Geldpolitik – das Thema

Die Helikopter sind zu hören, noch sehen wir sie nicht. Kein Wunder, dass das Thema auch medial immer mehr in den Mittelpunkt rückt. So hat mir ein Freund einen Cartoon geschickt mit den Worten: „Du wirst immer mehr Mainstream.“ Damit spielt er darauf an, dass ich meine „Forderung“ nach 10.000 Euro für jeden schon 2014 erhoben habe. Um sicher zu gehen, keinen Ärger wegen Copyright zu bekommen, verzichte ich auf eine Wiedergabe an dieser Stelle – leider.

Das Thema, wie gesagt, wird immer breiter diskutiert. So in der NZZ vom letzten Freitag und auch in Beiträgen in der FINANZ und WIRTSCHAFT. Die Highlights:

  • Das Tabu von gestern ist die Normalität von heute. Diesem Leitspruch folgt die geldpolitische Debatte nun schon seit geraumer Zeit. Die jüngste Fantasterei (…) ist die Idee von Helikoptergeld. Zwar hat bisher noch keine Notenbank zu dieser extremen Form monetärer Lockerung gegriffen. (…) Bald neun Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise, in deren Verlauf bereits über 600 Zinssenkungen und Kaufprogramme im Umfang von rund 12 Bio. $ stattfanden, stellt selbst die Vorstellung, Geld vom Himmel regnen zu lassen, keine Unverfrorenheit mehr dar.“ – bto: nein. Und es kommt noch viel mehr!
  • „Dabei bleibt es stets das Ziel, Finanzspritzen direkt Unternehmen und Privathaushalten zu verabreichen, also den traditionellen Bankensektor zu umgehen. Geschehen kann dies, indem die Währungshüter das frisch gedruckte Geld ohne Umweg dem Privatsektor zukommen lassen, etwa über private Kontos bei der Zentralbank. Alternativ dazu ist aber auch die Zwischenschaltung des Finanzministeriums denkbar. Das neue Geld käme in diesem Fall zunächst dem Staat zugute, der in der Folge seine Ausgaben steigern oder Steuern senken würde.“
  • „Ob die Bürger mitspielen und das Geld ausgeben würden, ist unter Ökonomen umstritten. Skeptiker verweisen auf die ‚Ricardianische Äquivalenz‘. Der Begriff tönt kompliziert, sein Inhalt ist aber trivial: Er besagt, dass eine Steuersenkung unter gewissen Umständen die Konjunktur nicht anzuregen vermag. Und zwar dann, wenn Bürger zukunftsorientiert denken und erwarten, dass ein heute erhaltenes Steuergeschenk morgen zu einer höheren Steuerlast führt. (…) Wenn die meisten Konsumenten so denken, wird das monetäre Manna nicht verspeist, sondern für die künftige Steuererhöhung gespart.“ – bto: was angesichts der in vielen Bereichen hohen Verschuldung ein durchaus rationales Verhalten wäre.
  • „Wie viel von einem ‚Geldgeschenk‘ für Güter und Dienstleistungen ausgegeben wird, hängt von der Glaubwürdigkeit des Transfers ab. Um diese Glaubwürdigkeit zu stärken, fordern viele Verfechter von Helikoptergeld, die Lockerung dürfe nicht als eine rein temporäre Maßnahme erscheinen, sondern müsse als permanent wahrgenommen werden. Nur dann sei Helikoptergeld erfolgreich und erhöhe die Inflationserwartungen. Anders formuliert: Die Regierung und die mit ihr verflochtene Zentralbank müssen fiskal- und geldpolitisch möglichst unverantwortlich auftreten, damit die Übung den erhofften Effekt bringt. Denn eine stete Wiederholung monetärer Transfers würde zweifellos die Furcht vor einer (Hyper-)Inflation befeuern – und somit auch die Konsumausgaben.“
  • „Auf der Strecke bliebe bei einem solchen Experiment nicht nur die Unabhängigkeit der Zentralbank, die im Dienst der Regierung vor allem staatliche Finanzpolitik betreiben würde. Ruiniert würde auch deren Bilanz. So stünden der stetig wachsenden Passivseite vergleichsweise immer weniger Vermögenswerte auf der Aktivseite gegenüber. Von Verfechtern des Helikoptergeldes wird dieser Aspekt bagatellisiert. Sie betonen, dass eine Zentralbank auch mit negativem Eigenkapital funktionsfähig bleibt. Die Aussicht auf eine de facto insolvente Währungsbehörde, die ihr geldpolitisches Territorium hinter sich lässt (…) ist aber kaum geeignet, das Vertrauen in einen Aufschwung zu stärken.“
  • „Damit ihre Maßnahme glaubwürdig wäre und eine stimulierende Wirkung hätte, müsste sie ohne erkennbares Ende Das würde zwar die Inflation anheizen. Eine permanente Monetarisierung von Staatsschulden würde aber zugleich jedes Vertrauen in die Wertstabilität des Geldes zerstören. Und Geld, das kein Vertrauen mehr genießt, ist wert- und wirkungslos – selbst wenn es vom Himmel fällt.“

bto: soweit die nachvollziehbare Beschreibung der Situation. Doch, was fehlt, ist die Begründung, weshalb wir eigentlich überhaupt über solche Extremmaßnahmen nachdenken. Der Grund ist Lesern von bto wohlbekannt. Wir kämpfen gegen eine Überschuldung an, die die Realwirtschaft immer mehr unter sich erdrückt. Die Notenbanken können das Problem nicht lösen. Außer sie setzen auf Inflationierung massivster Art:

