obwohl Scholz die “Vereinigten Staaten von Europa” nicht für realisierbar hält, weil Europa auf „längere Sicht ein Europa der einzelnen Staaten mit ihren unterschiedlichen Traditionen, Sprachen und Kulturen” bleibt, ist er bereit, in eine Fiskalunion einzusteigen. Die EU solle selbst Steuern erheben und mit den Ausgaben – so steht es ungesagt im Raum – vor allem den bedürftigen Staaten helfen. Bedürftigkeit ist dabei danach bestimmt, wie hoch die Staaten bereits verschuldet sind. Es ist nichts anderes als die Sozialisierung von Schulden durch die Hintertür.

Selbst ein größeres EU-Budget mit eigenen Steuern und eigener Verschuldungskapazität wird nicht ausreichen, um die Eurozone dauerhaft zu stabilisieren. Dazu sind die grundlegenden wirtschaftlichen Divergenzen zwischen den Mitgliedsländern zu groß. Hinzu kommt, dass die Mitgliedsstaaten keinerlei Bereitschaft erkennen lassen, ihre finanzpolitische Autonomie aufzugeben. Sie wollen weiterhin entscheiden, wie viel Schulden sie machen, wie die Besteuerung aussieht und welches Sozialstaatsniveau sie sich leisten. Hier in eine Umverteilung einzusteigen ohne Mitspracherecht, entspricht dem berühmten Blankoscheck. Selbst bei Freunden keine gute Idee.

Was die EU – vor allem die Eurozone – jedoch dringend braucht, ist eine Reduktion der zum Teil untragbaren Staatsschulden. Denn diese ist das Problem, um das es bei der ganzen Diskussion um Corona-Bonds und Wiederaufbaufonds geht. Italien, Spanien, Portugal, Belgien, Griechenland und auch Frankreich brauchen einen anderen Geldtopf.

Hier könnte Scholz sich an einer anderen Handlung Alexander Hamiltons orientieren. Dieser hat damals die Schulden der einzelnen Staaten auf die Zentralregierung übertragen. Damit verbunden waren Schuldenschnitte für die inländischen Gläubiger.

Abgewandelt sollten wir in der EU das Gleiche tun. Statt Blankoschecks für die Zukunft zu schreiben, sollte Deutschland auf eine Vergemeinschaftung von Altschulden auf Ebene der EU setzen. Dabei sollte jedes Land Staatsschulden in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes vom BIP auf die EU übertragen. Die EU würde für diese Schulden die Haftung übernehmen und für Zins- und Tilgung einstehen. Finanziert werden würde dies über die Ausgabe ewiger Anleihen, deren Zinsen für die ersten 100 Jahre gestundet werden. Gekauft würden diese Anleihen völlig legal von der EZB im Rahmen ihrer geldpolitischen Programme.

Weil an diesem Modell alle Staaten nach ihrem Anteil am BIP der EU teilnehmen, stellt es zunächst nur eine Umbuchung dar. Es gibt auch kein Verschieben von Vermögen zwischen den Ländern. Das Verlagern führt aber zu einer Reduktion des Anteils an Schulden, für den die einzelnen Staaten allein haften. Letztlich würde die Verschuldung der einzelnen Staaten um genau den Anteil der auf die EU verlagerten Schulden sinken.

Nehmen wir einen Wert von 75 Prozent des BIP an, würde in diesem Modell die Verschuldung des italienischen Staates auf unter 100 Prozent vom BIP sinken, die Verschuldung Deutschlands selbst nach den hohen Kosten der Corona-Krise auf ca. 25 Prozent des BIP. Alle Staaten profitieren also und die Sparleistungen der Deutschen, Niederländer und Österreicher wären nicht umsonst gewesen.

Im Gegenzug für diese einmalige Bereinigung von Altlasten wäre eine eindeutige Veränderung der Verträge der EU zu vereinbaren. Wie Alexander Hamilton sollten wir festschreiben, dass es ein Bail-out-Verbot gibt. Das gab es zwar schon und wurde gebrochen. Diesmal muss es unaufhebbar festgezurrt werden.

Gerieten einzelne Staaten künftig in Schwierigkeiten, so müssten sie, wie in den USA üblich, in die Insolvenz. Ebenfalls festzuschreiben wäre, dass die EZB nur nach Kapitalschlüssel Wertpapiere der Mitgliedsstaaten aufkaufen darf und nicht gezielt mit Interventionen zugunsten einzelner Staaten hilft, es wie es zurzeit erfolgt. Nur so bekommen wir die Disziplinierung des Kapitalmarkts, um erneute Schuldenkrisen zu verhindern.

Damit hätten wir eine Lösung für das dringendste Problem der EU – die zu hohe Verschuldung. Zugleich bestünde die finanzielle Autonomie der Mitgliedsstaaten weiter, allerdings mit der Rückkehr zum Prinzip, dass jedes Land auch für die Konsequenzen eigener Handlungen einstehen muss.

Deutschland aus der Krise führen

Für uns wäre diese Vorgehensweise in vielerlei Hinsicht vorteilhaft: Wir hätten echte Solidarität auf EU-Ebene gezeigt, ohne Blankoschecks für die Zukunft zu unterschreiben. Wir hätten aber auch den finanziellen Spielraum, um unser Land für die Zukunft fit zu machen und unterlassene Investitionen der letzten Jahrzehnte nachzuholen. Dies ist angesichts des einsetzenden demografischen Wandels, der stagnierenden Produktivitätszuwächse, der existenziellen Krise unserer Automobilindustrie und der ungedeckten Versprechen für künftige Sozialleistungen dringend erforderlich.

Konkret sollten wir:

