Reform der Geld­ord­nung unaus­weichlich

Noch nie war die Welt so hoch verschuldet. Nach Berechnungen des Institute of International Finance (IFF) betrug die weltweite Verschuldung im zweiten Quartal dieses Jahres 296 Billionen US-Dollar, gut 36 Billionen mehr als vor der Corona-Pandemie. Dank der wirtschaftlichen Erholung lagen die Schulden mit 353 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung etwas unter dem Rekordstand des ersten Quartals, was nichts am grundlegenden Trend ändert: Seit Jahrzehnten wachsen die Schulden deutlich schneller als die Wirtschaftsleistung – vor allem in der westlichen Welt.
Jeder neue Dollar Schulden hat immer weniger belebenden Effekt auf die Realwirtschaft. Zuletzt waren vier Dollar neue Schulden erforderlich, um die Realwirtschaft um einen Dollar wachsen zu lassen.

Ausgangspunkt dieser Entwicklung war das Ende der Goldbindung des US-Dollars.  Seither befinden wir uns in einer Geldordnung, die faktisch unbegrenztes Schuldenwachstum ermöglicht. Entgegen verbreiteter Meinung bedarf es keiner Ersparnis, um Kredite zu vergeben. Vielmehr schaffen die Banken durch Kreditvergabe neues Geld. Entgegen verbreiteter Meinung bedarf es keiner Ersparnis, um Kredite zu vergeben. Vielmehr schaffen die Banken durch Kreditvergabe neues Geld. Das ist so lange kein Problem, wie diese Kredite produktiven Zwecken dienen.

Weltweit wächst jedoch der Anteil der unproduktiven Kredite, vor allem für den Erwerb von Vermögenswerten, wie Immobilien. Dieser Umstand erklärt auch den Anstieg der Vermögen: Ein knappes Gut (Immobilie) wird mit einem fast beliebig vermehrbaren Gut (Geld) nachgefragt.

Offensichtlich nähern wir uns dem Punkt, ab dem sich mit immer mehr Schulden kein Wachstum mehr erzielen lässt und die Zinsen immer tiefer sein müssen, um die Illusion der Bedienbarkeit des Schuldenberges aufrechtzuerhalten. Notenbanken und Staaten bereiten die letzte Phase, die direkte Staatsfinanzierung und die Monetarisierung der Schulden vor, getragen von ökonomischen Theorien wie der Modern Monetary Theory (MMT) und begründet mit dem guten Zweck des Kampfes gegen den Klimawandel.

Privaten Banken Möglichkeit der Geldschaffung nehmen

Besser wäre es, die Geldordnung grundlegend zu reformieren. Eine Variante bestünde darin, den privaten Banken die Möglichkeit der Geldschaffung zu entziehen. Ein Ansatz, der bereits in den 1930er-Jahren von führenden amerikanischen Ökonomen diskutiert wurde und selbst bei der sozialistischen Umtrieben unverdächtigen FINANCIAL TIMES Unterstützung findet. Ökonomen des IWF haben vor einigen Jahren nachgewiesen, dass diese Umstellung nicht nur möglich ist, sondern es auch erlauben würde, einmalig einen Großteil der bestehenden Schulden abzubauen – sozusagen ein echter Neustart.

Es ist unwahrscheinlich, dass wir dergleichen so bald erleben werden. Davor müssen wir erst die nächste und wohl letzte Phase der Schuldenpolitik durchleben. Es wäre im Sinne des hiesigen Wohlstands zu wünschen, dass die neue Bundesregierung die richtigen Schlussfolgerungen daraus zieht: in das Land investieren und den Bürgern dabei helfen, Vermögen in inflationssicheren Werten zu bilden.

handelsblatt.com: “Eine Reform der Geldordnung ist unausweichlich”, 29. Oktober 2021