Öko­kapitalismus ist die Lö­sung

„Viele Errungenschaften des Kapitalismus sind so segensreich, dass niemand sie missen möchte. Der materielle Wohlstand hat immaterielle Folgen. Nicht nur die Lebenserwartung hat sich verdoppelt, auch allgemeine Bildung, Gleichberechtigung und Demokratie werden erst möglich, wenn eine Gesellschaft reicher wird.“ Diese Feststellung trifft Ulrike Herrmann in der aktuellen Bibel aller Kapitalismuskritiker, dem Bestseller „Das Ende des Kapitalismus“.

Damit nicht genug: Die Redakteurin der „Taz“ erkennt die Innovationskraft dieses Wirtschaftssystems ebenso an wie die Tatsache, dass es mit dem Kapitalismus in den vergangenen 20 Jahren gelungen ist, die extreme Armut weltweit zu halbieren. Durchaus eine Erfolgsgeschichte, die im ersten Drittel des Buchs beschrieben wird und die nicht wenige Leser verwundert haben dürfte.

Doch leider, erklärt Herrmann, benötigt der Kapitalismus immer mehr Energie und Ressourcen. Dies würde die Welt ökologisch überfordern und in die Klimakatastrophe führen.

Das als Lösung postulierte „grüne Wachstum“ sei nichts anderes als ein politischer Marketingtrick, mit dem die Akteure darüber hinwegtäuschen wollten, dass weder Kreislaufwirtschaft noch erneuerbare Energien das heutige Wirtschaftssystem erhalten könnten. „Es ist wissenschaftlich unzulässig, Aussagen zu treffen, die gar nicht erforscht wurden. Unter Klimaökonomen ist dies aber leider die Regel“, stellt sie nüchtern und zutreffend fest.

Bleibt, so die konsequente Logik, nur noch der Verzicht. Keine privaten Autos mehr, keine Flüge in andere Städte. Wir dürften nur noch so wenig konsumieren wie vor 50 Jahren und müssten dabei auf einige lieb gewonnene, aber sehr energieintensive Lebensweisen verzichten.

Da der Kapitalismus aber nur stabil sei, solange er wächst – wie ein Fahrrad, das umfällt, sobald es sich nicht mehr bewegt –, müsste ein solcher Konsumverzicht zu einer schweren ökonomischen Depression führen.

Dieser könne der Staat nur begegnen, indem er sich am Vorbild der englischen Kriegswirtschaft im Zweiten Weltkrieg orientiert, den Unternehmen vorgibt, was zu produzieren ist, die Ressourcen zuteilt und den mehreren Millionen Menschen, die ihre Arbeit in Automobil- und Chemieindustrie und im Luftverkehr verlieren würden, neue Beschäftigung im Bereich des Klimaschutzes verschafft. „Ökosozialismus“ sei dies nicht, bliebe doch das Privateigentum erhalten, meint Herrmann.

Doch sowenig Privateigentum allein den Kapitalismus definiert – wie Herrmann ebenfalls feststellt –, genügt dessen vordergründiger Erhalt nicht, um nicht im Sozialismus zu enden. Private Immobilieneigentümer wurden in der DDR auch nicht enteignet, es wurden nur die Mieten gedeckelt, und Instandsetzungen waren nicht zu finanzieren, abgesehen von den fehlenden Materialien. Das Ergebnis war im Stadtbild ostdeutscher Städte sichtbar.

CO2-Bepreisung noch nicht ausreichend genutzt

Genauso wie damals die Immobilien verfallen sind, würden die neuen, nun staatlich gelenkten Privatunternehmen enden. Ohne Innovationsdruck, ohne Möglichkeit der Finanzierung und ohne Belohnung für den Unternehmer.

Ob die auf diesem Weg geschaffene „gleichere Gesellschaft“ wirklich glücklicher wäre, wie Herrmann postuliert, darf genauso bezweifelt werden wie, dass Deutschland auf diesem Weg zum viel beschworenen Vorbild für die Welt wird. Unternehmerisch denkende Menschen werden im Ausland leicht eine Zuflucht finden und somit den Niedergang hierzulande beschleunigen.

Ohnehin verwundert die Schlussfolgerung des Buchs. Da der Kapitalismus das dynamischste, innovativste und am besten die Armut bekämpfende Wirtschaftssystem ist, wie auch Ulrike Herrmann anerkennt, springt es zu kurz mit der Behauptung, dass die Bepreisung von CO2 mit Steuern oder Zertifikaten nicht genügen würde, um einen Wandel zu bewirken. Bis jetzt wurde das Instrumentarium wesentlich unzureichend genutzt, vor allem wegen der fehlenden Einbeziehung der größten Emittenten von CO2, namentlich der USA und China.

Deutschland kann das Weltklima nicht im Alleingang retten. Selbst, wenn es gelänge, hierzulande morgen klimaneutral zu werden, entspräche der Effekt weniger als der jährlichen globalen Steigerung der CO2-Emissionen. Viel besser wäre es, konsequent deutlich mehr Mittel für Forschung und Entwicklung zur Verfügung zu stellen, um so die klimaneutralen Technologien zu entwickeln, die die Menschheit braucht.

Ein Ökosozialismus wird weder das Weltklima retten noch zu einer glücklicheren Gesellschaft führen. Der Ökokapitalismus wird das schaffen. Deutschland hat die Wahl, welchen Pfad es verfolgen will. Die Welt wird den kapitalistischen Weg gehen.

→ handelsblatt.com: “Ökokapitalismus ist die Lösung für die Klimarettung”, 19. Februar 2023