  • die Unternehmen, die im Zuge der Corona-Krise Kredite aufnehmen mussten, entschulden: Tun wir das nicht, werden die Unternehmen entweder unter der Last der Schulden zusammenbrechen oder aber in Zukunft mit der Tilgung beschäftigt sein. Dies belastet die Erholung der Wirtschaft, weil zu wenig investiert und innoviert wird. (Lesetipp: Was Unternehmen in der Corona-Krise tun sollten, um die Krise nicht nur zu überleben, sondern danach auch durchzustarten, erkläre ich in der neuesten Ausgabe vom Harvard Business Manager: Die Mutter aller Krisen.)
  • den Konsum unmittelbar ankurbeln: Dies könnte durch Konsumgutscheine erfolgen, die allerdings mit einem festen Verfallsdatum versehen sind, zum Beispiel Ende Oktober 2020. Damit soll der Neustart nach dem Lock-down erleichtert werden.
  • Steuern und Abgaben senken: In den letzten Jahren ist die Abgabenquote immer weiter angestiegen. Vor allem geht es um die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen. Es muss durchgehend der Grundsatz gelten, dass man von jedem zusätzlich verdienten Euro mehr als 50 Prozent behält. Wie dramatisch die heutige Fehlsteuerung ist, zeigt dieses Beispiel: Wenn ein alleinstehender Hartz-IV-Empfänger Arbeit aufnimmt, darf er die ersten 100 Euro behalten, danach werden die Transferzahlungen jedoch drastisch zurückgefahren. Zwischen 100 und 1000 Euro bleiben faktisch nur 20 Prozent netto mehr, zwischen 1000 und 1200 Euro nur zehn Prozent und zwischen 1200 und 1420 Euro bleibt nichts mehr bei dem früheren Hartz-IV-Empfänger. Solche Missstände sind seit Jahren bekannt und es wird höchste Zeit, sie zu bereinigen.
  • Investitionen fördern: Dies beinhaltet zum einen die Förderung von Investitionen von Privaten im Inland durch deutlich attraktivere Abschreibungsmöglichkeiten. Es bedeutet aber auch, dass der Staat, den schon im letzten Jahr auf 450 Milliarden Euro geschätzten Investitionsbedarf in Infrastruktur und Digitalisierung endlich angeht. Gerade in diesen Wochen mussten wir schmerzlich feststellen, wie konkret der Wettbewerbsnachteil aussieht, wenn man kein leistungsfähiges Internetnetz im Land hat.
  • Bildung und Innovation verbessern: Dies bedeutet, die Grundlagenforschung stärker zu unterstützen, um den Aufbau neuer Industrien bei uns zu fördern sowie vor allem eine Umkehr in der Bildungspolitik. Schneiden wir oberflächlich bei dem internationalen PISA-Test relativ gut ab, offenbart ein tieferer Blick einen erschreckenden Leistungsrückgang: Schafften 2006 noch 4,5 Prozent der 15-jährigen Schüler das Höchstniveau in Mathematik, ist der Anteil bis 2015 auf 2,9 Prozent gesunken. Als rohstoffarmes Land können wir uns diesen Niedergang in der Bildung nicht länger leisten, eben sowenig die immer noch viel zu hohe Anzahl von Jugendlichen, die Schule und Ausbildung abbrechen. Wir brauchen eine Qualitäts- und Leistungsinitiative für unser Bildungswesen.
  • unseren Staat professionalisieren: Es ist eine Schande, dass bei uns seit Jahren über die elektronische Patientenakte gesprochen wird, während Finnland diese seit fast zehn Jahren nutzt. Es ist überhaupt blamabel, wie rückständig die öffentliche Verwaltung ist, auch sichtbar an der IT-Ausstattung der Schulen. Hier wird es Zeit, dass wir anfangen, von den anderen Ländern zu lernen, die uns Jahrzehnte voraus sind. Ebenso peinlich ist die Diskussion über die dringend notwendige Verkleinerung des Bundestags oder das Zusammenlegen von Bundesländern. Der Staat sollte einheitlich nach den Grundsätzen der doppelten Buchführung bilanzieren, damit die wahren Kosten politischer Entscheidungen transparent werden. Und Politiker sollten nicht einfach behaupten können, eine Entscheidung „koste ja nur wenige Milliarden“, obwohl es sich um jährliche und stetig ansteigende Kosten handelt, siehe Beispiel Grundrente.
  • intelligenten Klimaschutz betreiben: Statt wie bisher sollten wir nicht auf staatliche Planwirtschaft setzen, um den CO2-Ausstoß zu senken. Bisher hat sich dieser Weg als sehr teuer und wirkungslos erwiesen. Deshalb muss es in Zukunft um Effizienz und Effektivität gehen. Dies bedeutet, wir müssen uns auf eine ordentliche Bepreisung von CO2 beschränken und die Bürger und Unternehmen im Gegenzug entlasten. Dann werden sich die besten Wege finden und diese dürften vor allem im Entwickeln und im Einsatz neuer Technologien bestehen und nicht – wie von hiesigen Politikern gern gefordert – in Beschränkungen und Verboten.

Die Liste der Maßnahmen, die wir ergreifen müssen, um Deutschland fit zu machen, könnte sicherlich fortgesetzt werden. Entscheidend ist, dass wir es uns nach einem angepassten „Hamiltonschen Akt“ auch leisten könnten. Die Frage ist nur, wer hätte in Deutschland das Format solche Maßnahmen umzusetzen?

manager-magazin.de: “Die Wiederversöhnung der Deutschen mit der EU”, 23. Mai 2020

Kommentare (44) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Claus Meyer
    Claus Meyer sagte:

    Wohin mit dem vielen Geld
    Im Augenblick ist eine neue Pandemie aufgetaucht. Um die Ausbreitung einzuschränken, sahen sich Volksvertreter veranlasst, das Volk in ihre Wohnungen einzusperren. Das hat natürlich den ganzen Wirtschaftskreislauf zum Erliegen gebracht. Die Folge war der Zusammenbruch des Geldkreislaufs. Nun gab es eine Anzahl Volksvertreter, die glaubten oder sich verpflichtet fühlten, die Menschheit zu retten. Dazu schlagen sie die Bereitstellung von Geldern in einer Größenordnung vor, die nicht mehr vorstellbar ist. Und nicht genug, dass eine Person sich damit brüstet, nein, alle möglichen Parteien überschlagen sich darin, mit noch höhere Zahlen sich zu überbieten. Es scheint wie eine Auktionsveranstaltung abzulaufen. Daran möchte ich mich auch beteiligen, keiner hat bisher 1 Billion vorgeschlagen und da möchte ich der Erste sein, oder wer bietet mehr. Das Außergewöhnliche daran ist, vor der Coronakrise hatten alle nichts mehr im Sinn als so sparsam wie möglich zu wirtschaften. Es ist wahrscheinlich, dass diese Viren auch die Gehirne angegriffen und damit dieses Umsteuern ausgelöst haben. Keiner dieser Geldanbieter fühlt sich dabei gefordert, darüber nachzudenken, für welche speziellen Aufgaben das Geld verwandt werden soll. Man nennt es ein Wiederaufbauprogramm, die Viren haben demnach wie ein Krieg gewütet. Programme über die Verwendung liegen anscheinend nicht vor. Wie leicht machen es sich diese Regenten, indem sie einfach eine Zahl in den Ring werfen. Es reicht die Nennung einer Zahl, der Zweck der Verwendung bleibt offen. Es sind Einige, die sich veranlasst fühlen, hier mitzubieten.
    Wer kann denn eigentlich diese Menge an Geld zur Verfügung stellen. Wer macht aus diesem Wunsch Geld. Es sind die Banken, die aus diesen Zahlen Geld machen können und dürfen. Denen hat man zugestanden, jede Größe von Geldmengen einfach herzustellen. Und denen bedeutet es keine Kraftanstrengung, aus Zahlen Geld zu machen. Der große Vorteil für sie ist, dass sie davon jede x-beliebige Menge herstellen können. Sie schreiben einfach solche Zahl, wahrscheinlich digital, in einen Computer und schon ist das Geld da. Wie ersichtlich,ist die Beschaffung von Geld mit ganz wenig Arbeit verbunden. Clever, wie die Banken nun einmal sind, verleihen sie nur diesen Betrag und dann auch noch gegen Zinsen. So verlangt man vom Empfänger immer mehr Geld zurück als man gegeben hat. Sicher ist den Antragstellern klar, dass solche Geldmengen nie zurück gezahlt werden können. So macht man sich vorsichtshalber darüber keine Gedanken.
    Leider hat es diese Krise noch nicht zu einem Geistesblitz gereicht, ob man wohl in der Lage sein könnte und als Staat die Herstellung von Geld selbst zu übernehmen. Die Zinsen dürften jede Größenordnung annehmen, man würde ja in die eigene Tasche wirtschaften. Welch ein Vorteil, wenn es endlich darum ginge, Probleme zu lösen und zu prüfen, ob die erforderlichen Leistungsträger vorhanden sind. Wie viel Sorgen könnte man den Normalverbrauchern abnehmen, wenn endlich der Engpass Geld in seine Schranken gewiesen würde.

    Antworten
  2. Bill Miller
    Bill Miller sagte:

    “Diesmal muss es unaufhebbar festgezurrt werden”
    Hahahahah ….
    Tränen wisch, der war gut!
    Oh, das war ernst gemeint?
    Langsam rückwärts geh, lächel, “Alles wird gut, nicht aufregen!”
    Run Like Hell!

    Antworten
  3. JürgenP
    JürgenP sagte:

    @ DS
    Wärend sich die übrigen umzusetzenden Punkt um Sachinhalte drehen, ist unter Punkt „Staat professionalisieren“ ganz klar das „Management“ des Staates angesprochen. Es geht um die Art und Weise wie Sachinhalte gelenkt werden, nämlich „professionell“ damit es nicht schief läuft.

    Werden Sachinhalte heute nicht „professionell“ gelenkt?

    Von wem werden sie – wenn man den Beispielen folgt – nicht „professionell“ gelenkt?

    Wie müsste denn der Staat „professionalisiert“ werden?

    Nach welchen Kriterien wird richtig „professionalisert“ – sind wir uns da alle einig?

