Interview mit der Wirtschafts­Woche zu Coronomics

Folgendes Interview führte die WirtschaftsWoche (WiWo) anlässlich des Erscheinens meines neuen Buches mit mir:

WiWo: Herr Stelter, Sie nennen Ihr neues Buch „Coronomics“. Ist das nicht nur eine hübsche Verpackung für die Verbreitung altbekannter Wirtschaftsthesen?

Daniel Stelter: Das könnte man meinen. Natürlich habe ich die Wirtschaftswissenschaft nicht neu erfunden. Ich denke sie nur neu und konsequent zu Ende gegen die schwere Krise, in der wir uns befinden, aber auch mit Blick auf den fragilen Zustand von Weltwirtschaft und Finanzmärkten schon vor dem Schock. In den kommenden Jahren werden wir wirtschaftspolitische Maßnahmen erleben, die wir uns bis vor kurzem nicht hätten träumen lassen. Und gerade wir Deutschen müssen uns mit dieser Realität auseinandersetzen, um nicht am Ende als die ganz großen Verlierer dazustehen.

WiWo: Sie gehen davon aus, dass es zu keiner Erholung kommen wird, wie wir sie sonst kannten. Solche Prognosen gab es auch nach der Lehman-Pleite, doch dann kam es anders. Wieso sollte sich das Muster nicht auch dieses Mal wiederholen?

Zum einen müssen wir anerkennen, dass die Weltwirtschaft sich bis Ende 2019 nicht wirklich von der Finanz- und der Eurokrise erholt hatte. Überall – selbst in Deutschland – lag das Niveau der wirtschaftlichen Aktivität deutlich unter dem Vorkrisentrend. Dies trotz massiver geldpolitischer Maßnahmen und einem weltweit ungebrochenen Schuldenwachstum. Hinzu kommt, dass diese Krise eine ganz andere ist. Sie trifft viel weitere Bereiche der Wirtschaft, die in normalen Rezessionen nicht so stark getroffen sind – ich denke an Gastronomie und Tourismus als Beispiele – und das dann auch noch viel härter. Letztlich zeigt die Erfahrung aus früheren Pandemien, dass das Wachstum danach geringer ist als vor der Krise. Packen wir dazu noch die demografische Entwicklung und die seit Jahren sehr schlechte Entwicklung der Produktivität, kommen wir zu einem sehr unerfreulichen Ausblick: Diese Krise verschärft alle schlechten Vor-Krisen-Trends und es wird schwer, das einfach wieder abzuschütteln.

WiWo: Noch ist das Zukunftsmusik. Wie bekommen wir überhaupt die Wirtschaft wieder ans Laufen?

Ich sehe die Politik der Bundesregierung sehr kritisch. Unternehmen brauchen Liquidität, aber sie können keine Schulden in dem Maße verkraften. Kredite – noch dazu verzinsliche – verzögern den Konkurs, verhindern ihn aber nicht. Und selbst wenn Unternehmen es überleben, können sie danach jahrelang nicht investieren, sondern müssen Schulden abtragen. Ich selber habe für ein künstliches Koma plädiert. Es müssten alle so gestellt werden, als wäre das Coronavirus nie ein Problem gewesen. Da das nicht geht, sollte das Finanzamt jedem Unternehmen und Selbstständigen ein zwölftel des Vorjahresumsatzes pro Monat einfach überweisen. Im nächsten Jahr würde man dann abrechnen. Wer den Zuschuss benötigt hat, darf ihn behalten, dann aber auch keinen Gewinn über dem Vorjahresniveau haben. Wer ihn nicht gebraucht hat, muss ihn erstatten. Das wäre fairer, transparenter und auch effektiver. Wie wir die Kosten danach verteilen, steht auf einem anderen Blatt.

WiWo: Und wenn es einen weiteren, eventuell noch schärferen Shutdown geben sollte, weil es eine zweite Infektionswelle gibt?

Das wäre eine Katastrophe für die Wirtschaft. Dann werden wir einen Schock bekommen, den wir nicht einfach kaschieren können. Noch mehr Unternehmen wären dann endgültig und unwiederbringlich am Ende.

WiWo: Wir sehen weiterhin eine große Uneinigkeit in der EU und den Mitgliedsländern der Eurozone, was die Krisenbewältigung betrifft. Ist es deshalb richtig, dass die Europäische Zentralbank wieder Feuerwehr spielt?

