Die Bundes­regierung sendet fal­sche Signale

Die Bevölkerung im von 20 bis 66 Jahren wird nach Berechnung des Statistischen Bundesamtes von heute 51,8 Millionen je nach Zuwanderungsszenario bis 2050 auf 43,2 bis 47,4 Millionen schrumpfen. Schon bis 2030 verlieren wir 2,6 bis 3,5 Millionen potenziell Erwerbstätige. Weniger Erwerbstätige bedeutet weniger Wirtschaftskraft.
Wissenschaftler des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung Wien (Wifo) haben berechnet, dass wir schon bis 2040 mit einem Verlust des Pro-Kopf-Einkommens von rund 3700 Euro rechnen müssen.
Insgesamt wird das hiesige Bruttoinlandsprodukt um 274 Milliarden Euro niedriger ausfallen, als es bei konstanter Bevölkerung, eine Lücke, die in den nachfolgenden Jahrzehnten noch deutlich größer wird.

Steuern wir nicht gegen, wird der zu verteilende Kuchen schrumpfen, und die Verteilungskonflikte werden zunehmen. Produktivitätsfortschritte, die den Bevölkerungsrückgang kompensieren würden, sind nicht in Sicht.

Die Politik hofft deshalb auf erhöhte Zuwanderung. Doch Zuwanderung wird selbst im optimistischsten Szenario die Lücke nicht schließen können. Es ist unerlässlich, auf anderem Wege den Rückgang der Erwerbsbevölkerung zu bremsen. Ansatzpunkte gibt es.

In Deutschland ist die Arbeitszeit geringer als in anderen Ländern

So lag laut OECD die jährliche Arbeitszeit in Deutschland 2018 bei 1363 Stunden. Damit waren wir das Land mit der geringsten Arbeitszeit. In den USA (1786), Italien (1723), Spanien (1701) und Frankreich (1520) wird pro Jahr deutlich mehr gearbeitet.

Wollten wir den Rückgang der Erwerbsbevölkerung auffangen, müsste im Jahr 2030 jeder Erwerbstätige 1452 Stunden pro Jahr arbeiten und 1541 Stunden im Jahr 2040, so viel wie noch 1993.

Das scheint machbar, ist aber kein Thema in der Politik. Eine immer höhere Grenzbelastung mit Steuern und Abgaben macht es stattdessen unattraktiv, mehr zu arbeiten.

Bei immer höherer Lebenserwartung ist der Anteil der Jahre in Erwerbstätigkeit in den vergangenen Jahren gesunken. Das umzukehren ist nicht nur zumutbar, sondern auch eine Frage der Generationengerechtigkeit.

Auch dies ist gegenwärtig kein Thema. Die Bundesregierung verspricht im Koalitionsvertrag stattdessen unveränderte Renteneintrittsalter, Rentenniveaus und Beitragssätze. Im Zweifel werden andere Finanzquellen erschlossen.

Weiteres Potenzial liegt in der Erhöhung der Erwerbsbeteiligung. Zu viele Menschen im erwerbsfähigen Alter nehmen nicht am Arbeitsmarkt teil. Hier geht es um Befähigung, aber auch um Anreize.

Der Idee nach soll das neue Bürgergeld durch höhere Hinzuverdienstgrenzen und mehr Qualifikationsbemühungen helfen. In der Realität dürfte es durch den weitgehenden Verzicht auf Sanktionen das entgegengesetzte, falsche Signal senden.

Ungeachtet der erheblichen und dringlichen Herausforderungen des demografischen Wandels macht die Bundesregierung Politik mit den Rezepten der Vergangenheit. Diese sind nicht nur untauglich, sie schaden nachhaltig.