    Wieso betrügt das Leuchturmunternehmen des Automobilbaus seine Kunden nach Strich und Faden, wäre das „professionell“?

    Warum geht ein „hochprofessionell“ geführtes Bankhaus, Luftfahrtunternehmen oder Touristenunternehmen oder oder oder über Nacht pleite. Fehlte es an IT-Ausstattung oder doppelter Buchführung? Oder „profesionellen“ – ja was?

    Wie lange wird für die Umstellung auf „professionell“ gebraucht? Wie lange braucht dazu zum Beispiel ein 25 Mann Unternehmen? Und ein 81 Mio. Staat?

    „Die Liste der Maßnahmen, die wir ergreifen müssen, um Deutschland fit zu machen, könnte sicherlich fortgesetzt werden“.

    Wer ist „wir“?

    Sind es wieder „die Politiker“, also der Nachbar, der gestern noch den Grundschüler das Lesen beibrachte und nun im Parlament sitzt. Oder der Feuerwehrmann, der es versteht ins brennende Haus zu laufen und heil wieder herauskommt, was doch wohl “professionell” ist. Fehlt es denen etwa an speziellem Fachwissen, was „professionell“ bedeutet. Haben wir da das Problem? Müssen vielleicht richtige Profipolitiker ran an die Umsetzung, also echte Juristen, Gewerkschaftssekretäre und am besten Physikerinnen?

    Wie lautet die neunen Ausgangsbedingung, die jetzt „Professionalität“ zwingend erfordert? Wer erfüllt diese Ausgangsbedingungen unter welchen Voraussetzungen?

    Sind diese beispielhaften Fragen vollkommen klar zu beantworten, so dass JEDER weis was zu tun ist um „professionell“ zu werden, zu handeln oder passend zu wählen – denn: der „Staat“ sind „wir“ alle …

    Wenn wir wenigsten die letzte Frage beantworten könnten, wären vielleicht die übrigen Probleme lösbar.

    Antworten
    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      @ JürgenP

      >Wärend sich die übrigen umzusetzenden Punkt um Sachinhalte drehen, ist unter Punkt „Staat professionalisieren“ ganz klar das „Management“ des Staates angesprochen.>

      Nein.

      Das „Management“ des Staates ist professionell.

      Denn eine Vielzahl von Einzelinteressen werden professionell ausbalanciert.

      Dr. Stelter will einen Staat haben, der EFFIZIENT ist im Sinne von Mitteleinsatz und Zielerreichung (und das natürlich nur mit professionellem Management sein kann als notwendiger, aber nicht hinreichender Bedingung).

      Es kann aber keinen effizienten Staat geben.

      Denken Sie nur einmal an der Föderalismus in der Bildungspolitik.

      Da gibt es unterschiedliche Lehrpläne auch deshalb, weil es eine Vielzahl von Schulbuchverlagen gibt, die berücksichtigt werden müssen.

      Es wird weiterhin einen auf allen Ebenen professionell verwalteten Staat der Ineffizienz geben.

      Antworten
      • JürgenP
        JürgenP sagte:

        @DT
        Es gibt zwei Varianten von „effizient“:

        A. effizient pleite, frag sich nur wie lange das dauert

        oder

        B. effizient stabil, egal unter welchen Bedingungen und ohne zeitliches Limit

        Frage: welcher Zustand ist aus Sicht eines Staates erstrebenswert und welche Professionalität wird jeweils benötigt, um Prozesse – nehmen wir mal „Bildung und Innovation“ – wirksam zu lenken?

        Im Fall A wäre die Effizienz und damit die Professionalität von Bildung und Innovation darauf ausgelegt, nicht so schnell wie die Anderen pleite zu sein, also sich schnell mit den Cayman-Inseln auszukennen und vielleicht besonders gut mit Bilanzen umzugehen, damit der EBIT rechtzeitig weg ist und die Pleite nicht so schnell auffällt.

        Im Fall B hängt Stabilität und damit Professionalität davon ab, dass stabilitätsgefährdende Zustände möglichst früh erkannt und wirksam behoben werden können, bevor sie überhaupt entstehen. Der Gedanke ist schon kompliziert, da muss man sich vergleichsweise zu A richtig anstrengen, um das zu kapieren, geschweige denn zu realisieren. Wer will das schon.

        Übertragen wir mal die Fälle auf die aktuelle Realität. Fall A: je cleverer die miserable Zukunftsbilanz verdunkelt wird, desto besser ist es im Verhältnis zu Anderen, die das nicht so professionell können. Ich finde, nach allem was ich hier im Blog als Nichtvolkswirt so lese, dass die Akteure – allen voran die Physikerin – gar nicht so unprofessionell sind. Dafür braucht man auch ein paar mehr Leute im Stall, digitales eher nicht so. Fall B brauchen die gar nicht in Erwägung ziehen. Wozu den Stress, das Problem haben dann eben andere …, es geht ja nicht um Zukunft.

        Ich persönlich finde, es gibt einen anzustrebenden Zustand: 80 % weniger schnell pleite, bei 20% Instabilität = professionelle Ineffizienz – also die förderale Variante C.

        Als Übergangslösung erleben wir gerade das Gegenteil, nämlich Variante D. Insofern hat Herr Dr. Stelter recht mit der Forderung nach einem professionalisierten Staat, um Gutscheine zu verteilen, Steuern und Abgaben zu senken, Investitionen zu fördern, Bildung und Innovation zu verbessern, das Klima zu retten und Fastneuwagen zu verschrotten.

    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @JürgenP

      “Warum geht ein „hochprofessionell“ geführtes Bankhaus, Luftfahrtunternehmen oder Touristenunternehmen oder oder oder über Nacht pleite. Fehlte es an IT-Ausstattung oder doppelter Buchführung? Oder „profesionellen“ – ja was?”

      Klammern wir die Banken und ihre Geschäftspolitik und ihre schweren Fehler im Risikomanagement zum Beispiel in der Finanzkrise mal aus, das ist ein Thema für sich.

      Warum Airlines und Unternehmen aus der Tourismusbranche gerade sehr schnell pleite gehen, ist doch aber völlig offensichtlich: Bei staatlich angeordneten Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen brechen deren Umsätze massiv ein, gleichzeitig müssen die festen Kosten weiter bezahlt werden, und das führt zur Pleite, egal wie professionell das Management agiert oder nicht.

      Hier ein schönes Beispiel aus Japan, Touristenzahlen April 2020 minus 99,9% (kein Tippfehler!) gegenüber April 2019: https://www.zerohedge.com/markets/japanic-tokyo-tourism-tumbles-999-april

      Solange die Kunden ausbleiben, können Sie die Pleite nur *hinauszögern* indem Sie Ihre finanziellen Reserven aufbrauchen. Dauerhaft abwenden lässt sich die Insolvenz dadurch nicht. Alternativ können Sie die Unternehmen auch aus freier Entscheidung schließen und liquidieren bevor die Verluste das Eigenkapital aufgefressen haben – das ist dann technisch gesehen keine Pleite, aber das Unternehmen besteht nach der Liquidation auch nicht mehr.

      PS: Nicht vergessen – in Deutschland ist die Insolvenzantagspflicht für wegen Corona zahlungsunfähige oder überschuldete Unternehmen bis 30. September 2020 ausgesetzt. Viel Spaß im Oktober!

      Antworten
      • Horst
        Horst sagte:

        „PS: Nicht vergessen – in Deutschland ist die Insolvenzantagspflicht für wegen Corona zahlungsunfähige oder überschuldete Unternehmen bis 30. September 2020 ausgesetzt. Viel Spaß im Oktober!„

        Mutti rettet alle, im Moment kämpft sie aufopferungsvoll für die Lufthansa. Für den Heizungsbauer Schmidt aus Döbling

      • Horst
        Horst sagte:

        „PS: Nicht vergessen – in Deutschland ist die Insolvenzantagspflicht für wegen Corona zahlungsunfähige oder überschuldete Unternehmen bis 30. September 2020 ausgesetzt. Viel Spaß im Oktober!„

        Mutti rettet alle, im Moment kämpft sie aufopferungsvoll für die Lufthansa.

