Raus aus Deutschland

Dieser Kommentar von mir erschien nicht bei der WirtschaftsWoche. Er war so gesehen vorerst der letzte Beitrag von mir bei der Wiwo. Ob und wie es weitere Beiträge von mir bei der Wiwo geben wird, muss ich noch entscheiden. 

Statt eines Politikwechsels deutet sich ein beschleunigtes „Weiter-so“ an. Grund genug, Zuflucht im Ausland zu suchen.

Vieles spricht für vorgezogene Neuwahlen, vieles spricht für ein Kopf-an-Kopf-Rennen von Union und Grünen, vieles spricht dafür, dass wir es ab Herbst mit einer Bundesregierung unter Grünen-Führung zu tun haben. Vermutlich in einem Bündnis mit einer nochmals geschrumpften SPD und der Linkspartei.

Nicht, dass mich der Niedergang der GroKo angesichts der Misswirtschaft der letzten Jahre (→ hier ausführlich beschrieben ) sonderlich betrüben würde. SPD und Union haben es verdient, vom Wähler abgestraft zu werden, allerdings meines Erachtens nicht wegen der Klimapolitik, sondern wegen der wirtschaftspolitischen Weichenstellungen der letzten Jahre, die auf Konsum und Wahlgeschenke und nicht auf die Sicherung künftigen Wohlstands gesetzt haben.

Keine Besserung in Sicht

Allerdings besteht kaum Hoffnung auf Besserung. Keine der relevanten politischen Parteien thematisiert die dringend notwendigen Investitionen in die Zukunft des Landes. Im Gegenteil, es herrscht der Irrglaube vom „reichen Land“, das sich alle möglichen politischen Projekte leisten könne und durch staatliche Umverteilung nur „gerechter“ gemacht werden müsse.

Was droht, zeigt ein Blick auf den politischen Nachwuchs von Grünen und SPD:

So forderte die 24-jährige Studentin und Sprecherin der Grünen Jugend Ricarda Lang in der TV-Sendung „Hart aber fair“ „Wir wollen auch eine Zukunft haben“, ganz so, als würde der Klimawandel Deutschland demnächst unbewohnbar machen. Aus diesem Apokalypse-Szenario werden sodann allerlei radikale Forderungen abgeleitet, die im Kern auf eine beschleunigte Deindustrialisierung hinauslaufen. Vergessen wird angesichts der Hysterie, → dass der Anteil Deutschlands am weltweiten CO2-Ausstoß bei 2,2 Prozent liegt. Bei den Pro-Kopf-Emissionen liegen wir mit rund 8,8 Tonnen CO2p. a. auf dem 11. Platz, → weit hinter den USA, Kanada, Australien und selbst den Niederlanden und Japan. Im Jahr 2018 stieg der weltweite CO2-Ausstoß um mehr als zwei Prozent. Hauptverursacher waren China und Indien, gefolgt von den USA. In der EU gingen die CO2-Emissionen hingegen zurück.

Das bedeutet im Klartext: Selbst, wenn es uns gelänge, den CO2-Ausstoß quasi über Nacht auf null zu bringen, entspräche das dem Zuwachs des weltweiten CO2-Ausstoßes eines Jahres. Wer glaubt, nur durch drastische Maßnahmen hierzulande das Weltklima und damit die eigene Zukunft zu retten, kann nicht rechnen.

Ihr Kontrapart, Kevin Kühnert von der SPD, mittlerweile schon als Parteichef gehandelt, fordert derweilen die Kollektivierung von Unternehmen und die Enteignung von Immobilien. Begründet wird das mit der angeblich deutlich gestiegenen Ungleichheit im Land, obwohl Deutschland nach Daten der OECD zu gleichsten Ländern mit Blick auf die verfügbaren Einkommen gehört und das Land mit dem geringsten Armutsrisiko ist. Nur in Irland und Frankreich wird mehr umverteilt als bei uns.

Die Vermögensverteilung ist geringfügig ungleicher als im OECD-Schnitt, was allerdings am ausgeprägten Sozialstaat (weniger Anreiz und Möglichkeit zur privaten Vermögensbildung), an der Vorliebe der Deutschen für Sparbuch und Lebensversicherung, statt Aktien und Immobilien und dem hohen Anteil an Familienunternehmen liegt. Die Zunahme der Ungleichheit der Vermögen in den letzten Jahren ist eher Folge der Politik des billigen Geldes der EZB, die alle Vermögenswerte treibt. Deshalb müsste man dort ansetzen, statt eine Enteignungsdiskussion zu führen.