Wir haben gar keine andere Wahl. Die EZB wird in den kommenden Jahren eine noch größere Rolle spielen. Wir müssen anerkennen, dass Länder wie Italien, Spanien, Portugal und eigentlich auch Frankreich so hohe Schulden haben, dass sie sich nicht mehr weiter verschulden können, ohne dass die Solvenzfrage gestellt wird. Dies will man aber nicht offen zugeben und deshalb sucht die Politik händeringend nach einem Weg, Geld zu mobilisieren, ohne dass dies zu zusätzlichen Schulden in diesen Ländern führt.

WiWo: Wieso sind Sie gegen Eurobonds, wie sie Italien, Spanien, Frankreich, aber auch die SPD und die Grünen fordern?

Ich bin dafür, dass man offen sagt, um was es geht, und Dinge nicht verschleiert. Wenn ein Land so hohe Schulden hat, dass es sich nicht weiter verschulden kann, dann gilt das auch für gemeinsame Schulden. Das bedeutet dann, dass es nicht darum geht, die Zinslast durch gemeinsame Schulden zu senken – angesichts der EZB-Interventionen ist der Zinsunterschied ohnehin nicht so groß –, sondern es geht um die Übernahme von Tilgung. Nehmen wir an, die Eurozone nimmt gemeinsam 1000 Milliarden auf und wir tilgen nach Wirtschaftskraft – also dem Anteil, den ein Land am Bruttoinlandsprodukt hat –, dann läge unser Anteil bei 290 Milliarden. Fließt das Geld komplett in die Krisenländer, bedeutet dies nichts anderes, als dass wir 290 Milliarden an die anderen Staaten schenken. Ich finde, das kann man machen, doch dann sollte man es offen sagen und wir sollten es direkt aus Deutschland machen: mit Krediten, Direktinvestitionen und Schenkungen. Hinzu kommt: Ich glaube nicht, dass es bei dem einmaligen Instrument bleibt. Wir sind dann schnell bei gemeinsamen Schulden, ohne dass Steuern, Abgaben, Sozialleistungen etc. auf einem vergleichbaren Niveau sind. Das wäre nicht gerecht und würde europakritische Kräfte befeuern.

WiWo: Wie sähen denn bessere Lösungen aus, zum Beispiel Vermögensabgaben?

Tja, die sind nur bei uns populär, wie Äußerungen der Politik zeigen. Besonders problematisch finde ich, dass dieselben, die für Eurobonds sind, bei uns Vermögensabgaben fordern, sich aber nicht daran stören, dass die privaten Haushalte in den anderen Ländern deutlich vermögender sind. Wer – wie ich es getan habe – darauf hinweist, dass wir auf diese Weise vergleichsweise deutlich vermögenderen Haushalten helfen, wird schnell in eine nationalistische, anti-europäische Ecke gestellt. Dabei hat sogar die Bundesbank schon vor einiger Zeit in diese Richtung gedacht. Das ist bedauerlich. Es wäre nämlich auch im Interesse der anderen Staaten.

WiWo: Welche Zahlen legen Sie da zugrunde?

Nehmen wir Italien: Die Italiener haben nach Daten der Credit Suisse das größte Privatvermögen relativ zum Bruttoinlandsprodukt in Europa, noch vor den Schweizern. Zugleich haben sie die wenigsten Privatschulden, noch weniger als wir Deutsche. Eine einmalige Vermögensabgabe von 20 Prozent würde genügen, die Staatsschulden Italiens um 100 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt zu senken. Soweit muss man ja nicht gehen, aber schon eine Abgabe von 10 Prozent würde rund 990 Milliarden Euro in die Staatskasse spülen. Auch dann wären die Italiener noch deutlich vermögender als wir Deutschen. Nach einem solchen Schritt könnte der italienische Staat andere Steuern und Abgaben senken und müsste auch keinen Primärüberschuss, also einen Haushaltsüberschuss vor Zinszahlungen, erzielen. Das Wachstum – und das ist das große Problem des Landes – könnte so gestärkt werden und damit auch die Schuldentragfähigkeit. Dies nicht zu tun, und stattdessen auf gemeinsame Schulden zu setzen, verlängert nur das Leiden. Würde ich das wollen, wenn ich Italiener wäre? Natürlich nicht, solange es andere Geldquellen gibt. Und damit sind wir beim Kernproblem der Diskussion. Aber nochmals: Ich finde, wir sollten den Italienern helfen und direkte Zahlungen leisten. Aber es wäre gut, sie würden einen Eigenanteil bringen.