        Für den Mittelstand, der für 90 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze steht, hat sie sich den ganzen Oktober frei genommen.

      • JürgenP
        JürgenP sagte:

        @ RO
        Ihre Argumentation ist richtig und zeigt zugleich das Problem. Unternehmen gleich welcher Couleur und Größe, die im Effizienzmodus A gefahren werden, geraten früher oder später unter Bedingungen, unter denen Sie pleite gehen müssen. Der eine früher, der andere später und wenn naive Politiker sie als systemrelevant befinden noch später.

        Ein Unternehmen wie die Lufthansa, deren Tagesgeschäft höchste Flugsicherheit ist, wird eine Bundestag – Risikostudie im Jahre 2012 nicht übersehen haben, das kann ich mir nicht vorstellen. In der wird die Pandemie bereits angekündigt, nur nicht der genaue Zeitpunkt.

        Rechtzeitig von Modus A auf B (Überleben) umzuschalten wäre professionell gewesen. Haben die aber nicht, aus welchem Grund auch immer. Nun soll es der Staat richten – wir alle, weil es so kam, wie es kommen musste.

        Was habe ich mit der Lufthansa zu tun?

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @JürgenP

        “Ein Unternehmen wie die Lufthansa, deren Tagesgeschäft höchste Flugsicherheit ist, wird eine Bundestag – Risikostudie im Jahre 2012 nicht übersehen haben, das kann ich mir nicht vorstellen. In der wird die Pandemie bereits angekündigt, nur nicht der genaue Zeitpunkt. ”

        Was helfen der Lufthansa die Erkenntnisse aus der Risikostudie 2012, wenn die Regierungen bei Ausbruch der Corona-Pandemie mit ihren Reisebeschränkungen dafür sorgen, dass der Flugverkehr fast vollständig zusammenbricht?

        Ich verstehe Sie schon, Sie wollen darauf hinaus, dass die Unternehmen mit solchen Risiken so umgehen sollen, dass sie irgendwie “resilienter” oder, wie Taleb sagen würde, “antifragil” werden, aber einen totalen Zusammenbruch aller Umsätze überlebt kein Unternehmen länger als ein paar Monate. Da helfen auch keine Notfallpläne.

        Fluglinien sind übrigens auch nicht soo wichtige Unternehmen als dass man sie unbedingt mit Staatshilfen am Leben erhalten müsste. Besonderes Know-How haben die jedenfalls nicht (das steckt in den Flugzeugen und den Leuten, die das System “Flugbetrieb” jeden Tag aufrecht erhalten), es ist alles im weitesten Sinn Logisitik. Wenn eine Spedition pleite geht, interessiert sich ja auch kein Politiker dafür und die LKW fahren dann halt mit anderen Aufdrucken und für andere Firmen weiter.

        Das hätten wir mit der Lufthansa auch machen können, und das Leben wäre weiter gegangen.

        “Was habe ich mit der Lufthansa zu tun?”

        Nichts. Sie haben wahrscheinlich auch nichts mit der Commerzbank zu tun, aber sind über den Staat trotzdem an ihr beteiligt.

      • JürgenP
        JürgenP sagte:

        @ RO
        [… “aber einen totalen Zusammenbruch aller Umsätze überlebt kein Unternehmen länger als ein paar Monate. Da helfen auch keine Notfallpläne”.]

        Richtig. Aber warum sollte denn ein Unternehmen wie “Lufthansa” auf Staatskosten besser gestellt sein, als ein gut ausgebildeter Landwirt, dem vollkommen klar ist, dass ein diversifiziertes “Geschäft” die Widrigkeiten des Lebens / des Bodens / des Klimas / der Kartoffelkäfer oder sonstiger Komplikationen besser überstehen lässt – als nur auf eine anfällige, hochgezüchtete Frucht zu setzen.

        Mit Bio – um das gleich vorweg zu nehmen – hat das nichts zu tun, sondern mit “Professionalität” (um die es bei Dr. Stelter geht). Und den allgemeinen Lebensumständen, die jedermann bekannt sein sollten. Dazu gehört nun mal auch eine Mikrobe, die sich rund um den Globus verteilen kann, wozu im Übrigen gerade die Luftfahrt kräftig beiträgt.

        Vielleicht sollten Unterstützungen auch daran geknüpft werden, wir professionell sich Unternehmen vor der nächsten mikrobiologischen Welle oder anderen drohenden Katastophen schützt. Das wäre doch die Mindestanforderung, bevor der Staat – also Sie und ich und Millionen andere – irgendwelchen Unternehmen mit Riesensummen unter die Arme greifen.

        Es wird einen schönen, goldenen Oktober geben, klimatisch gesehen. Das wird vielleicht dazu beitragen, dass die inzwischen pleite gegangenen Alt- und Jungunternehmer sich ihren “Resilienz”-Anteil direkt aus Berlin abholen. Zu Fuss versteht sich, das Fliegen werden sie sich nicht leisten können.

  4. TvZH
    TvZH sagte:

    SgDuH,

    @ Herr Stelter: das InternetNetz ist eine Tautologie Das Net ist ein Netz

    wie Herr Stelter mal so schön aufgezeigt hat im Stichwort “Rückkehr zu Mesopotamien”
    geht es bei allen Träumen rund um Schuldenerlass um eine Widerholung des grossen Jubeljahres
    das in der Tempelwirtschaft des ersten grossen kapitalistischen Zyklus (1800- ca.1200 vdZ)
    ein probates Mittel zur Entschuldung war und eigentlich “nur” alle 49 Jahre zur Anwendung kommen sollte.
    Der Untergang dieses Zyklus kam als diese Jubeljahre in immer kürzeren Abständen erfolgen mussten

    Wie im Prediger Salomo “nichts neues gibt es unter der Sonne” und wie in der Kritik bereits geäussert,
    gibt es 8 milliarden gute und mendschliche Gründe an der “Einmaligkeit” solcher Lösungen zu zweifeln.
    Problem ist auch dass ich mittlerweile am Willen und auch an der Fähigkeit des deutschen Kamels
    (nennen wir es mal Michel) auch noch diesen Strohhalm auf den Rücken laden zu können oder zu wollen.
    Ergo denke ich dass wir das Ende des dritten kapitalistischen Grosszyklusses erleben.

    Grund: Es sieht mittlerweile so aus, als würde ein erheblicher Teil der deutschen Bevölkerung klar
    abwägen, ob sich eine Berufstätigkeit überhaupt noch rechnet im Vergleich zum “Hartzen”.
    Da Staaten nur umverteilen und nicht produzieren dürfte hier die Belastungsgrenze erreicht oder
    demnächst überschritten werden.

    Sinnvoll wäre daher die Fehlentwicklungen des herbeigewurschtetelten (BundesEuropas) zu vermeiden
    und das Euro Experiment in der jetzigen (vom Grossteil der Europäer unerwünschten und illegalen Form)
    koordiniert zu beenden, was aber vermutlich nicht mehr möglich ist oder gelingen wird.
    Pro.: durch die alternde Bevölkerung besteht Grund zur Hoffnung das “this World doesn’t end with a bang
    but with a whimper” zutreffen könnte.

