“Reich werden im Crash ist nicht so leicht”

Dieser Kommentar von mir erschien bei WirtschaftsWoche Online:

Die Börsen reizen zur Spekulation auf den großen Einbruch in diesem Herbst. Ein heißes Spiel.

Neuer Rekord im S&P 500. Wer wie ich immer skeptischer wird angesichts rekordhoher Bewertungen und Unternehmen, die nichts Besseres mit ihrem Geld anzufangen wissen als eigene Aktien zurückzukaufen sowie einer Wirtschaft, die in den USA einen letzten Rausch erlebt, mag daran denken, auf einen Crash zu wetten.

Es lohnt sich bekanntlich, wenn man richtig liegt. Der Milliarden-Gewinn von John Paulson der im großen Stil gegen die Subprime-Papiere wettete, die von dummen Investoren – gerade auch aus Deutschland, Stichwort IKB, gekauft wurden – ist legendär. Er und andere wurden im Buch und Film „The big short“ verewigt.

Starke Nerven

Buch und Film zeigen allerdings auch, dass man starke Nerven und geduldige Investoren haben muss, wenn man diese Spekulation mit fremdem Geld macht. Es kann deutlich länger dauern, als man denkt, bis die Märkte der eigenen Einschätzung folgen. Ich erinnere mich an die Diskussion mit einem Kollegen im Sommer 1999. Schon damals war die US-Börse heillos überbewertet. Dennoch war es viel zu früh, auf fallende Kurse zu setzen. Es ging noch einige Monate beschleunigt aufwärts. Schon John Maynard Keynes wusste, dass Märkte länger falsch liegen könnten, als man selber das Geld hat gegen sie zu wetten.

Auch in der Finanzkrise hat nicht mehr viel gefehlt und die Spekulanten gegen den Markt wären pleitegegangen, kurz vor dem Crash. Nichts dürfte frustrierender sein, als mit der richtigen Meinung sein Geld zu verlieren, nur weil man ein paar Monate zu früh dran war.

Das hat auch damit zu tun, dass man selbst in einer perfekten Blase mit der richtigen Strategie am Ende als Verlierer dastehen kann. Genau dies zeigt Rob Arnott von Research Affiliates in einer faszinierenden Studie “Yes, it’s a bubble – so what”. Als Beispiel nimmt er eine Blase, die nicht so bekannt ist, und zwar die der Börse von Simbabwe während der Hyperinflation.

Minus 95 Prozent in zwei Wochen

In nur drei Monaten (August – Oktober 2008) stürzte der Simbabwe-Dollar von 10 auf 1000 pro US-Dollar. Was zunächst positiv für die dortige Börse war. Die Bevölkerung flüchtete angesichts der Hyperinflation in Sachwerte und die Aktien verfünfhundertfachten sich innerhalb von nur acht Wochen. Das führte zu der Situation, dass sich die Aktien in US-Dollar gerechnet verfünfzigfachten. Die Freude war nur von kurzer Dauer. In den nächsten zwei Wochen verlor die Börse von Simbabwe 85 Prozent, während der Wert der Währung sich nochmals drittelte. In US-Dollar gerechnet verlor die Börse so 95 Prozent.

Danach ging es erst richtig los. Die Hyperinflation gewann an Fahrt. Die Kaufkraft zehntelte sich innerhalb einer Woche und die Börse fiel um 99 Prozent! In US-Dollar ein Verlust von 99,9 Prozent. Dann hörte die Börse in Simbabwe auf, zu existieren.

Wer das hat kommen sehen, hätte doch richtig Geld verdienen müssen, könnte man meinen? Die offensichtliche Strategie wäre doch gewesen, Aktien aus Simbabwe leer zu verkaufen. Ganz so wie die Vorbilder aus dem Big Short. Tatsächlich ist es aber nicht so leicht, wie Arnott vorrechnet. Während eine Blase nicht so schwer zu identifizieren ist, wie gemeinhin gerne angenommen, ist es nämlich viel schwerer daraus einen Gewinn zu schlagen. Das hat damit zu tun, dass Blasen am Ende noch mal so richtig aufgepumpt werden können. Selbst wenn man gewusst hätte, dass der Markt in drei Monaten auf null fällt, hätte man auf dem Weg dahin sein Geld verloren. Niemand hält eine zwischenzeitliche Verfünfzigfachung durch.

Riskant und teuer

Auf fallende Kurse zu setzen riskant und teuer. Die möglichen Verluste sind, so man wirklich leer verkauft und nicht mit Optionen arbeitet, unbegrenzt. Doch auch wenn Optionen nur zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen, ist das schmerzhaft genug. Die Zeit spielt gegen einen und ist ein Faktor, den man nicht beeinflussen kann. Wäre die Finanzkrise nicht 2008, sondern erst 2010 ausgebrochen, wären Paulson und Co. namenlose Spekulanten, die viel Geld verloren haben, weil sie zu früh dran waren.

