Ruiniertes Deutschland – Warum wir nicht so reich sind, wie wir denken

Diese Besprechung meines Buches Das Märchen vom reichen Land von Erich Weede erschien in der F.A.Z.:

Der Finanzexperte und Publizist Daniel Stelter hat schon mehrere Bücher über Schulden und Vermögen geschrieben. Das sind offensichtlich eng miteinander zusammenhängende Themen. Denn was mancher für sein Vermögen hält, sind ja manchmal anderer Leute Schulden, hängt ja davon ab, ob Schuldner zahlen können und wollen. In seinem jüngsten Buch analysiert Stelter in elf Kapiteln, was im ergrauenden Deutschland alles schiefgelaufen ist, wobei unsere herrschenden Politiker den Löwenanteil der Verantwortung tragen. Die demographische Entwicklung ist zwar nicht Thema, aber dem Autor allzeit präsenter Hintergrund der Analyse.

Denn ein alterndes Land muss sich auf eine schrumpfende oder zumindest langsamer wachsende Wirtschaft einstellen, sollte durch Vermögensbildung vorsorgen, darf und muss keine Angst vor technologischem Fortschritt haben, der Arbeitsplätze gefährdet, weil es immer weniger einheimische Arbeitskräfte geben wird. In den ersten drei Kapiteln beschreibt Stelter das neue deutsche Wunder. Wir arbeiten gut, was sich an einem höheren Bruttoinlandsprodukt pro Kopf als in Frankreich oder Italien ablesen lässt, sparen mehr als die Menschen in diesen Nachbarländern, erreichen aber trotzdem ein geringeres Haushaltsvermögen. Wer den Unterschied zwischen Flussgrößen und Bestandsgrößen kennt, darf uns eigentlich nicht für reich halten, solange man eher Frankreich und Italien als Afghanistan oder Kongo als Vergleichsmaßstab wählt. Unsere Politiker möchten uns allerdings einreden, dass wir reich seien und deshalb immer hilfsbereit sein sollten.

Dabei wird nicht nur die demographische Entwicklung ausgeblendet, sondern auch, dass unser Exporterfolg aus vielen Gründen nicht dauerhaft ist: vom für Deutschland niedrigen Außenwert des Euros über den Zusammenhang von unseren Exporterfolgen und einer langfristig nicht tragbaren Verschuldung anderswo bis hin zu schwachen Produktivitätszuwächsen und schleichend abnehmender Wettbewerbsfähigkeit. Danach zeigt Stelter, dass es in einer Welt mit hoher und dynamisch wachsender Verschuldung problematisch ist, Kreditgeber zu sein. Deutschland ist nicht nur Weltmeister beim Exportieren von Waren, sondern auch von Ersparnissen. Die Schuldentragfähigkeit darf man nicht nur im Falle Griechenlands bezweifeln. Auch die Targetkredite, die sich in der Nähe der Hälfte des Auslandsguthabens bewegen, sind alles andere als sicher.

Um den im Ausland immer wieder angefeindeten Exporterfolg und damit zusammenhängend schwer durchsetzbare Forderungen zu verringern, möchte Stelter auch um den Preis mäßig steigender Staatsverschuldung lieber die heimische Infrastruktur sanieren, in Bildung und Digitalisierung investieren. Nach Stelter senken wir zwar bisher die expliziten Staatsschulden erfolgreich, aber zu Lasten von Zukunftsinvestitionen und mit einer dynamisch wachsenden impliziten Verschuldung, die mit nicht tragfähigen Alterseinkünften nur beginnen, sich mit der Euro-Rettung und der humanitären Zuwanderungspolitik aber fortsetzen.

Im achten bis zehnten Kapitel wird die Verschleierung von Kosten näher beschrieben. Dass die Zuwanderung von jungen Sozialleistungsbeziehern unsere demographische Krise nicht mildert, sollte klar sein. Stelter schätzt die Folgekosten der Zuwanderung seit 2015 auf die Größenordnung von 900 bis 1500 Milliarden Euro. Nach Stelters Schätzung liegen die Folgekosten der verfehlten Euro-Rettungspolitik in der Größenordnung von 1000 bis 2000 Milliarden Euro. Die Rentenreformen der großen Koalition dürften ebenfalls eine implizite Last in der Größenordnung von 1000 Milliarden Euro beinhalten.