    PS: Für die kritischen Leser/Mitzähler: Nach meiner Meinung hat es drei grosse kaptalisitische Zyklen gegeben
    – No 1: Hammurabi 1800v.d.Z bis ca. 1200 v.d.Z (Krise der Bronzezeit)
    – No 2: 550 v.d.Z. (erste Münzen unter Midas von Lydos) bis
    235 a.D.(terminaler Crash des römischen Empires 235 a.d.)
    – No 3: Aufhebung des kanonischen Zinsverbotes für die Templer (1139 stillschweigend),
    die Juden (1179 offiziell) und für Christen ab 1530
    1971 Ende des Goldstandards
    1974 Beginn des Petrodollars mit zyklischen Boom Bust Schwingungen mit
    ansteigender Amplitude (immer grössere Bailouts) 1982, 1987, 1993, 1997, 2000, 2007-9, jetzt)
    2029 (?) Resonanzkatastrophe (terminaler Crash antizipiert auch durch R. Dalios Zyklus)
    Diese Überlegung speist sich auch aus der Kreditzyklen Analyse von Ray Dalio und ich nehme
    an (und gebe zum Disput) dass es auch einen bislang übersehenen Grosszyklus geben könnte,
    der in einen terminalen Kollaps enden kann mithin die Erwartungshaltung dass es “immer” ein
    Weiter gibt durchaus nicht ad infinitum zutreffen muss.

    PPS: In diesem Sinne einen frohen Mittwoch, dem Tag an dem alles möglich ist (Evangelium des hlg. Micky Mouse)

    Antworten
    • ruby
      ruby sagte:

      @ TvZH
      Natur lebt Makro mit Mikro, diese Einzelnen wachsen solange wie die vielen sie mit versorgen. Aber ganz am oberen Ende fehlt die Basis und es folgt der Abbruch mit Niedergang, aber ist die Spezialisierung soweit fortentwickelt kann es zum vollständigen Verlust kommen und die Breiten nachrückenden Makro dieses Mikro aussterben lassen.
      Bei den Menschen kommt eine Alternative zu tragen, wenn alles Wissen und Können nur virtuelldigital nicht in Büchern und Lehrern existierte schrumpft das Menschenwesen auf seine urtümlichsten Instinkte bei Rückkehr ins Analoge.
      Das sollte zu bedenken sein, wenn die Energieversorgung so angeblich ökologisch geschaltet geplant wird.
      Was ist von Ihrem Beispielzyklen geblieben?
      Träume oder Erzählungen, vielleicht ein Kulturwerk, einige Münzen im Museum?

      Antworten
  5. Johann Schwarting
    Johann Schwarting sagte:

    @ Dr. Stelter

    “Obwohl Scholz die “Vereinigten Staaten von Europa” nicht für realisierbar hält, weil Europa auf “längere Sicht ein Europa der einzelnen Staaten mit ihren unterschiedlichen Traditionen, Sprachen und Kulturen” bleibt, ist er bereit, in eine Fiskalunion einzusteigen. Die EU solle selbst Steuern erheben und mit den Ausgaben – so steht es ungesagt im Raum – vor allem den bedürftigen Staaten helfen.”

    In dem Beitrag https://think-beyondtheobvious.com/stelter-in-den-medien/stupid-german-politicians/#comment-141273 hatte ich die Grundzusammenhänge, die ich jetzt nicht wiederholen möchte, noch einmal dargestellt, denen Sie am 4.2.2018 im Gesamtzusammenhang der dortigen Diskussion zustimmten. Die Eigentumsökonomik sieht zu wenig, dass kurz und bündig gilt: “Ohne die Macht des Staates ist der Kapitalismus nicht definierbar.”

    https://blogs.faz.net/fazit/2018/11/06/wirtschaftstheorie-als-griechische-tragoedie-10379/#comment-8092

    Die fundamentalen Gründe werden aktuell im DGF aus @Ashitakas debitistischer Sicht als einer kenntnisreichen Stimme aus dem ‘Weltinnenraum des Kapitals’ (P. Sloterdijk) in mehreren Beiträgen ausformuliert – es geht um die Gewinnung von Zeit.

    “Ohne die Aufschuldungspotentiale der EU wird alles Vermögen des deutschen Steuerzahlers, aufgrund der von Paul C. Martin bereits 1980 in ‘Der Kapitalismus. Ein System das funktioniert.’ beschriebenen, marktübergreifenden Wiederbeleihungskomplexität, unumkehrbar zunichte gemacht.” … “Wer nur das Übel in den Schuldenlasten sieht und glaubt, er müsse die Vermögensseiten zum Schutze des deutschen Steuerzahlers einfach davon trennen (Südländer pfui, DE muss alleine weitermachen!), wer daran glaubt, dass sich unsere Vermögenssummen durch Haltmachungen vor Weiterverschuldung und Haftungsübernahmen (Ablehnungen von EU-Anleihen und Querverhaftungen) aufrecht erhalten ließen, hat keine systematische Vorstellung davon, welchen systemdurchgreifenden Einfluss auch nur leicht sinkende real- und finanzwirtschaftliche Vermögenswerte mittelfristig auf die alles tragenden Wiederbeleihungen und Querverhaftungen haben, welche unlösbaren Nachbesicherungspflichten auch auf den deutschen Kreditnehmer in Windeseile zukommen würden und wie schnell die debitistischen Fundamente der Wirtschaft zerstört würden.” https://www.dasgelbeforum.net/index.php?id=529632

    “Das debitistischte System, welches alle politischen/gesellschaftlichen Entwicklungen über die Zeit trägt, es interessiert sich nicht für das, was unserer Auffassung nach nicht sein darf bzw. umgekehrt wünschenswert ist. Die Machtzessionen (Kreditwürdigkeit, beleihbare Eigentums- Forderungswerte der Privaten) sind aufgrund der wechselseitigen, internationalen Abhängigkeiten aller Finanzprodukte und deren die Verschuldungen in die heutigen Dimensionen treibenden Wiederbeleihungsrunden zwecks immer weiterer Nachfrage nicht ohne einen alle Staatsfinanzen und privaten Vermögen zerstörerischen Systemabbruch umkehrbar.” https://www.dasgelbeforum.net/index.php?id=529689
    MfG JS

    Antworten
  6. Michael Logies
    Michael Logies sagte:

    Eine einmalige Verschiebung von Staatsschulden zur EU behebt das strukturelle Problem nicht, auf das Flassbeck seit Jahren aufmerksam macht: Nach Einführung des Euros hat sich Deutschland durch eine infolge Lohnzurückhaltung zu niedrige Inflationsrate einen unfairen Wettbewerbsvorsprung gegenüber den anderen Euroländern gesichert. Solange Deutschland sich nicht verpflichtet, diesen Inflationsrückstand nachzuholen, durch höhere Löhne, besteht dieser für die anderen europäischen Länder deletäre Vorsprung fort. Insofern ist Stelters Vorschlag ein ziemlich durchsichtiger Versuch, von diesem Grundproblem abzulenken und die Verschuldungsfähigkeit der anderen EU-Länder zum Wohle der deutschen Exportwirtschaft für weitere Jahre wiederherzustellen. Nur Länder wie Italien oder Frankreich werden sich m. E. nicht angesichts eine Staatsbankrottes, ob nun bald oder in 10 Jahren, von den “Finanzmärkten” unterdrücken und ausplündern lassen wie Griechenland, sondern im Konfliktfall den Euro verlassen und ihre Schulden nicht mehr bedienen.

    Antworten
    • Joerg
      Joerg sagte:

      @MichaelL
      wie sollte denn ihrer Meinung nach die Regierung das allgem. Lohnniveau in der freien Wirtschaft erhoehen? Per Dekret?
      Und wie die Menschen davon abhalten, dann guenstigere Waren und Dienstleistungen im Ausland zu ordern? Mit neuen Dekreten?

      M.E. haetten Abgaben und Steuern fuer die unteren Dreiviertel der Haushalte gesenkt werden koennen (das Gegenteil war der Fall!) und so der Konsum angefacht werden koennen?

      Obwohl, wie war das mit den Pferden und der Traenke?

      Antworten
      • Michael Logies
        Michael Logies sagte:

        Die Lohnzurückhaltung nach Einführung des Euros war politisch gesteuert, wurde von Schröder durchgesetzt:
        https://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%BCndnis_f%C3%BCr_Arbeit,_Ausbildung_und_Wettbewerbsf%C3%A4higkeit

        Natürlich könnte man heute in die Gegenrichtung steuern, angefangen mit einer Erhöhung des Mindestlohnes, die das gesamte Lohngefüge beeinflussen würde.

