Klimawandel bedroht das Banken­system nicht

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Banken einem Stresstest unterzogen, um die Risiken aus der globalen Erwärmung in ihren Kreditbüchern zu erfassen. Für die 41 größten Banken des Euro-Raums lägen diese Risiken bei lediglich 70 Milliarden Euro, die sich aus den kurzfristigen Auswirkungen höherer CO2-Emissionspreise und extremer Wetterereignisse ergeben.

Bei 25 Billionen Euro Bilanzsumme und 1,6 Billionen Eigenkapital aller 113 von der Zentralbank beaufsichtigten Banken ist das keine ernsthafte Bedrohung. Selbst das Worst-Case-Szenario des 30-Jahre-Stresstests führte nur zu Verlusten in Höhe von weniger als 0,2 Prozent der Kreditsumme der Banken. Doch statt Entwarnung zu geben, betonte die EZB, dass 65 Prozent aller Banken schwach abgeschnitten, und kündigte an, beim nächsten Test härtere Kriterien anzulegen.

Warum die Verluste so niedrig sind, erklärte Stuart Kirk von der Großbank HSBC in dem Vortrag „Why Investors need not worry about climate risk” (auf Deutsch: Warum Investoren sich keine Sorgen über Klimarisiken machen müssen) so: Die Kreditlaufzeit bei HSBC liege bei sechs Jahren, ein Zeitraum, in dem selbst skeptischste Klimamodelle noch keine Katastrophen vorhersehen. Notenbanken, die trotzdem Gefahren ermitteln wollen, brauchen daher zusätzliche Annahmen. So nimmt die EZB künftig eine heftige Rezession an.

Die Notenbanken von Dänemark und Großbritannien haben bereits stark steigende Zinsen in ihre Klimafolgenmodelle aufgenommen. Beides trifft das Bankensystem deutlich, was aber weniger mit Klimawandel als mit dem ökonomischen Umfeld zu tun hat. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Notenbanken auf eine Klimakrise mit Zinserhöhungen reagieren würden.

Kirk verlor nach seinem Vortrag den Arbeitsplatz. Besser erging es Forschern der Federal Reserve Bank of New York. In einer Studie fragten sie: „Wie schlecht sind Wetterkatastrophen für Banken?“ und antworteten: nicht wirklich schlecht.

Katastrophen erhöhen die Kreditnachfrage

Die Gründe mögen überraschen: Katastrophen erhöhen die Kreditnachfrage, was Verluste ausgleicht und die Gewinne größerer Banken sogar steigert. Kleinere Banken profitieren von lokalem Wissen und vermeiden es beispielsweise Hypotheken in Gebieten zu vergeben, in denen Überschwemmungen häufiger sind, als die offiziellen Hochwasserkarten vorhersagen.

Im Kern geht es der EZB um Steuerung der Kreditvergabe. Gemeinsam mit Organisationen wie Greenpeace bedauert sie, dass fast zwei Drittel der Einnahmen der Banken aus treibhausgasintensiven Branchen stammen.

Die brauchen wir aber noch, um den Übergang in eine klimaneutrale Welt zu schaffen. Wir haben mit dem CO2-Preis bereits ein ausreichendes Instrument, um dem Markt die richtigen Signale zu geben. Planwirtschaftliche Kreditsteuerung wird den Umbau unnötig ineffizient und teuer machen.

Um es mit Kirk zu sagen: „Besonders ärgerlich ist, dass die Zentralbanken, statt über die Inflation nachzudenken und zu erklären, weshalb diese außer Kontrolle gerät, zu viel Zeit mit Klimarisiken verbringen.“

handelsblatt.com: “Das Klimarisiko für Europas Banken wird überschätzt – sie könnten daran sogar verdienen”, 15. Juli 2022