“Inflation? – Kein Selbstmord aus Angst vor dem Tod!”

Dieser Kommentar erschien bei WirtschaftsWoche Online:
Wenn alle das Gleiche erwarten, kommt es meist anders. Wenn die Deutschen plötzlich aktiv Geld anlegen, ist das der verlässlichste Indikator für eine Zeitenwende. Panik ist ein schlechter Ratgeber für Anleger. 

Londoner Analysten beobachten sehr aufmerksam, wie wir Deutschen unser Geld anlegen. Das ist nicht als Kompliment zu sehen. Im Gegenteil. Sind die Umsätze an der Stuttgarter Zertifikate-Börse besonders hoch, steigen die Profis aus den Märkten aus. Wir gelten, ähnlich wie die berühmten „belgischen  Zahnärzte“, als Indikator für bevorstehende Trendwenden an den Märkten. Leider zu Recht. Man denke nur an den Boom am Neuen Markt, nachdem Aktien bereits mehr als 15 Jahre weltweiten Aufschwung hinter sich hatten. Man denke an den wilden Kauf von US-Subprime-Anleihen, als die amerikanischen Banken vom „dummen Geld aus Düsseldorf“ sprachen.  Man denke an den Run aufs Gold, als es zu Höchstständen notierte. Wann immer man zu spät zur Party kommen konnte, waren wir Deutschen dabei. Zeit, dass wir uns dieser Realität stellen.

Geschäft mit der Angst

Auch heute ist es nicht anders. Obwohl Immobilien schon deutliche Preissteigerungen erlebt haben, nimmt der Kaufdruck weiter zu. Immer mehr Menschen erzählen von ihren Investitionen in Grundeigentum zur Alterssicherung und wie viel Wertzuwachs sie schon in kurzer Zeit erwirtschaftet haben  auf dem Papier. Risiken wie demografischen Wandel und zunehmende Regulierung – in Berlin wird beispielsweise ein fast absolutes Mieterhöhungsverbot diskutiert – blenden sie dabei völlig aus. Weist man vorsichtig darauf hin, wird einem die unmittelbar bevorstehende Inflation entgegenhalten, die sämtliche Geldvermögen vernichten würde. Da gäbe es nur den einen Weg: rein in die Sachwerte.

Regelmäßige Leser meiner Publikationen wissen, dass ich wegen der ungelösten Schulden- und Eurokrise erhebliche Risiken für Vermögen sehe. Diese wachsen mit jedem Tag der Krisenverschleppung weiter an. Jeder Reduktion von Schulden steht zwangsläufig eine entsprechende Erosion von Forderungen/Vermögen entgegen. Offen ist nur, auf welchem Wege diese Vernichtung eintritt: durch Pleiten, chaotischen Zerfall der Eurozone, Besteuerung/Vermögensabgaben, Inflation – oder von allem etwas. Vernünftige Geldanlage stellt sich auf jedes dieser Szenarien ein und setzt nicht auf eines alleine. Deshalb empfehle ich immer wieder die zwar langweilige, aber dafür langfristig Erfolg versprechende Diversifizierung auf Aktien, Immobilien, Gold und Cash mit gleichzeitig regionaler Streuung.

Der Anstieg der Inflation in Deutschland bietet die willkommene Gelegenheit, mit der Angst um das Geld Geschäfte zu machen. Realwertefonds erfreuen sich besonderer Beliebtheit und sind oberflächlich betrachtet natürlich die richtige Antwort auf ein inflationäres Szenario. So es denn kommt. Strukturell befinden wir uns nämlich nach wie vor in einem eher deflationären Umfeld mit anhaltendem Preisdruck. Dies liegt an verschiedenen Faktoren wie:

  • erheblichen Überkapazitäten in vielen Industrien
  • unbereinigte Schulden bei Banken und Unternehmen, die als Zombies zwar noch existieren, jedoch nicht zum Wachstum beitragen
  • der demografischen Entwicklung, die zu strukturell abnehmender Nachfrage führt
  • der anhaltend geringen Produktivitätszuwächse.

Einseitige Wetten

Gegen diesen Trend zur säkularen Stagnation kämpfen die Notenbanken mit immer aggressiveren Instrumenten an und allen Beteuerungen zum Trotz dürften wir das Ende noch nicht erreicht haben. Dass bisher trotz der gigantischen Ausweitung der weltweiten Notenbankbilanzen noch keine deutliche Inflation zu sehen ist, zeigt, wie stark der deflationäre Trend ist. Auch der Anstieg der Inflation in den letzten Monaten dürfte nur ein vorübergehendes Phänomen sein.