Dass mit Robert Habeck ein potenzieller Kanzler ebenfalls für Enteignungen als Mittel eintrittzeigt, wie weitgehend sich weite Teile der Politik von den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft entfernen.

Dirigismus statt Markt

Seit dem Amtsantritt Angela Merkels wurde keineswegs eine „neo-liberale Politik“ betrieben, wie in der Öffentlichkeit gerne behauptet wird. Alleine seit 2008 haben die Bundesregierungen unter ihrer Führung rund 460 Milliarden Mehrausgaben vor allem für soziale Bereiche verwendet. Insofern ist es erstaunlich, dass nun eine Umkehr und (noch mehr) Umverteilung gefordert wird. Andererseits passt es aber zu einer alternden Gesellschaft, die sich immer mehr auf die Bewahrung des Status quo und nicht mehr um die Sicherung der Zukunft kümmert.

Wirtschaftlich müssen wir uns auf eine weiter steigende Abgabenbelastung einstellen. Hinzu kommen tiefere Eingriffe in den Markt –vor allem im Bereich der Wohnungswirtschaft. Am stärksten dürften sich die Maßnahmen unter dem Deckmantel des Klimaschutzes auswirken. Ungeachtet der bis jetzt als gescheitert anzusehenden Energiewende, die uns zwar die höchsten Strompreise Europas beschert hat, ohne den CO2-Ausstoß nennenswert zu senken, stehen Grüne und SPD für eine noch konsequentere Fortsetzung einer Politik, die über Dirigismus, Verbote und Besteuerung den hiesigen CO2-Ausstoß senken wollen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass es auch wirtschaftlichere Wege gäbe, den Klimawandel zu begrenzen.

Nicht immer ist es der effizienteste Weg, CO2zu vermeiden. Billiger und effektiver dürften die Maßnahmen sein, die CO2binden. Vor allem muss man es sich leisten können, den Umbau der Wirtschaft zu vollziehen. Wenn wir so vorgehen wie beim Kohleausstieg und der Energiewende, werden wir uns finanziell übernehmen und damit die Voraussetzung für eine erfolgreiche Klimapolitik vernichten: unseren Wohlstand.

Wie schon beim Waldsterben, das sich dank der technologischen Maßnahmen nicht eingestellt hat setze ich auch beim Thema Klimawandel auf die Innovationsfähigkeit des Menschen. Vermutlich werden schon bald neue Technologien in der Lage sein, den CO2-Gehalt der Atmosphäre zu reduzieren.

Viele der neuen Technologien dürften sich rechnen, andere von der expliziten Besteuerung von CO2profitieren. Unternehmen und Länder, die in den kommenden Jahrzehnten diese Technologien erfinden und beheimaten, werden zu den ganz großen Gewinnern gehören. Zu den großen Verlierern werden jene Länder zählen, die den Wandel verschlafen.

Leider spricht wenig für Deutschland als Gewinner. Das zeigen unter anderem die 80 Milliarden, die dafür aufgewendet werden, um die wirtschaftlichen Folgen des Kohleausstiegs zu kompensieren. Es sind vor allem Wahlgeschenke, die staatlichem Konsum entsprechen, aber nicht die Grundlagen für künftigen Wohlstand legen. Ein weiteres Beispiel ist die jahrelange Subventionierung der Solarindustrie, die nun von China beherrscht wird.

Richtig wäre es, mehr Geld für die Entwicklung neuer Technologien bereitzustellen, ohne konkret vorzuschreiben, welche diese denn sein sollen. Auch wäre es höchste Zeit, Deutschland als Innovations- und Gründungsstandort attraktiver zu machen. Dies entspräche allerdings genau der gegenteiligen Politik: Senkung der Abgaben, Förderung der unternehmerischen Initiative und bessere Realisierung der staatlichen Aufgaben bei Infrastruktur und Bildung.

EU-Wohltäter statt Sanierer

Auch auf Ebene der EU und der Eurozone dürfte eine grün geführte Bundesregierung andere Akzente setzen. Ganz auf der Linie Macrons hoffen die Grünen darauf, durch „mehr Europa“ und vor allem mit „mehr europäischer Solidarität“ das Projekt zu retten. Immer wieder habe ich erläutert, dass eine Transferunion dem Euro bestenfalls Zeit kaufen, jedoch die grundlegenden Probleme nicht lösen kann. Eine Transferunion könnte gar nicht groß genug sein, würde die Ungleichgewichte innerhalb des Euro nur zementieren und wäre angesichts der deutlich ärmeren Privathaushalte in Deutschland auch ungerecht, entspräche es doch einer Umverteilung von arm zu reich.

