“Schulden und Sühne”

Guten Morgen. Es ist wieder an der Zeit, zum normalen bto-Rhythmus überzugehen: neue Beiträge also. Die letzten Beiträge meiner Serie Best-of 2016 kommen im Laufe des Januars.

Heute beginnen wir mit einer treffenden Zusammenfassung aus der FINANZ und WIRTSCHAFT, die zeigt, dass der größte globale Schuldenüberhang aller Zeiten und die damit verbundene Schwächung der Wirtschaft kein  Erkenntnisproblem ist. Die Highlights:

  • Acht Jahre sind seit der schlimmsten Rezession der Nachkriegszeit vergangen, und noch immer wirkt die Wirtschaft blutleer. Wachstum ist kaum zu sehen. In der Bevölkerung hat sich Unzufriedenheit festgesetzt, eine Wut gegen die bestehende Ordnung, die sich in allerlei Volksvoten entlädt.” bto: Die Party ist halt vorbei und es zeigt sich, dass die EU wie auch die Demokratie gute Zeiten brauchen, um akzeptiert zu sein. 
  • Die Gründe für die Blutleere sind ebenfalls vielschichtig; Demografie, sinkende Produktivitätsraten, länderspezifische Faktoren. Doch der Hauptgrund liegt – wie immer nach einer Finanzkrise – im Schuldenüberhang, der auf die Weltwirtschaft drückt: Nie zuvor in der Weltgeschichte lasteten auf der globalen Wirtschaft höhere Schulden als heute.” bto: Deshalb wird die Anpassung auch so schmerzhaft wie noch nie. Hinzu kommen übrigens die ungedeckten Versprechen an eine alternde Gesellschaft. 
  • Nun sind Schulden nicht per se schlecht. Sofern sie Investitionen in den Kapitalstock finanzieren, sind sie nützlich: Sie erhöhen dauerhaft die Produktivität. Von ökonomisch zweifelhaftem Nutzen sind dagegen Schulden, die laufenden Konsum finanzieren oder die für den Kauf bereits bestehender Vermögenswerte – vor allem Immobilien – benutzt werden.” – bto: Das ist der Grund dafür, dass nur Immobilien deutlich im Wert gestiegen sind, was auch Piketty in seinem Buch übersehen hat. 
  • Wer für den Kauf bestehender Vermögenswerte Kredit aufnimmt, geht davon aus, dass der Wert dieser Assets steigen wird. Wird diese Meinung von den Banken geteilt, entwickelt sich ein sich selbst verstärkender Boom, in dessen Verlauf immer freimütiger Kredit erteilt wird. Doch dreht sich die Preisentwicklung plötzlich ins Negative, ändert die Mechanik: Kreditnehmer sind überschuldet und nehmen ihre Verpflichtungen nicht mehr wahr, die Gläubiger leiden unter faulen Guthaben, refinanzieren fällige Kredite nicht und fordern den Notverkauf von Vermögenswerten – was deren Preis weiter einbrechen lässt.” – bto: Irving Fisher: “The Debt Deflation Theory of Great Depressions”. 
  • 2007 lasteten auf der globalen Wirtschaft gemäss Daten von McKinsey aggregierte Schulden im Umfang von 269%  des Welt-BIP – ein Rekord. (…) Die Ursache für die grösste Finanzkrise seit den Dreissigerjahren waren zu hohe private Schulden. Der Sturm war die Quittung für den Boom der vorangegangenen drei Jahrzehnte.” – bto: richtig!
  • In der Zeit nach 2008 ist (…) das Volumen der auf der globalen Wirtschaft lastenden Schulden ist weiter auf rund 290% des Welt-BIP gestiegen. Sie haben nur da und dort die Bilanz gewechselt: In den USA, Grossbritannien oder Spanien sind Schulden vom Privatsektor auf die Staatsbilanz gewandert. Gleichzeitig haben sich diverse Schwellenländer, allen voran China, einem gewaltigen Kreditboom hingegeben.” – bto: Wir haben eine durch zu viele Schulden ausgelöste Krise mit noch mehr Schulden bekämpft. 
  • Der zu einem beträchtlichen Teil unproduktive Schuldenüberhang lähmt die globale Wirtschaft. Damit sie wieder Tritt fassen kann, muss dieser Überhang abgebaut werden. Doch wie?” – bto: Die Frage, um deren Antwort die User von bto und ich schon lange ringen. 
  • Es gibt im Normalfall nur drei Wege, wie Schulden abgebaut, respektive das Verhältnis von Schulden zu BIP gesenkt werden kann. Erstens, indem die Schuldner zurückzahlen. Zweitens, indem die Gläubiger abschreiben. Und drittens, indem die Wirtschaft nominal schneller wächst als das Schuldenvolumen.” – bto: alles keine erfreulichen Aussichten. 
  • In der ersten verzichtet der Schuldner auf Ausgaben und setzt die gesparten Mittel ein, um Schulden abzustottern. Wenn jedoch viele Schuldner gleichzeitig ihre Ausgaben kürzen, sackt die aggregierte Nachfrage zusammen. Im schlimmsten Fall droht eine deflationäre Depression, mit dem Resultat, dass das BIP schneller schrumpft als der Schuldenberg.” – bto: wie in Griechenland zu besichtigen. 
  • “Die zweite Option ist der Default: Gläubiger schreiben im grossen Stil ihre Guthaben ab. Doch die Gläubiger sind in erster Linie die ohnehin fragilen Banken. Müssten diese Milliardenguthaben abschreiben, würden zahlreiche Institute kollabieren.” bto: was nichts anderes bedeutet, als dass die privaten Gläubiger verlieren (über ihre Lebensversicherungen etc.).
  • Wachstum, drittens, ist einfacher gewünscht als erreicht. Die Zentralbanken versuchen mit ihrer Geldpolitik seit 2009 genau das: das nominelle Wachstum durch höhere Inflation zu steigern. Doch die Nullzinspolitik hat den perversen Nebeneffekt, dass sie den Schuldenzyklus weiter anheizt (…) und damit die Basis für die nächste Krise legt.” – bto: Gegen Wachstum sprechen nicht nur die hohe Verschuldung, sondern auch Demografie und schwache Produktivitätszuwächse. 