Inflation gibt es in diesem Umfeld nur in zwei Szenarien: Entweder es kommt zu einem grundlegenden Wandel in den vier genannten Faktoren – bisher noch nicht abzusehen – oder aber es kommt zu einer Zerrüttung des Vertrauens in Geld. Letzteres ist natürlich in Teilen schon zu beobachten, unter anderem in der Flucht in Sachwerte. Wie sonst lassen sich Kaufpreise von Mietimmobilien zum 50-Fachen der Jahresnettokaltmiete, wie in einigen Regionen Deutschlands zu beobachten, rechtfertigen? Von einem breiten Vertrauensverlust sind wir jedoch noch weit entfernt.

Vermögensrettung in der Inflation

Will man sich dennoch gegen das Risiko einer Inflation absichern, so sind die Antworten keineswegs so eindeutig, wie die Verkäufer einfacher Lösungen suggerieren. So zeigen Studien keine eindeutige Korrelation zwischen der Inflationsrate und dem Goldpreis, wie man eigentlich erwarten würde. Selbst Immobilien können in einem Umfeld von Inflation an Wert verlieren, weil die Zinskosten deutlich steigen. Gleiches gilt für Aktien.

Kommt es zu einer Inflation in normalem Rahmen, leidet alles. Liquidität ist in so einem Umfeld nur auf den ersten Blick eine schlechte Anlage. Ermöglicht sie doch, von steigenden Zinsen zu profitieren, während alles andere fällt. Wie anfällig praktisch alle Märkte für Zinssteigerung sind, habe ich hier bereits vor Monaten gezeigt. Wer also an eine „normale Inflation“ glaubt, sollte eher in Liquidität bleiben und erst kaufen, wenn die überzogenen Bewertungen zurückgekommen sind.

Glaubt man stattdessen an eine Hyperinflation als Folge der Notenbankpolitik – vielleicht noch verstärkt durch Protektionismus und Handelskriege – dann sollte man in der Tat voll auf Realwerte setzen. Verglichen mit dann zu erwartenden Preissteigerungen von mehreren Hundert Prozent spielt es wahrlich keine Rolle, wie viel man heute bezahlt. Man muss sich aber bewusst sein, dass diese Strategie, sollte die Hyperinflation ausbleiben, bestenfalls zu Nullrenditen führt – wie im Falle der Immobilie zum Faktor von 50 – oder aber zu garantierten Verlusten.

Doch selbst wenn die Hyperinflation kommt, dürfte die Freude nur von kurzer Dauer sein. Eine große Koalition der Verlierer wird sicherstellen, dass jene, die ihr Vermögen gerettet haben, zur Kasse gebeten werden. Die Geschichte ist voll von Sondersteuern auf Immobilien (Hauszinssteuer), Verboten von Goldbesitz bis hin zum Lastenausgleich.

Angesichts dieser Aussichten kommt die einseitige Wette auf die Inflation einem Selbstmord aus Angst vor dem Tod gleich.

→ WirtschaftsWoche.de: “Inflation? – Kein Selbstmord aus Angst vor dem Tod!”, 2. Februar 2017

Kommentare (6) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Baron
    Baron sagte:

    Herr Stelter eine Frage..
    Sehe ich das richtig das bei einem Zerfall der eurozone und der anschließenden Währungsreform in Deutschland hin zu einer dmark 2.0 oder einem nordeuro die Halter von Euros (Liquidität) in Deutschland die Gewinner sein dürften da die neue Währung dann massiv aufwerten würde (währungsgewinne)? Bei dem Szenario dürften dann doch die Immobilien Besitzer ziemlich schlecht aus der Röhre gucken da dieser Prozess extrem deflationär ist was immer eine Katastrophe für Immobilien gewesen war.