        Solange Deutschland viel zu viel exportiert, entgegen dem Stabilitätsgesetz v. 1967, das ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht fordert, statt selbst zuhause zu investieren und zu konsumieren, braucht es Ausland, das sich für die Warenabnahme gegenüber Deutschland verschuldet. Und solange das notwendig ist, wird die Verschuldung gegenüber Deutschland wachsen, was im Desaster enden kann, also Ende der Eurozone, Einstellung des Schuldendienstes durch die Schuldner. Mit dem demographischen Wandel werden die dt. Exportüberschüsse wohl fallen, aber damit ist die Verteilungfrage innerhalb Deutschlands noch nicht gelöst.

        Und nein, wir sind keine “freie Marktwirtschaft” und sollten keine sein wollen. Die freie Marktwirtschaft, ein rechter, ideologischer Entwurf, funktioniert nur im Ausnahmefall, weil ihre axiomatisch unterstellten Voraussetzungen in der Realität meist nicht gegeben sind (z. B. keine Informationsasymmetrien, keine externen Effekte, keine Anbieterübermacht). Deutschland ist gesellschaftlich heute so erfolgreich, wie es ist, weil lange Zeit die fatalen Nebenwirkungen der Marktwirtschaft durch staatliche Umverteilung gemildert wurden (öffentliche Schulen, öffentliches Gesundheitswesen, öffentliches Rentensystem etc.). Wer die Realität einer reineren Marktwirtschaft bewundern will, schaue sich die Coronatoten in den USA und GB an oder die Fettleibigkeitepidemie dort, der wir folgen (psychoszialer Streß, wachsende Ungleichheit machen Gesellschaften ungesünder und unglücklicher).

        Ob Deutschland wirtschaftlich noch erfolgreich ist, wenn man vollständig rechnet, halte ich für mehr als fragwürdig, weil es seine externen Effekte zum erheblichen Teil ins Ausland verlagert hat und nicht mitzählt (Umweltzerstörungen dort für industrielle und landwirtschaftliche Vorprodukte).

        Die deutsche Lohnzurückhaltung haben die deutschen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände zulasten des Euroauslandes verhandelt, um deutsche Profite und deutsche Arbeitsplätze zu sichern, also ein durch und durch antieuropäisches Motiv. Ja, wenn Deutschland seine Löhne erhöht, soll und muß seine Exportwirtschaft leiden. Und ja, im Zweifel braucht man mehr Dirigismus innerhalb der Eurozone und an den europäischen Außengrenzen, wenn man sich gegen das internationale Anlagekapital und seine Erpressung nationaler Regierungen durchsetzen will.

        Was ich da schreibe, halte ich für ein durch und durch utopisches Programm. Wahrscheinlicher ist, daß sich die (gesamtgesellschaftliche) Irrationalität der herrschenden, wirtschaftlichen Klasse bis zum Kollaps fortsetzen wird (ob der Umwelt, der Schuldenwirtschaft oder in einem Bürgerkrieg (z. B. USA) oder Krieg z. B. gegen Rußland oder China). Das wäre der historische Normalfall:
        Spinney L. Cliodynamik: Geschichte berechenbar machen – Spektrum der Wissenschaft. Available at: https://www.spektrum.de/news/geschichte-berechenbar-machen/1158798. Accessed May 24, 2020.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Michael Logies

        “Die deutsche Lohnzurückhaltung haben die deutschen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände zulasten des Euroauslandes verhandelt, um deutsche Profite und deutsche Arbeitsplätze zu sichern, also ein durch und durch antieuropäisches Motiv.”

        Soll das heißen, Sie halten Massenarbeitslosigkeit in Deutschland für “proeuropäisch”?

        Bei dieser “Utopie” würden nicht viele Leute freiwillig mitmachen wollen…

    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      @ Michae Logies

      Es gibt NICHT das EINE strukturelle Problem, etwa die Lohnzurückhaltung in Deutschland.

      Wir hätten mehr nachfragen müssen und so in Deutschland für mehr Inflation sorgen müssen – ja, das AUCH.

      Aber die anderen Länder hätten weniger inflationieren müssen – AUCH das.

      Beides war und ist nicht zu machen.

      In Deutschland gehen die Unternehmen weg und damit die ARBEITSPLÄTZE verloren – wer ist so dumm, dies noch durch Lohnerhöhungen, d. h. Kostensteigerungen für die Unternehmen zu beschleunigen?

      Niemand.

      Und in der Peripherie war der Euro quasi die AUFFORDERUNG sich für Konsum zu verschulden, weil er die Zinsen deckelte.

      Wer wollte da widerstehen?

      Niemand.

      Der Wettbewerbsvorsprung, den wir gegenüber den Peripheriestaaten haben, ist nicht wirklich entscheidend, weil er vergleichsweise gering ist.

      Vereinfacht:

      Wir liefern vorwiegend ÜBERLEGENE Technik (Automobile, Maschinen etc.) und der Süden vorwiegend ÜBERLEGENE Sinnlichkeit (Nahrungsmittel, Sonne, Strand, Kultur).

      Wir sind im Wettbewerb mit Ländern außerhalb der Eurozone/EU, insbesondere Japan, Südkorea, USA und die Südländer u. a. mit der Türkei und den nordafrikanischen Ländern.

      So sieht das große Bild aus.

      Flassbeck ist ein von Interessen geleiteter Schwätzer.

      Antworten
      • Horst
        Horst sagte:

        „Flassbeck ist ein von Interessen geleiteter Schwätzer.“

        Nun, da sie das Fass aufgemacht haben, beziehungsweise die Büchse der Pandora geöffnet haben, welche Interessen sind es denn Ihrer Ansicht nach die den „schwätzenden“ Professor bewegen zu sagen, was er sagt?

      • Horst
        Horst sagte:

        „Wir liefern vorwiegend ÜBERLEGENE Technik (Automobile, Maschinen etc.) und der Süden vorwiegend ÜBERLEGENE Sinnlichkeit (Nahrungsmittel, Sonne, Strand, Kultur).„

        Zu den Deutschen Exportschlagern gehören auch Waffen, nicht nur Maschinen und Automobile.

        Prothesen, zum Beispiel von Otto Bock, gehören auch dazu. Über die dürfen sich dann die Kriegskrüppel, wer das gleichnamige Bild von Otto Dix vor Augen hat, darf gerne daran denken, unglaublich freuen.

        Dann doch lieber Oliven und Spaghetti in die Welt exportieren.

        Dann verfängt man sich auch nicht so rasch in doppelmoralistische Konfliktsituationen.

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Horst

        Sie wissen doch selbst, welche Interessen Flassbeck verfolgt.

        Ich muss doch nicht erinnern, dass er Staatssekretär von Lafontaine war.

        Beide gehören zu den Leuten, die unfähig waren, die Zeit zu deuten, als sie im globalen Kapitalismus mit Sozialpolitik die Arbeiterklasse zu retten suchten.

        Immer auf ein Problem als „Fehler“ zu verweisen, das nur im Systemzusammenhang mit anderen einen Sinn macht, ist für mich Geschwätz.

        Wir haben in Europa STRUKTURPROBLEME und nicht nur ein deutsches Lohn- oder Inflationsproblem.

        >Zu den Deutschen Exportschlagern gehören auch Waffen, nicht nur Maschinen und Automobile.>

        Daher habe ich ja auch gesagt „Automobile, Maschinen etc.“

        >Dann doch lieber Oliven und Spaghetti in die Welt exportieren.

        Ist völlig in Ordnung und eine Welt in der man sich das aussuchen kann, ist sicher nicht die schlechteste.
        Dann verfängt man sich auch nicht so rasch in doppelmoralistische Konfliktsituationen.>

        Auf jeden Fall muss man die KONSEQUENZEN in Kauf nehmen.

        Wenn man das nicht tun will, ist man auch bei der Moral.