WiWo: Braucht es da nicht eine Neuordnung, was Notenbankpolitik im Zusammenspiel mit den Staaten betrifft?

Die bekommen wir garantiert und das zeichnete sich schon vor Corona ab. Im Zweiten Weltkrieg und den Jahren danach war eine sehr enge Kooperation zwischen Staaten und Notenbanken üblich. Sowohl Großbritannien wie auch die USA haben so den Krieg finanziert und danach über lange Zeit die Zinsen deutlich unter die nominale Wachstumsrate der Wirtschaft gedrückt. Heute haben wir – glücklicherweise ohne Krieg – ähnlich hohe Schuldenstände wie damals. Diese so abzutragen, wie wir Deutschen uns das vorstellen durch höhere Steuern und eine Politik der schwarzen Null, ist völlig illusorisch. Eine Gesellschaft hält das nur aus, wenn die Wirtschaft deutlich wächst und Handelsüberschüsse erzielt. Das ist aber in den kommenden Jahren nicht leicht zu erzielen und per Definition können nicht alle Länder der Welt Handelsüberschüsse erzielen. Deshalb bleibt kein anderes Szenario: Die Notenbanken werden in unvorstellbarem Umfang Schulden der Staaten auf die Bilanz nehmen und letztlich zins- und tilgungsfrei erklären. Monetarisierung nennt man das. Das Dümmste, was Deutschland machen kann, ist, hier Geisterfahrer zu spielen. Wenn wir sparen und Steuern erhöhen, Vermögensabgaben und Lastenausgleiche beschließen, senken wir den hiesigen Wohlstand, während wir mit Partnern in einem Boot sitzen, die schon bisher die Notenbank aggressiv genutzt haben. Sowohl Irland wie auch Spanien haben durch ihre Notenbanken die Sanierung der eigenen Banken finanziert. Die so geschaffenen Euro gelten auch bei uns. Auch jetzt denken sie in diese Richtung wie der spanische Vorschlag ewiger Anleihen zur Finanzierung des „Wiederaufbaufonds“ zeigt. Am Ende landen auch die bei der EZB.

WiWo: Was schlagen Sie vor?

Besser wäre es, wir würden aktiv vorangehen und vorschlagen, die Schulden aller Staaten, also auch die deutschen, bis zu einem bestimmten Anteil vom jeweiligen Bruttoinlandsprodukt in einem gemeinsamen Entschuldungsfonds zu bündeln, den dann die EZB finanziert. Zins- und tilgungsfrei. Das hätte den Vorteil, dass auch wir Schulden abbauen können, und dass es kein Blankoscheck ist, sondern ein einmaliger Betrag. Ich weiß, dass viele Leser an dieser Stelle den Kopf schütteln und sagen, dass kann man doch nicht machen! Doch, und es wird kommen. Das Schlimmste was wir machen können – hier wiederhole ich mich – ist nicht mitzumachen.

WiWo: Ganz sicher werden ja die Schulden von Staaten, Unternehmen und vermutlich auch Konsumenten weiter steigen. Wirkt die Geldschwemme nicht deflationär, weil Preisüberwälzungen in einer festgefrorenen Wirtschaft kaum drin sind?

Der Corona-Schock wirkt massiv deflationär. Die hohe Verschuldung wirkt stark deflationär. Die Zombifizierung der Wirtschaft, die wir seit Jahren mit dem immer billigeren Geld befördern, wirkt ebenfalls deflationär. Deshalb führt die aktuelle Politik auch nicht zur Inflation. Die Krisenbekämpfung in der Welt versucht, einen deflationären Kollaps abzuwenden. Aber die große Frage ist, was kommt danach?

WiWo: Von Inflation war viel die Rede in den vergangenen 20 Jahren, gekommen ist sie in den entwickelten Industrieländern aber nie. Warum sollte das diesmal anders sein?