    Grüße

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  2. Ralph Klages
    Ralph Klages sagte:

    Ganz sicher ist es derzeit schon zu spät, um in Immobilien noch zu investieren. Die Preise sind auf den ersten Blick zu hoch. Man sollte sich aber auch klar machen, dass insbesondere Deutschland hier noch Nachholbedarf hat. Ich meine gelesen zu haben, dass Frankfurt immer noch auf dem vierzigsten Rang in Europa steht. Selbst München ist im Vergleich zu Paris, London oder Rom unterbewertet, nur um die zu erwartenden Preisspielräume zu verdeutlichen. Denn zukünftige Preisrückgang sind bestenfalls in der deutschen Provinz zu erwarten. Aber es gibt neben dem Grundmotiv einer Altersabsicherung und einer Hinterlassenschaft an die Nachkommen noch einen -im obigen Artikel nicht erwähnten- Anlagegrund in Immobilien: Die derzeit schwache Renditelage ohne Aussicht auf Besserung. Und da sind schon drei Prozent Nettomiete nach Steuern mindestens das Dreifache von Schäubles Langläufer. Und um diese wenigen drei Prozent geht es vielen Anlegern, auch wenn sie dafür einen Faktor, na sagen wir mal grob 30 in Hamburg oder Berlin, in Kauf nehmen. Und noch ein weiterer Gedanke: Wenn tatsächlich eine ernst zu nehmende Inflation entstünde, würden natürlich auch die Kreditzinsen steigen, was wiederum auf die Neubautätigkeit durchschlägt, sie würde nämlich abnehmen, was aber die Marktpreise der Bestandsimmobilien eher stabilisieren wird. A la long würde bei Inflation die Neubautätigkeit ebenfalls einer Teuerung unterzogen, so dass es besser ist jetzt zu kaufen, wo der Zins niedrig ist. Billiger wird es auf dem Immobilienmarkt definitiv nicht. Die anderen Europäer wissen schon, warum sie ihre Kohle in Deutschland anlegen. Ein Schalk, wer die DM dabei im Auge hat. LG

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    • mg
      mg sagte:

      Dann würde ich gerne mal einen Versuch machen und ein Beispiel durchrechnen. Wenn ich mit den zugrunde liegenden Zahlen falsch liegen sollte, nehme ich gerne Änderungsvorschläge entgegen.

      2,5ZKB, 79qm, Baujahr 1989, in einem Mehrfamilienhaus (4 Stockwerke, 10 Parteien) in guter Münchner Lage, Preis 500.000 Euro.

      50 Tsd. Nebenkosten für den Erwerb (Notar, Grunderwerbssteuer, ggf. Immobilienmakler), Eigenkapital 150 Tsd., Fremdkapital 400 Tsd., es lässt sich ein Zins von etwa 1,5% auf 10 Jahre vereinbaren.

      Wenn der Multiplikator bei 30 Jahresmieten liegt, dürfte eine Monatsmiete von 1390 Euro ( 500000 / (30*12) ) zu erzielen sein. Davon gehen ebenfalls monatlich 500 Euro ( 400000 * (0,015*12) ) Zinsen ab. Bleiben 890 Euro vor Kosten (Instandhaltung und Tilgungen) monatlich. Vor Kosten also eine Eigenkapitalrendite von etwa 7%p.a. ( (890*12) / 150000 ) bzw. eine Gesamtkapitalrendite von etwa 2,1%p.a. ( (890*12) / 500000 ). Das klingt doch super.

      Ok, schauen wir mal, wie das nach Kosten aussieht. Angenommen, wir tilgen mit 1% pro Jahr und legen 0,5% für Instandhaltungen und Reparaturen pro Jahr zurück. Macht nochmal 500 Euro ( 400000 * (0,015*12) ) pro Monat. Bleiben 390 Euro monatlich. Also immerhin eine Eigenkapitalrendite von etwa 3,1%p.a. ( (390*12) / 150000 ) bzw. eine Gesamtkapitalrendite von etwa 0,9%p.a. ( (390*12) / 500000 ). Immer noch besser, als gar nichts.

      Interessant wird es nach 10 Jahren. Wie hoch sind die Zinsen für die Anschlusshypothek? Ist Liquidität für eine Sondertilgung frei? Liessen sich Mietsteigerungen durchsetzen? Wie hoch ist der Marktpreis der Wohnung (immerhin bald 40 Jahre alt)? Ehrlich gesagt, wir wissen es nicht. Das hängt überwiegend von dem dann gültigen Hypothekenzinsen und der bis dahin stattgefunden Inflation ab.

      Wenn ich mal mehr Zeit habe, mach ich mir die Mühe und rechne drei verschiedene Szenarien durch.