Bankenunion und europäische Arbeitslosenversicherung finden auch bei der SPD Zuspruch. Deshalb dürften auf Ebene der EU die Sektkorken knallen, sollte sich diese Regierungskoalition einstellen. Richtig ist, dass der Euro dann eine längere Überlebensperspektive hat, weil europaweit auf mehr (schuldenfinanzierte) Staatsausgaben gesetzt wird und auch die EZB immer direkter in die Staatsfinanzierung einsteigen wird.

Dazu passt, dass die deutschen Kandidaten für die Präsidentschaft der Kommission und der EZB chancenlos sind. Man musste schon recht naiv sein, um zu glauben, dass es gelänge, Manfred Weber gegen den Widerstand Frankreichs durchzusetzen. Ebenso ist die Bereitschaft, einen Deutschen an der Spitze der EZB zu sehen, äußerst gering. Für wahrscheinlicher halte ich eine Kombination aus Margrethe Vestager als Kommissionspräsidentin und François Villeroy de Galhau als EZB-Präsident. Alternativ vielleicht noch die Kombination von Angela Merkel (allen Dementis zum Trotz) und Christine Lagarde. So oder so keine guten Aussichten für die deutschen Steuerzahler.

Kein guter Platz für Kapital

Wir müssen uns darauf einstellen, dass Deutschland sich noch mehr in Richtung einer grün gefärbten „DDR 2.0“ bewegt. Investoren werden damit vor erhebliche Herausforderungen gestellt:

  • Strategisch muss es darum gehen, außerhalb Deutschlands zu investieren: in Länder, in denen Eigentum garantiert ist und die zudem von den Maßnahmen zum Bekämpfen des Klimawandels profitieren. Dies dürften die angelsächsischen Länder und die Schweiz sein. Attraktiv bleiben die Schwellenländer, die von einer doppelten demografischen Dividende – Bevölkerungswachstum und steigendes Bildungsniveau – profitieren.
  • Ebenso strategisch muss man sich außerhalb der EU und vor allem der Eurozone positionieren. Eine Politik der Problemverschleppung durch mehr Umverteilung funktioniert nur so lange, wie der Bezahlende diese auch leisten kann. Angesichts des zu erwartenden und sich beschleunigenden wirtschaftlichen Niedergangs wird Deutschland auf Dauer gar nicht in der Lage sein, EU und Euro zu stabilisieren. Die unweigerlich aufkommenden Zerfallsbewegungen sind nur aufgeschoben. Kurz- und mittelfristig dürfte der Euro vom Kurswechsel in der deutschen Politik profitieren. Langfristig bleibt er ein Verkauf.
  • Operativ bietet der neue politische Kurs auch Chancen. So sind gigantische Subventionen des Staates zu erwarten. Wer immer Zugang zu diesen staatlichen Mitteln hat, dürfte in den kommenden Jahren enorm profitieren. Ein Bereich könnte die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung sein, wobei angesichts der Mietentwicklung auch Zwangsmaßnahmen, die zulasten der Vermieter gehen, nicht ausgeschlossen sind. Branchen und Unternehmen, die diese grünen Themen adressieren, sind damit ein eindeutiger Kauf, wobei man immer im Hinterkopf haben muss, dass die wahren Gewinner nicht aufgrund von Subventionen entstehen, sondern aufgrund von Innovation, weshalb man eher im Ausland investieren sollte.
  • Umgekehrt führt das Schicksal der einstmals stolzen deutschen Versorger vor Augen, was passiert, wenn die Politik einen radikalen Kurswechsel herbeiführt. Weitere Branchen dürften vor ähnlich tief greifenden Herausforderungen stehen.

Geht es dem Esel …

 … zu gut, geht er aufs Eis. So zumindest das Sprichwort. Nach zehn Jahren Aufschwung – getrieben von billigem Geld und schwachem Euro – kann man nur feststellen, dass wir vergessen haben, dass es der wirtschaftlichen Grundlagen bedarf, um soziale Gerechtigkeit und Maßnahmen zum Klimaschutz zu finanzieren. Wurde in den letzten Jahren vonseiten der Politik auf Verteilen statt Schaffen von Wohlstand gesetzt, steht uns ein noch radikalerer Weg bevor. Sind die Schlüsselindustrien einmal weg, die besten Köpfe ausgewandert und das Bildungsniveau bundesweit auf Berliner Niveau, wird das Land, das das Potenzial hätte, zugunsten seiner Bürger wirklich „reich“ zu sein, offensichtlich verarmen.