Zunächst droht keine Inflation. Aber die Welt ändert sich: Wir bekommen eine Abkehr von der Globalisierung, damit steigen die Kosten. Wir bekommen vermutlich noch mehr Protektionismus, damit steigen die Kosten. Wir bekommen mehr staatliche Interventionen – siehe die Überlegungen des französischen Präsidenten Macron zur Zukunft der europäischen Wirtschaft –, damit steigen die Kosten. Hinzu kommt der einsetzende demografische Wandel, der ebenfalls zu steigenden Löhnen führt. All dies spricht zunächst für Kostendruck, der sicherlich nicht leicht über die Preise weiterzugeben ist. Die Margen der Unternehmen kommen also unter Druck. Nur wird es nicht zu einer deutlichen Belebung der Wirtschaft kommen. Deshalb redet die Politik ja bereits von „Wiederaufbaufonds“, obwohl es gar nicht zu einer Zerstörung von physischem Kapital gekommen ist. Vermutlich wird der Fokus auf der Bekämpfung des Klimawandels liegen. Da dies mit einer Entwertung vorhandenen Vermögens einhergeht – Ölheizung, Autos mit Verbrennungsmotor, etc. werden verboten – und damit zu echter Zusatznachfrage führt, ist es absehbar, dass es zu einer Rückkehr der Inflation kommt. Geringere Angebotskapazität und höhere Nachfrage werden es bewirken.

WiWo: Was würden Sie Anlegern raten? Inflation ist für Anleihen sehr schlecht, für Aktien schlecht, für Immobilien und Gold könnte sie gut sein.

Kurzfristig denke ich, dass uns noch deutliche Rückgänge an den Börsen bevorstehen. Nur dank des billigen Geldes haben die Märkte sich erholt, aber man muss schon sehr optimistisch sein, wenn man davon ausgeht, dass billiges Geld allein genügt, während die Gewinne kollabieren und sich wohl lange nicht mehr auf das Vor-Krisen-Niveau erholen werden. Anleihen können auf kurz und mittlere Sicht eine gewisse Sicherheit bieten, solange der Schuldner solide ist. Gold gehört so oder so in jedes Portfolio. Mit Blick auf zehn Jahre würde ich trotz der Risiken an einem global diversifizierten Portfolio aus Liquidität, Aktien, Gold und Immobilien festhalten. Dies lässt sich über Fonds abbilden. Wichtig ist mir die globale Streuung, da ich davon ausgehe, dass die deutsche Politik – allen Mahnungen zum Trotz – der Versuchung nicht widerstehen wird, Vermögen hierzulande höher zu belasten. Im Kern läuft das auf eine Sondersteuer für Immobilien hinaus, da Unternehmen ausgenommen sind und die Immobilien die größte andere Vermögensposition darstellen. Das spricht gegen Immobilien in Deutschland. Hinzu kommt noch die ausgesprochen schlechte demografische Entwicklung.

WiWo: Wenn man sich die Gesamtwohlstandsperspektive aus Lohn- und Vermögenseinkommen angesichts des abzutragenden Schuldenbergs anschaut, wird Ihnen dann für die jüngeren Generationen nicht angst und bange?

Das hängt davon ab, welchen Kurs Deutschland jetzt einschlägt. Spielen wir Geisterfahrer und setzen auf höhere Steuern und Abgaben und weitere Kürzungen bei Investitionen im eigenen Land während wir anderen im Rahmen der europäischen Solidarität helfen, sehe ich schwarz für unser Land. Machen wir hingegen mit und nutzen den finanziellen Spielraum, um endlich mehr im Land zu investieren – Bildung, Infrastruktur, Innovation – dann könnte die Corona-Krise eine enorme Chance für unser Land sein. Dann hätte die nächste Generation auch in Deutschland eine gute Perspektive.

WiWo: Bliebe eine gute Ausbildung als beste Investition?

Immer.

→ wiwo.de: “Die Italiener sind noch reicher als die Schweizer – es wäre gut, sie würden einen Eigenanteil bringen”, 29. April 2020

Kommentare (11) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. asisi1
    asisi1 sagte:

    Das ganze Palaver hier ist so abstrakt, das der kleine Mann es nicht versteht. Für die masse zählt, was am Monatsende im Geldbeutel verbleibt und der Staat ihm nicht geraubt hat.
    heute zahlt ein kleiner normaler Angestellter oder Arbeiter, ca. 70-80% Steuern und Abgaben. Z.B. KFZ Steuer, Mineralölsteuer, GEZ und alle anderen Zwangssysteme, Zuzahlungen im Gesundheitswesen in immer höherem Maße usw. Und die letzten Jahre waren gut, man sieht es an den Steuereinnahmen.
    Und noch etwas zum Wahlvolk. Menschen die eine Partei wählen, wo die Vorsitzenden von Kobolden reden, welche die Energie speichern, werden ewig vom Staat alimentiert werden müssen!