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      • mg
        mg sagte:

        Szenario 1: überschaubare Inflation

        Angenommen die Preissteigerung im Januar 2027 beträgt im Vergleich zum Vorjahresmonat 4,2% und verfehlt damit knapp das offizielle Inflationsziel der EZB von 4%. Die Änderung des Inflationsziels wurde in diesem Szenario Mitte 2019 im Rahmen einer erneuten Bankenkrise vorgenommen und hatte massive Anleihekäufe der Notenbanken zur Folge. Der deutsche Staat hat im Jahr 2027 Refinanzierungkosten von durchschnittlich 3,3% (eine Mischung aus Lang- und überwiegend Kurzläufern) und es ist ihm in den vergangenen 10 Jahren nahezu unterbrechungsfrei gelungen sein Schulden-zu-BIP-Verhältnis langsam aber stetig zu reduzieren.

        Sie konnten Ihr Gehalt in den letzten Jahren um insgesamt 32% verbessern. Die Mietpreisbremse wurde vom Bundesverfassungsgericht in Teilen für verfassungswidrig erklärt und so war es Ihnen möglich, die Mieteinnahmen in den vergangenen Jahren immerhin um 20% zu steigern. In den vergangenen 10 Jahren haben Sie 10% der Hypothek getilgt und im Augenblick 60 Tsd. Euro Liquidität übrig, die Sie vor dem Abschluss einer neuen Hypothek ebenfalls zur Teiltilgung Ihres Kredites verwenden.

        Die ETW ist somit nur noch mit 60% beliehen. In der ETW stecken nun 200 Tsd. Euro Eigenkapital – die Nebenkosten für den Erwerb in Höhe von 50 Tsd. Euro tauchen in der Bilanz nicht mehr auf, das Geld wurde “ausgegeben” – und 300 Tsd. Fremdkapital. Die Miete beträgt inzwischen 1668 Euro pro Monat (siehe oben).

        Die Bank bietet Ihnen nun eine 10-Jahres-Hypothek an, deren Zinskosten 6,8% betragen. Ihr Bankberater empfiehlt Ihnen dringend auf 10 Jahre abzuschliessen, weil er aufgrund der veränderten politischen Lage davon ausgeht, dass die Inflation in den nächsten Jahren nochmals deutlich zunimmt.

        Dann sieht die Rechnung vor Kosten wie folgt aus:
        Einnahmen = 20016 Euro pro Jahr
        Zinsen = 20400 Euro pro Jahr
        Macht einen bescheidenen Verlust von 384 Euro pro Jahr.

        Nach Kosten sehe die Rechnung so aus:
        Einnahmen = 20016 Euro pro Jahr
        Kosten = 4500 Euro (3000 Euro Tilgungen, 1500 Euro Rücklagen) pro Jahr
        Zinsen = 20400 Euro pro Jahr
        Macht einen Verlust von 4884 pro Jahr.

        Uups. Na immerhin lässt sich ein Teil davon (Zinsen und Reparaturen) steuerlich absetzen.

        Die Bank sagt Ihnen, der Marktwert der ETW liege inzwischen bei 600 Tsd. Euro, also auch hier ein schöner Kursgewinn. Allerdings ist die ETW bald 40 Jahre alt und eine Renovierung wäre erforderlich. Die Eigentümergemeinschaft plant grössere Instandhaltungsmassnahmen für das Haus, ist sich über den Umfang aber noch nicht einig, zumal die Rücklagen auch für die kleineren Version (Dach und Heizungsanlage) nicht ausreichen. Sehr wahrscheinlich müssen alle Parteien Kapital nachschiessen.

  3. Stefan Bohle
    Stefan Bohle sagte:

    Ich stimme der These zu, dass in einem Umfeld strukturell überbewerteter Sachwerte Papiergeld immer noch relativ attraktiv und flexibel sein kann, auch wenn sein Wert durch durch die Notenbankpolitik eher verwässert wird. Allerdings trägt ein Halten von einer größeren Summe an Euros immer noch das Sonderrisiko eines Zerfalls der Eurozone mit anschließender chaotisch verlaufender Währungsreform in sich. Der Blick nach Frankreich, Italien, Griechenland, Niederlande, etc. zeigt, dass dieses Risiko ziemlich real ist. Und ob dann Franken oder Dollars die bessere Alternative sind, ist auch fraglich.

    Antworten
    • Wolfgang Selig
      Wolfgang Selig sagte:

      Wenn Herr Dr. Stelter von Liquidität schreibt, glaube ich nicht, dass er nur Euro meint. Ich verstehe ihn so, dass auch gängige, relativ stabile Fremdwährungen wie US$, aber auch kanadische, australische, neuseeländische $, Schweizer Franken, skandinavische Kronen, etc. gemeint sind, eventuell auch Yen und Renminbi/Yuan. Kommt natürlich auf die Vermögenshöhe und das Thema Nehativzins noch an.

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