Die Regierung sollte Schulden machen – aber richtig

Mit ordentlicher Buchhaltung haben die Finanzierungstricks der neuen Bundesregierung wenig zu tun. Mit Krediten gefüllte Corona-Sondertöpfe werden umgewidmet, Schattenhaushalte aufgefüllt und Staatsunternehmen besorgen sich Kredite direkt. Den Rest organisiert die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau. Alles mit dem Ziel, mehr in das Land zu investieren und umfangreiche Klimaschutzmaßnahmen zu realisieren.

So problematisch das Vorgehen unter Transparenzgesichtspunkten ist, so richtig ist der Weg, die Ausgaben über höhere Schulden zu finanzieren. Deutschland ist selbst nach Corona im internationalen Vergleich gering verschuldet, kann sich zu deutlich negativen Realzinsen finanzieren und teilt die Währung mit Staaten, die trotz weit höherer Verschuldung keinerlei Anstalten machen, die Neuverschuldung zu begrenzen. Wer in diesem Umfeld auf Sparen setzt, ist der Dumme.

Gezwungen wird die Politik zu dieser Vorgehensweise durch die grundgesetzlich verankerte Schuldenbremse. Ökonomisch noch nie sinnvoll, droht sie mehr Schaden anzurichten als zu nutzen. Die Gefahren sind erheblich.

Einerseits drohen die auf einmal reichlich vorhandenen Mittel bei den Politikern zu einem Effekt à la „Kind im Süßigkeiten-Laden“ zu führen, der Ausgaben begünstigt, die beispielsweise beim Klimaschutz wenig konkreten Nutzen erbringen, aber populär sind. Die dringend benötigte Rückbesinnung auf Effizienz und Effektivität staatlichen Handels wäre noch schwerer.

Andererseits besteht die Gefahr der Fortsetzung auf europäischer Ebene. Die Ampel-Koalitionäre beabsichtigen „eine Weiterentwicklung der fiskalpolitischen Regeln“ im Euroraum für „nachhaltige und klimafreundliche Investitionen“. Das öffnet die Tür für einen europäischen Klimafonds, der auch dazu genutzt werden könnte, hiesige Schuldengrenzen zu umgehen. Angesichts der damit verbundenen Umverteilung innerhalb der EU käme uns eine solche Verschuldung über den Umweg nach Brüssel sehr teuer zu stehen.

Die Politik in Berlin sollte sich in den kommenden Jahren parteiübergreifend besser dazu durchringen, die Schuldenbremse zu reformieren. Eine ordentliche Bilanzierung der Vermögenswerte des Bundes, wie von der Ampel geplant, wäre ein wichtiger Schritt zu einer transparenten Bilanzierung als Grundlage für intelligentere Schuldenregeln.

Allerdings ist die Verlockung der Politik zu groß, die finanziellen Folgen von Entscheidungen zu verschleiern. Auch hier bietet der Koalitionsvertrag ein Beispiel. Das erhebliche Guthaben der gesetzlichen Rentenversicherung wird dazu verwendet, für weitere vier Jahre die Illusion aufrechtzuerhalten, man könne trotz steigender Lebenserwartung und schrumpfender Erwerbsbevölkerung Renteneintrittsalter, Rentenhöhe und Beitragssätze stabil halten. Das Problem erbt dann die nächste Bundesregierung.

handelsblatt.com: “Die Regierung sollte Schulden machen – aber richtig”, 26. November 2021