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  2. Tobias Riedner
    Tobias Riedner sagte:

    Hallo Herr Stelter,

    ich bin ein Leser Ihres Blogs und erfreut über Ihre logisch-deduktiven Thesen. Personen wie Sie mit Fachwissen und Meinung sind selten.

    Ein Tipp zur Suchmaschinenoptimierung. Wenn beide Partner (WiWo und Sie) den gleichen Text veröffentlichen, dann werden beide abgestraft. Am besten ein Partner verändert den Text.

    Besten Gruß

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  3. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    >WiWo: Bliebe eine gute Ausbildung als beste Investition?

    Immer.>

    Mehr denn je, wenn sie zur Auswanderung in erfolgreichere Länder befähigt, was angesichts der dargelegten Unsicherheit unserer weiteren Entwicklung eine Option sein sollte.

    Man muss allerdings erst einmal verstehen, WAS diese Investition ist:

    Es ist eine IN sich SELBST und zwar der etwas anderen Art.

    Heißt:

    Man muss sich so BEMÜHEN, dass die Zeit und die Anstrengungen, die man aufbringt, hinreichend sind, einen in die Lage zu versetzten, anderswo – auf weitgehend UNBEKANNTEM Terrain – „Rendite“ zu erbringen, was bedeutet:

    Ein befriedigendes Leben zu führen.

    Eine derartige Investition ist eine andere als die, an der Uni einen Befähigungsnachweis zu erlangen, um damit möglichst problemlos in Staatsdienst zu wechseln.

    Antworten
  4. Johann Schwarting
    Johann Schwarting sagte:

    @Stelter
    Das
    “Deshalb führt die aktuelle Politik auch nicht zur Inflation. Die Krisenbekämpfung in der Welt versucht, einen deflationären Kollaps abzuwenden. …
    ist sehr richtig, wie Paul C. Martins historischen Betrachtungen zeigen.

    Im maßgeblichen Palgrave kommt der Begriff “Deflation” überhaupt nicht vor und zu “Inflation” steht da nur (Bd. 2, 832 ff.), dass die Geschichte neben Perioden steigender Preise auch zwischengesprenkelte Phasen fallender Preise kenne.

    – Zum Diamantenen Thronjubiläum Queen Victorias 1897 war niemand anwesend, der sich noch an ansteigende Preise erinnern konnte. Das 19. Jh. kannte nach dem Napoleonischen Kriegen nur ein gesamthaft sinkendes Preisniveau, was damals als “normal” empfunden wurde.
    – Die Preise in Babylon waren 1650 BC wieder so hoch wie 1800 BC, obwohl sie sich 1700 BC gegenüber 1750 BC verdreieinhalbfacht hatten.
    – Die Preise für Gerste und Öl in Griechenland lagen 350 BC wieder so hoch wie ca. 300 BC, obwohl sie sich zwischendurch ca. verfünffacht hatten.
    – So waren die Preise in Augsburg 1660 exakt wieder so hoch wie sie 1600 gewesen waren, obwohl sie sich zwischenzeitlich bis zu versechsfacht hatten.
    – Die Preise in England waren 1825 wieder auf dem Niveau von 1770/75.
    Langfristig herrschen in der ökonomischen Geschichte immer Deflationen vor.
    Quelle: https://archiv1.dasgelbeforum.net/index.php?id=57813

    So
    … Aber die große Frage ist, was kommt danach?”
    ist es. Die jetzt steigenden Geldsummen aus den massiven Verschuldungssummen und Haftungsübernahmen der Staaten dienen zuvörderst dazu, die Refinanzierung des bisherigen weltweiten Geflechts der Finanzierungen termingerecht mithilfe der global tätigen Beraternetzwerke zu ermöglichen, damit das System nicht sofort implodiert. Die Staaten werden alternativlos mit Billionen € und $ gegensteuern, um eine deflationäre Deflation zu verhindern. Nur ein Bruchteil dieser Summen erreicht die Basis der Ökonomie zwecks Schaffung von ‘new credits’, die systemisch zwingend notwendig sind. Die unendlichen Diskussionen um Corona dienen dazu, die zukünftig heftigen Korrekturen, wirtschaftlichen Abbrüchen und gesellschaftlichen Verwerfungen zu dissimulieren.