Doch was tun, wenn die Blase offensichtlich ist? Was, wenn man auf die Börsen blickt und feststellt, dass diese nur noch von den USA und dort von wenigen Werten gezogen werden? Was, wenn man den Zinsanstieg in den USA als das sieht, was er bisher immer war: als Auslöser für eine Rezession in den USA oder eine Krise in den Schwellenländern? Beides Szenarien, die mit fallenden Kursen einhergehen.

Profis rät Arnott sich vorsichtig von den Wettbewerbern abzusetzen, und zwar in einem Umfang, der zu einer maßvollen Underperformance führt, falls man (zeitweise) falsch liegt. Konkret auf heute bezogen bedeutet dies, weniger der hoch bewerteten und überkauften FAANG-Werte im Portfolio zu haben. Verhalten sich viele Investoren so vorsichtig – und aus eigenem Karriereinteresse werden sie es wohl tun – verlängert dieses vorsichtige Abweichen die Blasen allerdings. Dem professionellen Investor dürfte das letztlich egal sein, sichert er durch sein abgemindertes Verhalten doch seinen Job.

Besser in Anti-Bubbles investieren

Noch besser ist es, nach den „Anti-Bubbles“ zu suchen, also Märkten, die deutlich unterbewertet sind, weil sie gerade unter Druck oder unbeliebt sind. Im Jahre 2009 waren das Junk Bonds und Finanzwerte. Natürlich gab es da auch einige Pleiten und Ausfälle, der Sektor als Ganzes war auf jeden Fall ein Kauf. Heute sind die unpopulärsten Investments nach der jüngsten Umfrage der Bank of America unter anderem:

  • Schwellenländer
  • Großbritannien
  • Rohstoffe
  • Energie
  • Eurozone

Wer also nach einer Strategie sucht, mit der Überbewertung in vielen Märkten umzugehen, sollte eher sein Portfolio in jenen Bereichen aufstocken, die von der Herde vernachlässigt werden. Ich denke beispielsweise, dass Großbritannien auf mittlere Sicht deutlich besser dastehen wird ( „2030 wünschen wir uns vielleicht, wir wären ausgetreten“), als von vielen Beobachtern heute erwartet und vor allem besser als wir, die wir uns in der Illusion des „reichen Landes“ verlieren, während unsere Politiker den Wohlstand des Landes verbrauchen, statt die Grundlagen für die Zukunft zu legen.

Auch in den Schwellenländern liegt trotz der aktuellen Turbulenzen langfristig mehr Potential. Die doppelte Dividende aus Bevölkerungswachstum und besserer Bildung schlägt dann demografischen und bildungsmäßigen Niedergang hierzulande.

Wer auf Anti-Bubbles setzt, hat die Zeit auf seiner Seite, ganz anders als beim Versuch gegen die Blasen zu wetten. So interessant es sein mag, über den Zeitpunkt des Einbruchs zu spekulieren, so wenig praktischen Nutzen hat es. Anti-Bubbles verdienen derweil Geld.

Was tun beim System-Kollaps?

Alles schön und gut werden an dieser Stelle jene denken, die sich Sorgen machen, dass der nächste Einbruch an diesen von Notenbanken aufgeblasenen Vermögensmärkten den ultimativen Margin Call auslösen wird und das System zum Einsturz bringt. Armageddon also. Ganz ausschließen kann man das nicht, wie die Finanzkrise zeigt, wo nicht mehr viel gefehlt hat. Doch was ist die Investmentstrategie für einen solchen Fall?

Es gibt in einem Mega-Crash kein sicheres Investment. Nicht mal Bargeld und Gold sind dann sicher. Bargeld kann über Nacht für ungültig erklärt werden. Gold im Preis drastisch verfallen und privater Goldbesitz gleich ganz verboten werden. Alles schon mal da gewesen. Man sollte man natürlich Gold als Absicherung im Portfolio haben, aber nicht davon ausgehen, dass man wirklich als der große Gewinner im Fall der Fälle dasteht.  In einer Folge der genialen Fernsehserie „Der Tatortreiniger“ wurde diese Logik herrlich als herzlich naiv entlarvt.

 Besser ist es sein Geld unter der Annahme anzulegen, dass es eben nicht zum Armageddon Szenario kommt. Statt auf die Krise zu starren, sollte man seine Energie eher darauf verwenden, jene Assets zu identifizieren, die günstig zu haben sind und damit auf Sicht bessere Erträge bieten. Schon früh habe ich an die goldene Regel erinnert, wonach im Einkauf der Gewinn liegt.

 Zeit für Anti-Bubbles

Trotz neuer Rekorde an den US-Märkten ist es höchste Zeit, auf Anti-Bubbles zu setzen. Vieles spricht dafür, dass wir an den Märkten vor deutlich höherer Volatilität stehen. Steigende Zinsen sind ein Gift für hoch verschuldete Volkswirtschaften und hoch geleveragte Finanzmärkte. So wird es auch diesmal wieder sein.