  • „Nach Jahrzehnten der immer höheren Verschuldung von Staaten, Banken und privaten Haushalten scheinen Zentralbanken zunehmend an einer Art ‚keynesianischem Endpunkt‘ anzukommen, ab dem die ultraexpansive Geldpolitik immer weniger wirkt. Wird nach der Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte, die auch durch ungedecktes Papiergeld ermöglicht wurde, irgendwann ein ‚Neustart‘ nötig?“
  • „Der Ökonom Daniel Stelter geht davon aus, dass dem so ist. Das derzeitige System neigt aus seiner Sicht dazu, ‚aus dem Ruder zu laufen. Aus seiner Sicht wäre in der vertrackten Situation mit immer höheren Schuldenbergen ein auf EU-Ebene ausgehandelter, geordneter Schuldenschnitt die beste Lösung. Die Chancen, dass dies passiere, seien aber gleich null. Vielmehr erwartet er, dass die Notenbanken mit ihrer ultraexpansiven Geldpolitik fortfahren bzw. diese sogar noch verschärfen und immer mehr Wertpapiere aufkaufen.“
  • „In der Schuldenkrise ist (…) der Point of no Return bereits seit Jahren überschritten. Die Eingriffe von Zentralbanken und Regierungen hätten solch große Dimensionen erreicht, dass sich diese wohl nicht mehr ‚zurückdrehen‘ ließen. Durch die ultraexpansive Geldpolitik drohe die Entwertung und letztlich die Zerstörung von Währungen.“

Gerade dieser Zusammenhang ist wichtig zu erkennen. Es geht nicht um Konjunkturbelebung, es geht um Lösung der Schuldenkrise. Vereinzelt werde ich als „Befürworter“ des Helikopter-Geldes gesehen. Das bin ich aber nur zum Teil. Es ist mir allemal lieber, das Geld allen zu geben, statt nur einer kleinen Gruppe von Privilegierten. So sollte der Cantillon-Effekt gemindert werden.

Deshalb haben Kritiker an der Geldpolitik natürlich recht, wenn sie dringend eine Abkehr von dem Irrweg einfordern. Doch dann müssen sie auch die eigentlichen Hintergründe erkennen und einen Vorschlag machen, wie wir das Problem stattdessen lösen sollen. So teile ich diese Kritik in der FINANZ und WIRTSCHAFT voll und ganz. Vermisse aber die Lösung:

  • „Ganz sicher ist es nicht die Aufgabe einer Notenbank, strukturschwachen Volkswirtschaften (wie bspw. Mario Draghis Italien) irgendwelche konjunkturelle Wachstumsschübe zu verpassen.“ – bto: Darum geht es ja nicht. Es geht darum, Italiens Pleite zu verhindern.
  • „Eine Zentralbank soll mit adäquaten Mitteln für einen stabilen Geldwert sorgen; die Politik soll mit vernünftigen Struktur-, Industrie- und Fiskalmaßnahmen Rahmenbedingungen schaffen, die es dem Privatsektor erlauben, sein Innovationspotenzial auszuschöpfen, Arbeitsplätze zu schaffen, Gewinn zu erwirtschaften, Wachstum sicherzustellen, damit schließlich Steuersubstrat entsteht.“ – bto: klar. Aber Reformen helfen nicht, wenn man schon pleite ist.
  • Negative Inflationsraten, die auf Effizienzsteigerungen, Globalisierung, sinkende Erdölpreise usf. zurückzuführen sind, haben nichts mit Deflation zu tun.“ – bto: klar. Aber Reformen helfen nicht, wenn man schon pleite ist. – bto: Das stimmt! Nur die Fähigkeit der Schuldner, ihren Verpflichtungen nachzukommen, wird dadurch weiter geschwächt!
  • Welche Krise? Die amerikanische Konjunktur brummt, verschiedene Länder Europas wachsen zufriedenstellend. Das Problem ist, dass ein paar Länder Südeuropas ihre strukturellen Probleme nicht anpacken. Da kann man so viele Helikopter schicken, wie man will, das verbessert die Strukturen nicht.“ – bto: Auch das ist richtig. Verkennt aber das eigentliche Problem. Wir sind im japanischen Szenario mit zu vielen Schulden gefangen.
  • „Das Problem ist nur, dass in dem Moment, als die Finanz- von der Staatsschuldenkrise abgelöst wurde, das Gefühl entstand, eine Zentralbank könne jede Art von Problem lösen – von kaputten Bankbilanzen über vermeintlich ungenügende Konjunkturzahlen, zu niedrige Inflation, zu hohe Verschuldung bis hin zu ungesunden Wirtschaftsstrukturen.“ – bto: Das stimmt sicherlich.

Was müssten wir denn tun, wenn die Notenbanken – wie ich auch denke – eigentlich die Falschen sind, um unsere Probleme zu lösen?

→ NZZ: „Flugwetter für Geldpolitiker“, 1. April 2016

→ NZZ: „Wohin führt die extreme Geldpolitik?“, 1. April 2016

FuW: „Notenbanken und Politik – zurück zum Kerngeschäft“, 31. März 2016