Karl Marx und Ihr Geld

Dieser Kommentar erschien in der Print-Septemberausgabe des Magazins Cicero:

Die Redaktion des Cicero hielt es für eine gute Idee dem Autor dieser Kolumne anlässlich des 150. Erscheinungsjubiläums des Kapitals von Karl Marx die Frage zu stellen, welche Lehren sich denn für Anleger aus der Lektüre der rund 2200 Seiten ergeben würden.

Die kurze Antwort kann nur lauten, sich von jeglicher Regierung, die den Ideen von Marx folgt, fernzuhalten. Ein Blick nach Venezuela verdeutlicht aktuell, was für ein schlechtes Umfeld sozialistische und kommunistische Regime aus Sicht von Kapitalbesitzern sind. Es droht Enteignung und völlige Kapitalvernichtung. Nicht besser war es in der ehemaligen DDR, die zum Zeitpunkt ihres Untergangs anerkanntermaßen bankrott war und den öffentlichen und privaten Kapitalstock des Landes weitgehend abgewirtschaftet hatte.

Viele Teile der Theorie von Marx bleiben umstritten und lassen sich auch nicht an der tatsächlichen Entwicklung der Wirtschaft festmachen. So ist es uns bisher immer wieder gelungen, Arbeitsplätze in neuen Industrien zu schaffen und damit die Verelendung breiter Bevölkerungsschichten zu verhindern. Auch die von Thomas Piketty in seinem Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ erneut aufgestellte These, wonach die Vermögen (= das „Kapital“) dauerhaft schneller wachsen als die Wirtschaftsleistung, hält einer genaueren Betrachtung nicht statt. In Wahrheit steht hinter dem Anstieg der Vermögen in den letzten 30 Jahren ein ebensolcher Anstieg der Verschuldung, die dazu genutzt wurde, vorhandene Vermögenswerte zu immer höheren Preisen zu kaufen, vor allem Immobilien.

Zutreffend dürfte jedoch die Erwartung von Marx sein, dass bei einem Anstieg der Gewinnquote zulasten der Lohnquote die Unzufriedenheit in der Gesellschaft wächst. In der Tat kann man historisch sehen, dass der Anteil der Löhne und Gewinne am Volkseinkommen über längere Zeiträume schwankt, sich also immer wieder die Gewichte zugunsten der einen oder anderen Seite verschieben.

In den letzten Jahrzehnten hatte bei dieser Betrachtung die Kapitalseite die Nase vorne. Die Ursachen dafür sind vielfältig. So haben einzelne Unternehmen neue Industrien geschaffen und erzielen heute traumhafte Gewinne (Apple, Facebook, Google). In anderen Branchen haben es sich die Unternehmen in kartellähnlichen Strukturen bequem gemacht und die Kartellbehörden versagen weltweit in ihrer Kernaufgabe, den erforderlichen Wettbewerb wieder herzustellen. Mit dem Eintritt Chinas und Osteuropas in den Weltmarkt erhöhte sich das globale Arbeitsangebot um mehrere hundert Millionen Menschen, die bereit waren und sind, für weniger Geld mehr zu arbeiten. Letztlich tragen auch die historisch tiefen Zinsen zu immer höheren Gewinnen bei.

Lange werden sich die Arbeitnehmer das nicht mehr bieten lassen. Eine Gegenreaktion ist nur eine Frage der Zeit. Hinzu kommt der einsetzende demografische Wandel. Weltweit dürfte das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften sinken, während die Nachfrage in einzelnen Sektoren wie der Versorgung der Älteren deutlich anzieht. Wir müssen uns auf steigende Löhne (aber auch stärkere Regulierung, siehe EU-Strafe für Google) einstellen, auch in der Kapitalanlage. Genau das scheinen die Märkte zu tun. Analysen zeigen, dass an der US-Börse in den letzten zwölf Monaten die Aktien von Unternehmen mit geringen Lohnkosten deutlich besser abgeschnitten haben, als Unternehmen mit hohem Lohnkostenanteil.

Sollte die Inflation wirklich deutlich anziehen und/oder die Politik beherzte Maßnahmen – vor allem im Kartellbereich – ergreifen, würde das die Märkte deutlich treffen. Besser man bereitet sich darauf vor. Auch ohne Revolution à la Marx kommt das Kapital dann unter Druck.