bto: Es gibt auch die Version der geordneten Restrukturierung, bei der der Schaden über Steuern verteilt wird. Also eine Einigung von Schuldnern und Gläubigern und eine Finanzierung der Verluste über eine Besteuerung beispielsweise von Vermögen. Dies setzte jedoch erheblichen politischen Mut voraus, der nirgendwo zu sehen ist. Deshalb wird es zu Option 2 kommen, in Europa gepaart mit Austritten aus dem Euro.

  • Eine vierte Option, eine Art Reset-Taste, wird als Tabu betrachtet: Helikoptergeld. Die Bank of Japan, das Fed, die Bank of England und die EZB halten Anleihen ihrer Heimatstaaten im Wert von mehreren Billionen Dollar in ihrer Bilanz. Sie könnten diese theoretisch mit einer Umbuchung zum Verschwinden bringen: indem sie sie zu zinslosen, ewig laufenden Anleihen umwandeln.” bto: wie auch an dieser Stelle immer wieder diskutiert. So hier: → Monetarisierung: Rettung oder Desaster?
  • Dieser Kniff, eine moderne Version der von Milton Friedman propagierten Helikoptergeldidee, ist mit horrenden Risiken verbunden. Die Finanzmärkte könnten abrupt das Vertrauen in die Währung verlieren, Hyperinflation könnte einsetzen, Politiker könnten sich daran gewöhnen, dass der Staat Geld umsonst kriegt.” bto: Tja, oder es merkt keiner und wir machen einfach weiter. Japan wird es uns vormachen. 
  • “… die gegenwärtige Ausgangslage ist bestechend klar. Erstens: Nach einem fast vierzigjährigen Kreditboom lastet auf der Weltwirtschaft heute der grösste Schuldenüberhang aller Zeiten. Zweitens: Das Schuldenvolumen ist so gross, dass es die Wirtschaft abwürgt. Das führt, drittens, zur Erkenntnis, dass der Schuldenüberhang abgebaut werden muss.” bto: ja. Bestechend klar, aber keiner will es wahr haben!

Fazit FuW: “Pick your poison

bto: Leider können wir nicht auswählen, denn dann wäre der geordnete Prozess, wie hier immer wieder gefordert, der beste.

→ FINANZ und WIRTSCHAFT: “Schulden und Sühne”, 23. Dezember 2016