Gold bleibt der Anker jeden Vermögens

Dieser Kommentar erschien im Juni 2016 bei WirtschaftsWoche Online. Da Gold auch zurzeit zur Schwäche neigt, eine gute Erinnerung daran, weshalb es in jedes Portfolio gehört.

Im letzten Dezember waren sich die Experten einig. Gold würde auch 2016 seinen Abwärtstrend fortsetzen. Die Deutsche Bank prognostiziert schon seit Juli 2015 Kurse von unter 750 US-Dollar die UnzeAlleine schon diese einhellige Meinung war Grund genug für meine Empfehlung, Gold aufzustocken. Seit Jahresanfang hat Gold rund 18 Prozent zugelegt, die Aktien von Goldminen noch deutlich mehr.

Kein Wunder, dass die Stimmung heute eine andere ist. Gold wird als Anlage gepriesen, die im Umfeld von Negativzins und Bargeldeinschränkung Sicherheit bietet und sogar einen realen Ertrag. Mit George Soros und Stanley Druckenmiller haben sich Legenden der Geldanlage positiv zu Gold geäußert und entsprechend gehandelt. Soros ist massiv bei Barrick Gold eingestiegen. Klares Zeichen für einen lang anhaltenden Bullenmarkt? Ich denke schon.

Wie immer wieder betont, haben wir es mit einer in ihrer Dimension einmaligen Überschuldung weiter Teile der Weltwirtschaft zu tun. Gepaart mit der demografischen Entwicklung und rückläufigen Produktivitätszuwächsen bleiben wir damit in einer wirtschaftlichen Eiszeit gefangen, die immer radikalere Maßnahmen der zunehmend überforderten Politiker und Notenbanker heraufbeschwört. Die Geld-Helikopter sind am Horizont schon zu sehen. Politische Radikalisierung, zunehmende Auflösungserscheinungen der EU und des Euro, Terror und militärische Spannungen senden ein deutliches Signal: Schon lange nicht mehr waren Ersparnisse und Vermögen so gefährdet wie heute.

Gold bleibt eine der wenigen Möglichkeiten, in diesem Umfeld Vermögen zu retten. Dabei darf man sich nichts vormachen: in der idealen Welt wäre es immer besser, in Produktivvermögen wie Unternehmen zu investieren. Gold erhält den Wert auf lange Sicht; das berühmte Beispiel, dass man für eine Unze im alten Rom eine gute Toga bekam und heute nun einen guten Anzug, illustriert das anschaulich. In wirtschaftlich vernünftigen Zeiten ist es sogar richtig schlecht, Gold zu halten. Wer im 15. Jahrhundert Gold gekauft hat und dieses in der Familie über Generationen immer weiter vererbt hat, erzielte über 500 Jahre einen realen Verlust von rund 90 Prozent. In diesen 500 Jahren gab es aber mehr als eine Gelegenheit, in der Gold eine wichtige Rolle zum Vermögenserhalt gespielt hat. So ist es auch heute.

Die faulen Schulden müssen aus der Welt geschaffen werden, wollen wir die Eiszeit überwinden. Wie das geschehen kann, ist bekannt: Pleiten, Besteuerung oder Inflationierung. Gold bietet eine Absicherung zumindest vor Pleiten und Inflation.

In einem Inflationierungsszenario könnte Gold sogar eine besondere Rolle zukommen. Je mehr die Notenbanken erkennen müssen, dass es in der Überschuldung eben nicht leicht ist, Inflation zu erzeugen, desto größer dürfte die Bereitschaft für ungewöhnliche Maßnahmen sein. Noch wird Helikopter-Geld, also die direkte Finanzierung der Staaten durch die Notenbanken, als der nächste Schritt gesehen. Doch auch hier könnte es sein, dass die Politik nicht den gewünschten Effekt erzielt.

Radikaler wäre eine Höherbewertung der Goldreserven in den Bilanzen der Notenbanken. Nehmen wir vereinfacht an, die Notenbanken der Welt würden ihren Goldbestand um 10.000 US-Dollar pro Unze aufwerten. Basierend auf den Goldbeständen von März 2016 ergäben sich dann folgende einmalige Aufwertungsgewinne der Notenbanken (überschlägig und gerundet):

• USA: 2615 Milliarden Dollar
• Deutschland: 1087 Milliarden Dollar
• Italien: 788 Milliarden Dollar
• Frankreich: 783 Milliarden Dollar

Diese Aufwertungsgewinne könnten die Notenbanken umgehend an die Staaten ausschütten, die damit Investitionen, Steuersenkung und Schuldentilgung finanzieren könnten. Der Charme an der Überlegung: es wäre sehr einfach umzusetzen, können doch die Notenbanken den Goldpreis in beliebiger Höhe festsetzen und anbieten, alles Gold der Welt zu diesem Preis aufzukaufen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich mit Professor Kenneth Rogoff, einer der anerkanntesten Experten für Schuldenkrisen, positiv zu Gold geäußert hat.  Bisher fiel er eher durch sein flammendes Plädoyer gegen Bargeld auf, vordergründig zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Terrorismus, faktisch zur Erleichterung von Negativzinsen und Bail-ins bei Bankensanierungen. In einem Kommentar lobt er Gold „als eine extrem risikoarme Anlage, die Durchschnittsrealrenditen etwa in Höhe derjenigen von kurzfristigen Anleihen erzielt.“ Er empfiehlt den Schwellenländern, ihre Währungsreserven mehr in Gold anzulegen, und sieht daraus folgende Preissteigerungen positiv. Diese würden „einen Teil der Lücke zwischen Angebot und Nachfrage nach sicheren Anlagen schließen, die aufgrund niedriger Zinsen entstanden ist“.

Die Schwellenländer wären in der Tat in ihrer Position als Gläubiger von einem Inflationierungsszenario deutlich getroffen und würden, Stand heute, von der Aufwertung von Gold wenig profitieren. Wichtige Staaten wie China und Russland haben in den vergangenen Jahren ihre Goldbestände deutlich aufgestockt, was zumindest von dieser Seite die Bereitschaft fördern dürfte, einen Weg der koordinierten globalen Inflationierung mitzugehen.

Selbst wenn Gold im Inflationierungsszenario keine zentrale Rolle spielen sollte, wird es so oder so von den Entscheidungen der kommenden Jahre profitieren.

Bleibt die Frage nach der Anlageform und dem Zeitpunkt des Einstiegs. Gold sollte in physischer Form gehalten werden, nicht über Zertifikate oder Metallkonten. Goldminen eignen sich zur Spekulation – reagieren sie doch mit erheblichem Hebel auf den Goldpreis – und zur Absicherung gegen das Szenario einer Beschränkung des privaten Goldbesitzes. In den 1930er Jahren waren nach dem Goldbesitzverbot unter Präsident Roosevelt die Aktien von Goldminen ein sehr gutes Investment.

Es kann gut sein, dass Gold in den kommenden Wochen und Monaten schwächer notiert. Die Märkte spielen mal wieder das Szenario einer Zinserhöhung in den USA durch, wohlwissend, dass sich die USA und die Weltwirtschaft höhere Zinsen nicht leisten können. Dies dürfte Gelegenheit bieten, den Bestand an physischem Gold aufzustocken. Bei Goldminen sollten Gewinne gesichert werden, um nach einem Rücksetzer wieder günstiger einzusteigen. Die Gefahr, die große Aufwertung von Gold durch die Notenbanken zu verpassen, ist – noch – gering.

→ WiWo.de: „Gold bleibt der Rettungsanker des Vermögens“, 2. Juni 2016