Putin stoppen

Im April hat der russische Staat mit Öl- und Gasverkäufen so viel eingenommen wie in keinem der vergangenen zehn Jahre. Russland profitiert vom Preisanstieg auf dem Markt, obwohl es Öl mit zum Teil enormen Rabatten nach China und Indien liefert. Es ist nicht so einfach, den weltgrößten Energieexporteur zu sanktionieren.

Wer es ernst meint im ökonomischen Krieg, muss den Weltmarktpreis für Öl, Gas, Kohle und Rohstoffe senken. Das geht nur über zwei Wege: durch Reduktion der Nachfrage oder über eine Angebotsausweitung. Beide Wege beschreiten die Politiker des Westens nicht konsequent.

Steigende Preise zwingen Verbraucher und Unternehmen zu sparen und drücken so die Nachfrage. Mögliche Nebenwirkungen sind eine Rezession und höhere Preise. Interveniert die Politik und verhindert den Preisanstieg durch Preisdeckel oder kompensiert ihn gar durch Steuersenkungen, tritt der gegenteilige Effekt ein. Die Nachfrage bleibt hoch und damit auch der Weltmarktpreis. Putin profitiert. Bleibt noch der Ersatz durch einheimische Energieträger, die nicht auf dem Weltmarkt gehandelt werden wie Braunkohle. Auch eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke würde die Nachfrage senken.

Aber auch die Erhöhung des Angebots ist schwierig. Deutschland hat kein Problem mit Fracking-Gas aus den USA, weigert sich aber, die hiesigen Gasvorräte trotz der mittlerweile deutlich umweltfreundlicheren Verfahren zu heben. Im Rest der Welt ist die Lage nicht besser. Wir sagen den Förderunternehmen von Öl und Gas seit Jahren, dass wir aus Klimaschutzgründen so schnell wie möglich nicht mehr bei ihnen einkaufen wollen. Wir erschweren die Finanzierung über ESG-Vorgaben, die Kredite teuer machen und rationieren. Wir verklagen die Unternehmen wegen der Klimaschäden, die sie anrichten und höchste Gerichte erklären sie für schuldig. Kein Wunder, dass sich die Investitionen in die Erschließung neuer fossiler Energiequellen seit 2015 mehr als halbiert haben. Und wenn die Gewinne dann aufgrund der Knappheit steigen, fordern wir Übergewinnsteuern.

Getrieben von der Klimaschutzagenda haben wir alles dafür getan, die Kasse Russlands zu füllen. Dabei ist der Weg in die erneuerbare Zukunft weit. Auch die Herstellung von Solarzellen und Windkraftanlagen ist ohne fossile Energien undenkbar. Wollen wir das ändern, müssen wir den Förderern von fossilen Energien das Signal geben, dass wir fossile Energien noch reichlich brauchen, sie nicht mit Strafen und Sondersteuern überziehen und aufhören, sie über die Steuerung der Kreditvergabe schlechter zustellen. Nicht morgen, aber zeitnah würde der Weltmarktpreis sinken und damit auch die Einnahmen Russlands.

Und das Klima? Wir sollten an dem wirkungsvollsten Instrument festhalten, das wir besitzen: einem Preis für CO2, sei es über Emissionszertifikate oder Steuern. Dieser Preis könnte überproportional steigen, je mehr der Weltmarktpreis sinkt.

handelsblatt.com: “Warum unsere Energiepolitik Putin mehr nützt als schadet”, 10. Juli 2022