“Kurz vorm Platzen”

Dieser Kommentar erschien bei Cicero.de:

Die Deutsche Bank muss Gerüchte um Staatshilfen dementieren, die Commerzbank baut massiv Stellen ab und die Politik verweigert sich der Realität. Die Finanzkrise hat nur Pause gemacht. Jetzt ist sie wieder da.

Eigentlich sollte bei den größten deutschen Kreditinstitutionen doch endlich alles gut werden. Deutsche Bank und Commerzbank haben kräftig umgebaut, gespart, Manager ausgetauscht und immer wieder Milliarden am Kapitalmarkt besorgt. Jetzt sei das Schlimmste vorbei, haben die Sprecher immer wieder betont. Stattdessen zeigen die Krisenmeldungen der vergangenen Woche: Die große Illusion geht weiter. Wir werden belogen und wollen belogen werden. Ist die Wahrheit doch schrecklich und brutal. Unsere Ersparnisse sind zu einem guten Teil verloren, der Euro in der jetzigen Form nicht überlebensfähig und das europäische Bankensystem weit davon entfernt, auf einem soliden Fundament zu stehen.

Politische Inszenierung im Bundestag

Dazu gehört auch die politische Inszenierung, die wir im Bundestag am Mittwoch erleben durften. Da wurde EZB-Präsident Mario Draghi zu einem Gespräch empfangen und die anwesenden Politiker konnten ihm so richtig ihre Meinung sagen. „Schluss mit den tiefen Zinsen, Schluss mit der Enteignung der Sparer“ konnte man da als Forderungen hören. Schön kaschiert wurde, dass die Politiker die eigentlich Verantwortlichen für die Krise sind. Sie weigern sich die Realität anzuerkennen, die aus Überschuldung, Forderungsverlusten, einer dysfunktionalen Eurozone sowie einem unterkapitalisierten bis insolventen Bankensystem besteht. Der EZB blieb gar nichts anderes übrig, als der Politik Zeit zu kaufen – die diese jedoch nicht nutzt.

Probleme der Deutschen Bank sind hausgemacht

Allerdings könnte der Zeitpunkt, zu dem die Illusion platzt, näher sein als gedacht. Die Commerzbank – eigentlich doch ein Beispiel für gelungene Rettung, wollte man uns weismachen – baut 9.600 Stellen ab. Die Deutsche Bank, bis jetzt voll des Stolzes in der Finanzkrise keine staatlichen Hilfen benötigt zu haben, muss Gerüchte um Staatshilfe dementieren. Das Gerücht, die Bundesregierung habe einem solchen Ansinnen eine Absage erteilt, wurde an den Kapitalmärkten mit massiven Verkäufen der Aktie quittiert. Klarer können die Aktionäre nicht zeigen, wie wenig sie der Deutschen Bank noch vertrauen.

Abgesehen davon, dass die Deutsche Bank sehr wohl von staatlicher Hilfe profitiert hat in der Finanzkrise – zum Beispiel mit der Rettung des Versicherungskonzerns AIG durch die US-Regierung – ist festzuhalten, dass die Probleme des Unternehmens hausgemacht sind. Es ist die Krise einer Bank, die in einem Weltfinanzmarkt mit zu vielen Schulden und zu geringer Kapitalausstattung das größte und riskanteste Rad dreht. Selbst wenn es einem Rufmord gleichkommt, dass der Internationale Währungsfonds sie für die gefährlichste Bank der Welt hält, ist auch das die direkte Folge des eigenen Geschäftsgebarens.

Bei einer Insolvenz wäre es mit der Illusion vorbei

Wäre die  Realität tatsächlich so, wie uns Banker und Politiker weismachen wollen, wäre eine Pleite der Deutschen Bank gar kein Problem. Das internationale Bankensystem wäre ausreichend kapitalisiert und abgeschottet, um einen solchen Schock zu verkraften. Die europäische Wirtschaft wäre nicht gefährdet und könnte ihre Erholung fortsetzen. Die Staaten und die Steuerzahler müssten sich nicht an den Kosten der Sanierung der Bank beteiligen. Kurz um: Es wäre, eine ganz normale Insolvenz, wie sie in einer Marktwirtschaft tagtäglich passiert. Ein nicht wettbewerbsfähiger Spieler würde ausscheiden und Platz machen für besser geführte Unternehmen mit überlegenen Geschäftsmodellen.

Leider ist dem nicht so. Käme es zu einer Insolvenz der Deutschen Bank, würde der laute Schrei erklingen: „Der Kaiser ist nackt!“ Natürlich könnte die Bundesregierung weiter behaupten, die Illusion sei Realität und es darauf ankommen lassen. Das entspräche einem nackten Kaiser, den man in einem Schneesturm ausgesetzt hat, um das Bild schief fortzuschreiben. Die Pleite von Lehman Brothers vor acht Jahren dürfte sich als ein Kindergeburtstag im Vergleich darstellen. Es käme zu der Krise, die damals mit viel Mühe verhindert wurde, nur noch schlimmer, sind doch die Schulden viel höher als vor acht Jahren und die Munition der Notenbanken weitgehend aufgebraucht.

Dilemma der Bundesregierung

Damit steht die Bundesregierung vor einem erheblichen Dilemma. Entweder sie akzeptiert das Ende der Illusionen und lässt eine neue Banken- und damit auch Wirtschaftskrise zu oder aber sie interveniert mit dem Ziel, Bank und Illusionen zu retten. Keine Frage, es wird wohl der zweite Weg sein. Zu brutal wäre die Bereinigungskrise.

Der Preis für das Festhalten an den Illusionen wird hoch sein. Neben den direkten Kosten für uns Steuerzahler durch die mehr oder weniger verdeckte Rettung der Bank sind es vor allem die indirekten Kosten, die schwer wiegen. Denn kurzfristig dürften dann auch andere Staaten fordern, dass man die eigenen Banken mit mehr Staatsschulden retten könnte, allen voran Italien. Damit wäre nach dem Stabilitätspakt auch die neue Regelung zur Bankenabwicklung in der EU nur noch Altpapier. Mittelfristig dürften die Schulden in der Eurozone immer weiter aus dem Ruder laufen, weil es keine Bereitschaft der Politiker gibt, dass Problem der zu hohen Schulden von privatem und öffentlichem Sektor zu lösen. Langfristig droht die Vernichtung von Schulden, damit einhergehende Vermögensforderungen und daraus folgend eine deutliche Inflation und ein Vertrauensverlust in unser Geld.

Die vergangenen acht Jahre haben wir nur so getan, als hätten wir die Finanz- und Eurokrise gelöst. Die Krise hat Pause gemacht. Nun ist sie wieder da.

→ Cicero.de: “Kurz vorm Platzen”, 29. September 2016