Stelters Liste ist noch länger. Um Deutschland zu sanieren, bedenkt er viele Möglichkeiten: ein Ausscheiden aus der Eurozone, Änderung des Asylrechts, Steuerreformen vor allem auch unter dem Gesichtspunkt, Leistungsträger und damit Steuerzahler im Lande zu halten oder zur Einwanderung zu bewegen, weniger, aber studierfähige Abiturienten, einen Staatsfonds für Deutschland. Dass vernünftige Lösungen für die EU und den Euro Deutschland etwas kosten werden, ist Stelter klar. Er denkt an die Größenordnung von 1000 Milliarden Euro. Aber werden die Politiker den Mut haben, uns Deutschen die Illusion zu nehmen, wir seien reich, um uns auf die Zukunft vorzubereiten, dafür fit zu machen? Stelters Buch zu lesen, obwohl es sicher “nicht hilfreich” dabei ist, die nächste Wahl zu gewinnen, wäre ein Anfang.

Kommentare (17) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Thomas
    Thomas sagte:

    Wir (und damit meine ich ausdrücklich nicht Merkels “wir”) sind diejenigen die Männer auf den Mond gebracht haben. Und wieder zurück. Wernher von Braun und viele andere. Diese Genies sind aus dem Deutschen Volk hervorgegangen.

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    • Susanne Finke-Röpke
      Susanne Finke-Röpke sagte:

      @Thomas:

      Diesbezüglich kann ich Ihnen nicht widersprechen, aber man m.E. sollte der Vollständigkeit halber denke ich schon erwähnen, dass ein Teil dieser “Genies” (wie z.B. Wernher von Braun) auch an A4=V2-Raketen mitgearbeitet hat bzw. solche Dinge wie Zyklon B erfunden hat. Und dass andere deutsche Genies wie z.B. Albert Einstein entweder “strafausgebürgert” oder ins Exil vertrieben wurden (z.B. nach Israel oder in die USA) oder keines natürlichen Todes gestorben sind.

      Ich denke, zwei Weltkriege weniger und die Deutschen hätten heute mehr Wohlstand als derzeit tatsächlich, vom menschlichen Leid in den letzten 105 Jahren ganz abgesehen.

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  2. Thomas
    Thomas sagte:

    Die Frage wird sein: Haben wir nach dem kommenden Zusammenbruch den Willen und die Kraft ein neues Kapitel in der deutschen Geschichte aufzuschlagen. Oder endet unsere Nation auf so klägliche Weise als gescheitertes “buntes” zweite Welt Land.

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  3. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Erst einmal:

    Die Besprechung in der FAZ eröffnet dem Buch, d. h. vor allem der Diagnose über die ökonomische Befindlichkeit des Landes eine Leserschaft, die weit über die von WiWo und Manager Magazin hinausreicht.

    Das halt ich für bedeutsam.

    Davon abgesehen, sehe ich die Besprechung des Buches als eine Würdigung, die nicht werten will.

    Prof. E. Weede korrigiert auch nicht, lässt die Zahlen einfach so stehen als Meinung von Dr. Stelter.

    Interessant der Ausstieg mit der Frage:

    >Aber werden die Politiker den Mut haben, uns Deutschen die Illusion zu nehmen, wir seien reich, um uns auf die Zukunft vorzubereiten, dafür fit zu machen? Stelters Buch zu lesen, obwohl es sicher „nicht hilfreich“ dabei ist, die nächste Wahl zu gewinnen, wäre ein Anfang.>

    Was soll das?

    Politiker haben nicht den geringsten Anlass und wären todesmutig, uns Illusionen zu NEHMEN.

    Die Leute verlangen, dass die Politik austeilt und GIBT.

    Warum soll es also für Politiker ein ANFANG sein, ein Buch zu lesen, das Ihnen NICHT hilft, die nächste Wahl zu gewinnen?

    Der Prof. ist verwirrt.

    Er hätte an die Leser gewendet besser sagen sollen:

    Stelters Buch zu lesen, ist hilfreich für die Entscheidung, welche Partei anlässlich der nächsten Wahl mit der Regierungsverantwortung zu betrauen sei.

    Wenigsten das hätte ich erwartet.

    Mein letzter Satz würde allerdings gelautet haben:

    Stelters Buch zu lesen, ist hilfreich für die Entscheidung, welchen Parteien anlässlich der nächsten Wahl NICHT mit der Regierungsverantwortung zu betrauen seien.