      • Michael Logies
        Michael Logies sagte:

        Wenn niedrige Zinssätze dazu führen, daß ungehemmt Konsumkredite aufgenommen werden, sind sie kein ausreichendes Steuerinstrumentarium. Die Kreditmenge könnte (wie früher) wieder gesteuert werden, unterschieden nach Konsum-, Spekulations- und investiven Krediten, s. die Vorschläge von Richard Werner.

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Michael Logies

        >Die Kreditmenge könnte (wie früher) wieder gesteuert werden…<

        Wie früher?

        Wer hat früher, also in den Nachkriegsjahren die Kreditmenge „gesteuert“?

        Nicht ausschließlich, aber im Wesentlichen war es der Markt durch Nachfrage, die mit Faktoreinkommen finanziert wurde.

        Und heute?

        Sie wird ja in steigendem Maß bereits nicht mehr durch die Märkte gesteuert, sondern durch den Staat mit Regulierung und Anreize (Energiewende in allen Aspekten).

        Und sie wird durch die Notenbanken gesteuert, u. a. so, dass Kredite für Assetkäufe gegeben werden.

        Das ist erst der Anfang.

        Außerdem:

        Sie kommen nicht darum herum, Kredite auch für Konsum aufzunehmen, allerdings nimmt sie dann der Staat auf, um z. B. die Rentenzuschüsse leisten zu können.

        Wollen Sie höhere Zinsen, damit Kredite nicht mehr Konsum aufgenommen werden?

        Dann fragen Sie sich einmal, wohin sich dann die Wirtschaft entwickelt – und das nicht nur in USA.

        Wenn man das Kreditproblem als fundamentale Ursache sieht, muss man unter heutigen Bedingungen durch die Notenbanken finanzieren.

        Damit mildert man zwar das Kreditproblem, schafft aber neue Probleme.

  7. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    >Im Gegenzug für diese einmalige Bereinigung von Altlasten wäre eine eindeutige Veränderung der Verträge der EU zu vereinbaren. Wie Alexander Hamilton sollten wir festschreiben, dass es ein Bail-out-Verbot gibt. Das gab es zwar schon und wurde gebrochen. Diesmal muss es unaufhebbar festgezurrt werden.>

    Ich schließe mich @ Wolfgang Selig, @ Richard Ott und @ Bernhard K. Kopp an:

    Ein unaufhebbares Festzurren ist reine Illusion.

    Ich gehe noch weiter:

    Selbst wenn ein europäischer Bundesstaat etabliert sein würde, hätte dieser keinen dauerhaften Bestand.

    Auch eine voll durch orchestrierte Demokratie kann daran nichts ändern.

    Denn Demokratie kann nur legitimieren, d. h. verfahrensbedingt ANERKENNUNG verlangen, aber nicht AKZEPTANZ erzwingen.

    Heißt:

    MATERIELLE ökonomische Divergenzen würden nach wie vor weiterbestehen.

    Würden diese zu groß werden und der Ausgleich zu spürbaren Wohlstandsverlusten bei den Gebern führen, drängten starke Kräfte auf REGIONALISIERUNG und ABSPALTUNG. Das haben wir bereits in Europa, siehe u. a. Katalonien.

    Und nicht vergessen, was – durch das „bayerische Wirtschaftswunder“ lediglich übertüncht – seit jeher das latente Selbstverständnis in Bayern ist, von F. J. Strauß einmal so ausgedrückt:

    „Wir sind die Deppen der Welt. Zwischen uns und dem berühmten Kompaniedeppen besteht nur ein Unterschied. Der Kompaniedepp holt das Bier und bekommt dafür eine Brotzeit. Wir holen das Bier und zahlen die Brotzeit.” („Münchener Merkur, 22.11.1966)

    Heißt:

    Wenn in München die Lichter flackern, weil Siemens, BMW, AUDI etc. nicht mehr wie gewohnt liefern, dann gehen sie tendenziell in Bremen und anderswo aus.

    Der Länderfinanzausgleich ist letztlich auch nur ein Schönwetter-Regenschirm, den es bei Starkregen irgendwann nicht mehr gibt.

    Kurzum:

    Es geht ALLEIN um die Stabilität von Eurozone/EU.

    Je GRÖSSER die dafür eingesetzten Geldbeträge sind, desto PREKÄRER ist die Lage.

    Antworten
    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @Herr Tischer

      “Würden diese zu groß werden und der Ausgleich zu spürbaren Wohlstandsverlusten bei den Gebern führen, drängten starke Kräfte auf REGIONALISIERUNG und ABSPALTUNG. Das haben wir bereits in Europa, siehe u. a. Katalonien.”

      Katalonien ist ein wunderschönes Beispiel. Auch deswegen, weil die regionalistischen, zentralregierungsfeindlichen Separatisten dort mehrheitlich… links sind!

      Das entzieht sich komplett den üblichen Deutungs- und Empörungsreflexen unserer deutschen Gesinnungsjournalisten und lässt sie hilflos zurück.

      Italien hat gleich mehrere solcher regionalen Separatistenbewegungen, aber zum Glück sind die Separatisten aus den reichen Regionen (Lombardei, Venetien) alle rechts, da sieht man gleich viel einfacher, wer die Guten und wer die Bösen sind.

      Wer weiß, vielleicht macht uns bald auch der ideologisch bekanntlich sehr geschmeidige Söder den deutschen Salvini, wenn Bayern in der Wirtschaftskrise keine Lust mehr hat, für den Berliner Hauptstadtslum das Bier zu holen und zu zahlen?

      Antworten
  8. Sandra Margin
    Sandra Margin sagte:

    Alle Erfahrung besagt, daß die EZB grundsätzlich nur Schaden anrichtet. Wenn diese Leute beteiligt sind, kann es ja nur schiefgehen.
    Belege für das Komplettversagen gibt es genug:
    Teufel EZB: Wie die Europäische Zentralbank die deutschen Bürger bestiehlt um die Schulden-Planwirtschaft zu Gunsten von Milliardären und Politikern zu retten https://www.amazon.de/dp/B0841N2Y6M

    Monetary Policy: a sad fairytale (English Edition)
    https://www.amazon.de/dp/B088ZW69C7

    @ Herr Dr. Stelter: Bei Interesse lasse ich Ihnen Voucher zukommen, dann können Sie die Vorwürfe kostenlos prüfen.

    Antworten
  9. Wolfgang Selig
    Wolfgang Selig sagte:

    Sehr geehrter Herr Dr. Stelter,

    Ihren Vorschlägen fehlt es – mit Verlaub – meines Erachtens an Mut. Sie können den Pelz nicht waschen und sich gleichzeitig nicht nass machen. Wenn Sie die Schulden auf die EU übertragen wollen, müssen Sie auch echte Demokratie dort einführen: One man – one vote. Und nicht: ein Malteser – 66 deutsche Stimmen. Denn, um in Hamiltons Zeiten zurückzugehen, das Motto damals gegenüber den Briten war: “no taxation without representation”. Also keine Blankoschecks geben, wie Sie ja selbst konzedieren. Dann müssen Geber- und Nehmerländer gleiche Stimmrechte in ihren Wahlbevölkerungen haben.

    Und um ein Bail-Out-Verbot verbindlich durchsetzen zu wollen, müssen Sie die Autonomie der Staaten aufheben. Dann muss der Haushaltskommisar den französichen Präsidenten überstimmen können, um es plakativ zu machen. Das widerspricht aber Junckers Diktum von “weil es Frankreich ist”, warum das bisher nie gemacht wurde.

    Daher komme ich zu dem Ergebnis: Sie umschiffen das eigentliche Problem: Soll die EU zum Bundesstaat wie die USA werden – ja oder nein? Wenn ja, ist Ihr Ansatz in Ordnung. Wenn nein, hilft Ihr Ansatz m.E. nicht weiter. Diese Entscheidung muss in diesem Jahrzehnt getroffen werden, in dem die Überschuldung dem Euro die Füße wegzieht. Denn spätestens, wenn die Verteilungskämpfe bzw. die Preissteigerungsraten eskalieren, ist es vorbei mit den zeitschindenden Kompromisslösungen. Dann muss man wie Alexander Hamilton eine wirklich starke Zentralregierung anstreben oder das Euro-Projekt beenden.

