Klimapolitik braucht eine Budget­restriktion

Politiker aller Parteien betonen angesichts der Bilder aus den überfluteten Regionen, dass es nun höchste Zeit sei, die Anstrengungen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes zu beschleunigen. Früherer Ausstieg aus Kohle und Verbrenner, noch höhere CO2-Preise, ein rascher Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. „More of the same“, nur schneller und konsequenter.

Dabei ist es höchste Zeit für einen Neustart in der Klimapolitik. Es muss uns zu denken geben, dass wir trotz Hunderten von Milliarden Euro für Klimaschutz und Energiewende im internationalen Vergleich weit davon entfernt sind, als Vorbild zu gelten. Eher im Gegenteil. Die wesentliche Ursache für dieses Scheitern liegt in der fehlenden Budgetrestriktion. Wir haben nicht definiert, wie viele Mittel wir als Gesellschaft pro Jahr für dieses Thema ausgeben wollen und können. Stattdessen wird so getan, als rechtfertigte die Herausforderung jeden beliebigen Einsatz an Mitteln. Die Folge: Es fehlt sowohl an Effizienz wie auch an Effektivität.

So wurden seit 2010 mehr als 340 Milliarden Euro für energetische Modernisierungsmaßnahmen in Wohngebäuden ausgegeben ohne einen spürbaren Einsparungseffekt. Die Ursache sind neben einem anderen Nutzerverhalten – die Menschen freuten sich, dass es statt 20 Grad nun 22 Grad warm im Wohnzimmer ist – falsche Sanierungsmaßnahmen, fördert der Staat doch, was am teuersten ist. Nicht, was am meisten bringt.

Dass es ganz anders gehen kann, demonstriert das vom Initiativkreis Ruhr gestartete Pilotprojekt in Bottrop. Seit 2009 gelang es dort, den CO2-Ausstoß von Wohngebäuden um 47 Prozent zu senken. Der CO2-Ausstoß pro Kopf liegt bei weniger als 40 Prozent des bundesdeutschen Durchschnitts. Burkard Drescher, der Geschäftsführer der zuständigen Innovation City Management Gesellschaft, erklärt dies mit einer altbekannten Regel. 80 Prozent des Ergebnisses erreicht man bekanntlich mit 20 Prozent des Einsatzes. Hätte ganz Deutschland seit 2009 so gehandelt, stünden wir bei weitaus geringerem Mitteleinsatz deutlich besser da.

Der BDI hat vorgerechnet, dass 45 bis 70 Milliarden Euro pro Jahr bis 2050 (1,2 bis 1,8 Prozent vom BIP) genügen würden, um die Klimaschutzziele zu erreichen, sofern wir dabei effizient und effektiv vorgehen. Die Politik sollte über dieses Budget streiten, nicht die Mittelverwendung zu definieren.

Wenn wir es dann noch schaffen, statt den Verzicht die Innovation in den Vordergrund zu stellen, könnten wir wirklich einen Beitrag zur deutlichen Reduktion des CO2-Ausstoßes in der Welt leisten. Technologien, die CO2 binden oder gar in Produktionsprozessen nutzen – Beispiel zur Kunststofferzeugung –, helfen dem Weltklima mehr als der zunehmend teure Weg, unseren eigenen Ausstoß zu senken, vor allem dann, wenn Politiker weiter glauben, besser zu wissen, wie wir die Ziele erreichen. Sie wissen es nicht. 

handelsblatt.com: “Koste es, was es wolle: Das sind die Fehler der deutschen Klimapolitik”, 1. August 2021