    Antworten
    • ruby
      ruby sagte:

      @Herr Schwarting
      Das Geld wird von der Zentralbank geschaffen.
      Die Banken produzieren die Kreditbuch(geld)mengen.
      Das sind die beiden verbundenen Grundlagen.
      Die Geldschein(bilder) sowie die Verwendungen(vertrauen) zeigen Form und Funktion.

      Antworten
  5. Felix
    Felix sagte:

    Auf den letzten Satz möchte ich den “Seewolf” zitieren: “Mein Fehler war, dass ich jemals meine Nase in ein Buch gesteckt habe.”

    Wir sehen weltweit, dass das klassische bürgerliche Bildungsideal nicht mehr automatisch zu hinreichend guten Ergebnissen führt. Hinzukommen muss wahlweise eine unternehmerische Sichtweise, oder eine neue Genügsamkeit. Die Menschen verarbeiten das unbewußt bereits. Deswegen finden wir in den Gesellschaften so massive Unterschiede in der Wahrnehmung der Realität. Beispiel USA: Aus Sicht eines Wählers der Republikaner sind die Meinungen der Anhänger der Demokraten vollkommen lächerlich, umgekehrt erscheinen die Ansichten der Republikaner den Demokraten reaktionär und gefährlich. (Man schaue sich die Umfragen zu Corona an: für die einen eine Grippe, für die anderen die Pest.)

    Antworten
    • Johann Schwarting
      Johann Schwarting sagte:

      @Felix

      “Deswegen finden wir in den Gesellschaften so massive Unterschiede in der Wahrnehmung der Realität.”

      Der Ausgangspunkt meines Beitrages ist Ferdinand de Saussures Einsicht, dass sich die inhaltliche Deutung des Zeichens – das Signifikat – nicht vom Gegenstand herdenken lässt, sondern sich in einer ausgedehnten und willkürlichen Abfolge der Abgrenzungen des Signifikanten zu allen anderen erschließt. Sie ist für die gegenwärtigen Betrachtungen essenziell. Der Signifikant (=Ausdrucksseite) bildet das Signifikat (=Inhaltsseite) eines Zeichens nie vollständig ab – die Zeichen gehen immer der Körperlichkeit voraus. Die Konkurrenz der Zeichen zu anderen Zeichen führt zu ihrer Relativität. Das bedeutet, dass der Sinn und die Deutungen der Sprache immer instabil bleiben. Die Zeichen haben keine außerhalb ihrer selbst liegenden Bezugspunkte mehr: der endlose Verweis aufeinander formt die Hyperrealität. Kommunikation erzeugt vielfache Fehldeutungen, weil die Bezugssysteme, die trotzdem gesucht und benötigt werden, unterschiedlich sind – sie ist oftmals ein ‘Aneinander-Vorbeireden’.

      Die Vertreter der Tauschökonomie – von wegen von ‘gleich auf jetzt’ – können auf der Grundlage ihrer Referenzsysteme von den Anhängern der Eigentumsökonomie und der debitistischen Deutungsversuche mit der Machttheorie nur sehr schwer beeindruckt und umgestimmt werden. Das gilt nicht nur für viele User und Leser des Blogs, sondern auch für den 42-jährige stellv. Fraktionsvorsitzenden Dr. Carsten Linnemann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: “Mir ist jedenfalls kein Beispiel auf diesem Globus bekannt, wo Verschuldung zu Wachstum und Beschäftigung geführt hat. Das Gegenteil ist richtig.”

      https://www.mit-bund.de/content/neustart-fuer-die-soziale-marktwirtschaft-gastbeitrag-wirtschaftswoche

      Jeder simuliert sich mithilfe der Zeichensysteme die Wirklichkeit zu seiner eigenen Realität, um im Hinblick auf die Deutung ökonomischer, politischer und gesellschaftlicher Phänomene seine eigene innere Ruhe, Geduld und Gelassenheit zu finden. Wir können die Denkweisen von Dr. C. Linnemann nicht ändern.