    Antworten
    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @Herr Selig

      ” Wenn Sie die Schulden auf die EU übertragen wollen, müssen Sie auch echte Demokratie dort einführen: One man – one vote. Und nicht: ein Malteser – 66 deutsche Stimmen. Denn, um in Hamiltons Zeiten zurückzugehen, das Motto damals gegenüber den Briten war: „no taxation without representation“. Also keine Blankoschecks geben, wie Sie ja selbst konzedieren. Dann müssen Geber- und Nehmerländer gleiche Stimmrechte in ihren Wahlbevölkerungen haben.

      Und um ein Bail-Out-Verbot verbindlich durchsetzen zu wollen, müssen Sie die Autonomie der Staaten aufheben.”

      Ganz genau. Ich glaube nicht, das so ein europäischer Bundesstaat funktionieren würde, weil die Mentalitäten und Sprachen und Gesellschaften einfach zu unterschiedlich sind, aber dieser Ansatz wäre immerhin in sich schlüssig – und damit schon um Dimensionen besser als alles, was wir von Merkel zu diesem Thema hören.

      Aber vergessen Sie nicht, dass Deutschland seine Souveränität an so einen neuen europäischen Bundesstaat nur dann abgeben kann, wenn das Grundgesetz aufgehoben wird (nur so kommt man um die Ewigkeitsklausel in Artikel 79 Absatz 3 herum und kann die grundlegende politische Gliederung Deutschlands verändern) und dann per Mehrheit in einer Volksabstimmung durch eine neue -nennen wir es mal “EU-freundliche”- Verfassung ersetzt wird:

      “Art. 146
      Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.”

      So einen Vorschlag werden Sie von Merkel auch garantiert nie hören, da würde sie ja sogar noch eher die Corona-Ausgangsbeschränkungen wieder aufheben als diesem bösen deutschen Volk (pfui, schon wieder ganz schlimme völkische Rhetorik!) die Selbstbestimmung in so einem Referendum zuzugestehen.

      Antworten
      • Wolfgang Selig
        Wolfgang Selig sagte:

        @Herrn Ott:

        Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Aber auch von den übrigen “demokratisch” genannten Parteien hört man zu Art. 146 GG seit Jahren: nichts. Dabei wäre die deutsche Wiedervereinigung DIE Chance dafür gewesen und wenn man das Grundgesetz nur in Verfassung umbenannt hätte. Keine Ahnung, warum das keiner machen will von den etablierten Parteien. Ich finde es traurig.

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Richard Ott, @ Wolfgang Selig

        Völlig klar, dass die Westmitglieder der Parteien nicht über ein neues Grundgesetz bzw. eine Verfassung hatten reden wollten und es bis heute tunlichst vermeiden, es zu tun.

        Wenn doch, müssten die Ostdeutschen auch etwas einbringen dürfen, z. B. Sicherheitsbefindlichkeiten oder gar Arbeitsplatzgarantien aus ihrer DDR-Erfahrungen.

        Solche Diskussionen wollte keiner im Westen und im Osten auch nicht wirklich, weil damit mehrheitlich kein Blumentopf zu gewinnen ist und nur Spaltung produziert würde – heute vermutlich mehr als jemals zuvor in den letzten 30 Jahren.

        Die unausgesprochene Auffassung war daher:

        Der Westen hat die Vereinigung zu ca. Dreiviertel bezahlt.

        Wer anschafft, der hat auch das Sagen.

        Also die Klappe halten, liebe Ostdeutsche, und die
        Orangennetze beim Aldi greifen.

  10. Horst
    Horst sagte:

    Mit der vollständigen Implementierung und Umsetzung der Fiskalunion, mit der Abgabe des Steuerbudgets nach Brüssel, sind faktisch die Vereinigten Staaten von Europa geschaffen worden? Mit der vollständigen Implementierung und Umsetzung des Fiskalunion sind faktisch die Vereinigten Staaten von Europa geschaffen worden? Abzustellen auf kulturelle Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten zur Negierung dieser, wie Scholz es tut, ist wenig aussichtsreich, denn diese (kulturellen Unterschiede) bestehen auch in den USA seit 250 Jahren, zwischen Ostküste und Westküste, zwischen dem Süden und dem Norden.

    Antworten
    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @Horst

      “Abzustellen auf kulturelle Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten zur Negierung dieser, wie Scholz es tut, ist wenig aussichtsreich, denn diese (kulturellen Unterschiede) bestehen auch in den USA seit 250 Jahren, zwischen Ostküste und Westküste, zwischen dem Süden und dem Norden.”

      Und trotz dieser kulturellen Unterschiede haben sich die einzelnen Bundesstaaten der USA in den letzten rund 250 Jahren immer super gut vertragen, nicht wahr? ;)

      Antworten
    • Bernhard K. Kopp
      Bernhard K. Kopp sagte:

      Die Fiskalunion wird die Zwietracht unter den europäischen Völkern nur erhöhen und wird die Idee einer EU zerstören. Demokratie kann man nicht einfach ” einführen” wie ein Klistier. EU-27 ist kein Staat und kann aus vielfältigen Gründen auch keiner werden. Es gibt kein Staatsvolk aus 27 historischen Ländern, mit 23 Sprachen, keine gemeinsame Öffentlichkeit und es gibt auch keinen Willen zu einem gemeinsamen Staat, der eine ” gemeinsame Herrschaft ” möchte oder könnte. Es gibt viele Möglichkeiten einen Staatenbund zu organisieren. Über einen Fake-Bundesstaat aber bestimmt nicht.

      Antworten
  11. H. Hoffmeister
    H. Hoffmeister sagte:

    Herr Dr. Stelter,
    Ihre Vorschläge sind weitestgehend buchhalterische Umwidmungen, die einmalig bleiben müssen. Und genau das wird nicht passieren. Was einmal hilft, könnte doch – ausnahmsweise – auch ein zweites Mal gelingen usw.

    Antworten
  12. Richard Ott
    Richard Ott sagte:

    bto: “Heute tagt Brüssel. Es steht zu befürchten, dass ein Plan herauskommt, der uns viel kostet und niemandem wirklich etwas bringt: nur dem Euro ein paar mehr Jahre und den Empfängerländern von Wiederaufbaufonds oder Ähnlichem die Illusion, dauerhaft von Transfers leben zu können. Die werden aber nicht kommen.”

    Ach, das ist wie mit dem Corona-Impfstoff. Irgendwann kommt der ganz bestimmt. Und dann wird alles gut. Wir müssen alle nur richtig, richtig fest daran glauben und dürfen nicht auf die Miesmacher hören, die alles immer schlecht reden wollen. Auch einfach mal spontan für die Regierung klatschen hilft.

    (Okay, Adolf Hitler hat Anfang 1945 genauso verzweifelt auf die Kriegswende durch seine angeblichen “Superwaffen” gehofft, aber der war ja auch ein Nazi, das ist also etwas völlig anderes…)

    Antworten
    • Gregor_H
      Gregor_H sagte:

      OFF TOPIC
      Hallo Herr Ott,
      wenn Sie mal nach München kommen, melden Sie sich doch bitte, ich würde Sie gerne kennenlernen.
      Grüße
      Gregor_H

      Antworten
      • Horst
        Horst sagte:

        Wird der Blog zu einer Dating-Plattform?

        Wenn das so ist:
        Ich möchte Sie, meinen speziellen Freund, Herrn Ott, auch gerne kennenlernen, sollten Sie wieder einmal in der Stadt der Apparatschiks weilen, wie Sie Berlin gerne zu nennen pflegen.

        Vielleicht beim nächsten AfD-Parteitag?

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