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    • Susanne Finke-Röpke
      Susanne Finke-Röpke sagte:

      @Herrn Dietmar Tischer: Jetzt bin ich offen gestanden etwas erleichtert, dass ich anscheinend hier nicht die einzige bin, die mit dem Schlusssatz von Herrn Prof. Weede so ihre Probleme hatte. Nach den hilfreichen Hinweisen von Herrn Ott und Herrn Dr. Stelter hielt ich mich schon für eine Ausnahme.

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      • Thomas M.
        Thomas M. sagte:

        Mein Eindruck zu den beiden Schlusssätzen: Auf den ersten Blick “Fazit mit Aufruf und positivem Ausblick”. Bei näherer Betrachtung aber resigniert-fatalistisch.

        Eine rhetorische Frage (“haben sie den Mut?), die man wohl mit Nein beantworten kann, und ein Konjunktiv (“wäre ein Anfang”), was im Bereich des Möglichen liegt, aber wohl dort verbleibt, denn welcher Politiker will schon seine Wahl verlieren, um das langfristig richtige zu tun?

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Frau Finke-Röpke

        Sie haben eine Meinung geäußert und dieser wurden andere Auffassungen entgegengesetzt.

        Damit sind weder Sie noch die anderen eine Ausnahmen hier.

        Was den Schlusssatz von Prof. Weede anlangt:

        Damit haben nicht nur Sie und ich Probleme, sondern auch andere Diskutanten, wie Sie sicher festgestellt haben.

        Und selbst wenn Sie als einzige Probleme gehabt hätten:

        Sie haben zumindest an diesem Blog so etwas wie ein RECHT darauf, Probleme zu haben und diese offen zu äußern.

        Bleiben Sie mit oder ohne Probleme dabei.

    • Johannes
      Johannes sagte:

      @ DT: “Die Leute verlangen, dass die Politik austeilt und GIBT.”

      So ist es. Auf die erneute Wiedergabe der Einschätzung von de Tocqueville zur Entwicklung von Demokratien verzichte ich an dieser Stelle.

      Auf die Vernunft der Mehrheit der Wähler zu hoffen, eine Partei zu wählen, die, entsprechend den Vorschlägen von Herrn Stelter agiert, ist m.E. vergebens. Die Mehrheit der Wähler wird immer der Versuchung erliegen, sich selbst Wahlgeschenke zu bereiten. Die Parteien bedienen dieses Verhalten; hier wird das aktuelle Wahlgeschenk von Herrn Heil (SPD) gut beleuchtet:

      “Respekt vor der Leistung anderer ist zweifellos eine positive Eigenschaft, Respekt zu bekunden steht auch Politikern gut zu Gesicht. Aber als Kriterium für zusätzliche Soziallleistungen, die ohne Bedürftigkeitsprüfung wie „Kamelle“ unters Wahlvolk geworfen werden, taugt Respekt nicht. Heil sagt Respekt – und meint Stimmenfang.”

      https://www.tichyseinblick.de/kolumnen/mueller-vogg-gegen-den-strom/mehr-rente-fuer-potentielle-spd-waehler/

      Die CDU/CSU wird sich dem nicht verwehren…

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  4. Alexander
    Alexander sagte:

    Prof. Erich Weede ist ein guter Mann und seine Vorträge verraten einen messerscharfen Verstand, dem wie hierzulande üblich zuwenig Aufmerksamkeit zuteil wurde.

    Die Anerkennung von Herrn Stelter durch Erich Weede hat Wert, wenngleich Weede zurückhaltend bleibt.

    Es gibt absolut gute Leute in Deutschland, aber die Zeit für Verbesserungen läuft ebenso schnell ab, wie die Möglichkeiten Verluste zu verhandeln auslaufen.

    An Überzeugung durch das bessere Argument glaube ich nicht mehr, weil es flächendeckend am fruchtbaren Boden für gute Ideen fehlt. Die intellektuelle Insolvenz ist schon erfolgt https://youtu.be/8-s6IX4SwXg

    Antworten
  5. Nonkonformist sagt
    Nonkonformist sagt sagte:

    Das denken überlassen wir doch mal lieber den Pferden , da wir in der Bananenrepublik BRVD die größten Äxperten und Ackerdämiger haben. Politicker und die Wei0en aus dem Morgenland von Bonn bis Börlin.
    Dieses Spezialisten erzählen uns doch mindestens 10 mal uns göht so good nicht war. Ja mein Dötsch im Schland zeigt doch mein Vertrauen von den Blindgängern.
    _Na dann wird es zeit nach Kant sein Gehirn in Gang zu setzen!!!!!!!!!!!!!!!!