      Die ewigen Bestrebungen der gegenseitigen Revision von Ansichten gehen ins Leere. Ich denke, dass Modifikationen der persönlichen Sicht der Dinge nur über das individuelle Erleben von ‘choc’ und ‘punctum’ (Roland Barthes) gelingen können.

      Antworten
      • Felix
        Felix sagte:

        @ Johann:

        Da wären wir dann bei Dr. House: “Menschen ändern sich nicht.”

        Alles richtig, aber wir haben ja eine enorme Ausweitung der Sichtweisen erfahren, also ist eine Änderung zwar schwer, aber möglich, und muss also Teil aller Überlegungen, wenn diese zielführend sein sollen. Für meine Begriffe sind die MMTler extrem gefährlich und ich halte meine Position für von der Geschichte gedeckt. Das bestreiten die Anhänger der MMT ja auch nicht, sie sehen die Menschheit eher etwa auf einer höheren Evolutionsstufe angelangt. Was früher nicht ging, weil alle blöde Affen waren, dass geht heute, weil wir alle so liebe Engel sind. Ich erlaube mir, das zu bezweifeln.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Felix

        “Das bestreiten die Anhänger der MMT ja auch nicht, sie sehen die Menschheit eher etwa auf einer höheren Evolutionsstufe angelangt.”

        Tja, Sozialisten hatten immer schon einen Hang zur Volkserziehung und das Bestreben, irgendeine Art von “neuem Menschen” zu formen, mit dem dann endlich die sozialistische Utopie umgesetzt werden könnte. Das Prinzip bleibt immer gleich, nur die ideologischen Girlanden wechseln ihre Farben, von braun über rot zu grün.

        Gesetz über die Teilnahme der Jugend der Deutschen Demokratischen Republik an der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und über ihre allseitige Förderung in der Deutschen Demokratischen Republik, §2 Absatz 1:

        “Die Entwicklung der jungen Menschen zu sozialistischen Persönlichkeiten ist Bestandteil der Staatspolitik der Deutschen Demokratischen Republik und der gesamten Tätigkeit der sozialistischen Staatsmacht. Sie wird gewährleistet durch die Abgeordneten, die Leiter und Mitarbeiter der zentralen und örtlichen staatlichen Organe, der wirtschaftsleitenden Organe, die Leiter der Betriebe, Kombinate, Einrichtungen, die Vorstände der Genossenschaften, die Betriebe, Kombinate, Einrichtungen, die Vorstände der Genossenschaften, die ihnen unterstehenden Leiter und Mitarbeiter (im folgenden Staats- und Wirtschaftsfunktionäre) sowie durch die Lehrer und Erzieher. Sie wirken dabei mit allen Bürgern und allen in der Nationalen Front der Deutschen Demokratischen Republik vereinten Parteien und Massenorganisationen – vor allem mit der Freien Deutschen Jugend – zusammen.”
        http://www.verfassungen.de/ddr/jugendgesetz74.htm

        “Bestandteil der … gesamten Tätigkeit der sozialistischen Staatsmacht” – aber trotzdem gescheitert! Das war damals in der DDR also eindeutig kein richtiger Sozialismus, nächstes Mal wird die Umerziehung aber ganz bestimmt funktionieren. ;)

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Johannes Schwarting

        >Kommunikation erzeugt vielfache Fehldeutungen, weil die Bezugssysteme, die trotzdem gesucht und benötigt werden, unterschiedlich sind – sie ist oftmals ein ‚Aneinander-Vorbeireden‘.>

        Das sehe ich auch so.

        Kein Widerspruch, sondern Ergänzung dazu:

        Das Aneinander-Vorbeireden beruht nicht NUR auf Fehldeutungen, sondern vielfach auch auf SELEKTIV bevorzugten Bezugssystemen, die ihrer Unterschiedlichkeit wegen ein Aneinander-Vorbeireden geradezu provozieren, obwohl sie nicht falsch und daher vertretbar sind.

        Der FEHLER Linnemanns ist, dass er sein Bezugssystem zum DOGMA macht, d. h. unter ALLEN Umständen als richtig ansieht, und sich daher in eine falsche Aussage verrennen musste.

        >Ich denke, dass Modifikationen der persönlichen Sicht der Dinge nur über das individuelle Erleben von ‚choc‘ und ‚punctum‘ (Roland Barthes) gelingen können.>

        Das denke ich nicht.

        Es geht auch nicht so sehr um eine Modifikation der persönlichen Sicht, sondern mehr um die EINORDNUNG einer persönlichen Sicht im Kontext von Kommunikation und gesellschaftlich zu wollendem Handlungsimperativ.

        Ich glaube daher vielmehr, dass ein anderes kommunikatives Verhalten und damit auch die Fähigkeit, die persönliche Sicht der Dinge nicht mehr als ABSOLUT in die Kommunikation einzubringen, sondern sozusagen „hypothetisch“, voraussetzt, an SEINER Sicht der Dinge HABITUELL zu ZWEIFELN.

        Das heißt nicht, berufsmäßiger Zweifler zu sein.

        Diese Fähigkeit bzw. Einstellung ist nicht angeboren, sondern wird natürlich durch Erleben erworben.

        Dies setzt neben entwickelter Neugier auch „konstitutive“ Stärke voraus:

        Man muss AKZEPTIEREN können, dass es auch andere Sichtweisen gibt und man mitunter sogar falsch liegt, wenn man den faktischen Sachverhalten seiner Sichtweise nicht gerecht wird bzw. die Schlussfolgerungen seiner Sichtweise verallgemeinern will, obgleich sie auf selektiv wahrgenommener Wirklichkeit beruhen.

        Meine Lebenserfahrung sagt mir:

        Die allermeisten Menschen, auch gebildete, sind dazu nicht fähig, weil das Erleben sie nicht dazu „verführt“.

        Sie sind vielmehr beleidigt und werfen denen schon dann Arroganz vor oder – noch schlimmer – verorten sie als outsider in irgendeine Ecke, wenn diese ihnen lediglich aufzeigen, dass sie eine selektive Sichtweise haben, die nicht zu verallgemeinern ist und daher – in der Konsequenz – einen die Allgemeinheit betreffenden Handlungsimperativ nicht auslösen sollte.

        So ist z. B. die Sichtweise, dass die Vermögensverhältnisse in Italien KEINE Rolle spielen sollten mit Blick auf die Sanierung des Staatshaushalts, SELEKTIV.

        Da Dr. Stelter aufzeigt, dass sie hinsichtlich ihres Ausmaßes sehr wohl eine Rolle spielen könnten, zeigt er die Selektivität dieser Sichtweise auf und nimmt ihr den Alleinstellungsanspruch.

        Das wird nicht akzeptiert und er wird daher in die Ecke gestellt.

      • Johann Schwarting
        Johann Schwarting sagte:

        @ Felix

        “Alles richtig, aber wir haben ja eine enorme Ausweitung der Sichtweisen erfahren, also ist eine Änderung zwar schwer, aber möglich, und muss also Teil aller Überlegungen sein, wenn diese zielführend sein sollen.”

        Ich denke, dass wir in einem ersten Schritt zuerst versuchen sollten, die Schaubilder, die S. Homer & R. Sylla bzw. P. Schmelzing im Hinblick auf das Ende einer mehr als 5000-jährigen Zivilisationsgeschichte des Zinses erarbeitet haben, im Sinne von @Ashitakas Satz aus dem DGF vom 08.11.2014 zu interpretieren: “Tiefere und grundlegende Hinterfragungen der Ursachen und Zusammenhänge unserer Logik sind solange unmöglich, wie die Zeichen nicht genutzt werden, um einen Konflikt der Signifikate (Vorstellungen) zu entfachen.” Bisher habe ich weder Anhänger der ‘Geld ist einfach so da’-Fraktion noch Tauschtheoretiker vernommen, die das Ende einer mehr als 5000-jährigen Zivilisationsgeschichte des Zinses überzeugend erklären konnten – es herrscht nur eisiges Schweigen.

        https://think-beyondtheobvious.com/stelters-lektuere/2020er-jahre-alles-wird-gut/#comment-136518

        Vielleicht entfachen ja noch einige akademische Diskutanten und Kontrahenten der Ökonomie Diskussionen, die zu der Erkenntnis führen, dass die Ergebnisse der Autoren unumstößliche Naturgesetze sind – deren richtige Erschließung sicherlich noch etwas dauert wird – und dass sich aus dem tränenreichen Abschwung eines ‘Dark Ages’ (Elend) die lichte Höhe eines blühenden wohlverdienten Aufschwungs (Wohlstand) aufschwingt.

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