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  6. Susanne Finke-Röpke
    Susanne Finke-Röpke sagte:

    FAZ: “Stelters Buch zu lesen, obwohl es sicher „nicht hilfreich“ dabei ist, die nächste Wahl zu gewinnen, wäre ein Anfang.”

    Mit Verlaub, das empfinde ich als Unverschämtheit der FAZ gegenüber dem Autor. Es ist sehr wohl hilfreich, Herrn Dr. Stelters Buch zu lesen, wenn man die nächste Wahl gewinnen will. Ob man dann alle Ratschläge, die das Buch enthält, umsetzen will bzw. das eigene Parteiprogramm ändern will, ist noch eine andere Frage. Aber eine Auseinandersetzung mit der Materie auf dem Niveau von Herrn Dr. Stelter kann jeder Partei und jedem Politiker vor Wahlen m.E. nur gut tun, vor allem, was die Problemanalyse betrifft.

    In den 80er-Jahren hätte die FAZ eine Bundesregierung, die unrealistische Wirtschafts-, Finanz- und indirekt auch Geldpolitik betreibt, stark kritisiert. Heute zieht sie einen respektablen Autor in die unrealistische, da utopische Ecke. Kein Wunder, dass die FAZ seit 20 Jahren rückgängige Absatzzahlen hat; ich würde sie auch nicht abonnieren. Was will die FAZ denn mit solchen Mitarbeitern wie Herrn Weede ihren restlichen Lesern erzählen, wenn die nächste Wirtschaftskrise kommt?

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    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @Frau Finke-Röpke

      Die Einlassung mit dem “nicht hilfreich” in Anführungszeichen ist offenbar eine Anspielung auf eine berühmte, und sehr ungewöhnliche, Äußerung von Merkel zum Buch “Deutschland schafft sich ab” von Thilo Sarrazin. Damals im Sommer 2010 klang das so:

      “Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die jüngsten Äußerungen von Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin zu Ausländern in Deutschland als diffamierend kritisiert. ‘Das sind Äußerungen, die für viele Menschen in diesem Land nur verletzend sein können’, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch vor Journalisten in Berlin. Die Worte Sarrazins seien überhaupt nicht hilfreich, um bei der Integration voranzukommen. Die Worte des früheren SPD-Finanzsenators in Berlin seien auch nicht erforderlich gewesen, um auf die Probleme bei der Integration hinzuweisen, fügte Seibert hinzu.”
      https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/reaktionen-auf-sarrazin-bundesregierung-sarrazins-aeusserungen-sind-diffamierend-11024545.html

      Ich lese das nach der eigentlich wohlwollenden Rezension eher als eine Kritik an den Politikern, die sich davor scheuen, unangenehme Wahrheiten zur Kenntnis zu nehmen und sie lieber als “nicht hilfreich” abtun – aber den Satz kann man natürlich auch als versteckten Angriff auf Herrn Stelter interpretieren.

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      • Daniel Stelter
        Daniel Stelter sagte:

        Herr Professor Weede hat es sicherlich wie hier von Herrn Ott interpretiert gemeint. Ich hatte es auch so verstanden und finde die Rezession durchaus gelungen und wohlwollend.

      • Susanne Finke-Röpke
        Susanne Finke-Röpke sagte:

        @Herrn Ott und Herrn Dr. Stelter: Da war ich wohl zu schlecht vorgebildet, weil ich die Anspielung auf den deutschen Regierungssprecher nicht parat hatte, und habe Herrn Weede wohl unrecht getan. Freut mich, dass Herr Dr. Stelter das so sieht. Ich hoffe nur, dass breite Leserschichten der FAZ das nicht auch so verstehen wie ich anfangs, sonst entfaltet die Buchbesprechung eventuell nicht ganz die positive beabsichtigte Wirkung.

    • Nils Hansen
      Nils Hansen sagte:

      Ich glaube, hier ist Ironie am Werk, und es war durchaus nicht als Respektlosigkeit gemeint seitens des Autors

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