EZB-Entscheid: Sell the News

Da lag ich mit meinem Kommentar zur EZB am letzten Donnerstagmorgen gar nicht so falsch:

Heute tagt sie also wieder die Europäische Zentralbank. Gespannt blicken die Märkte der Welt nach Frankfurt und erhoffen sich die erlösende Nachricht: Noch mehr Geld – sei es in Gestalt von noch tieferen Refinanzierungszinsen, von noch negativeren Einlagenzinsen, von noch mehr Aufkäufen von Staatsanleihen oder gar einer Ausweitung des Programms auf Bankanleihen und Papiere mit zweifelhafter Bonität. Viel spricht dafür, dass die EZB diesmal nicht enttäuscht. Also geht es weiter im bisherigen Spiel, eine Solvenzkrise wie eine Illiquiditätskrise zu behandeln. Banken, Finanzmärkte und Finanzminister dürfte es freuen. Kauft die EZB doch wieder Zeit, und man kann darauf setzen, dass sich die Nachfolger mit dem dann noch größeren Problem herumschlagen müssen.

Was also als Investor tun? Auf den Börsenzug aufspringen und die absehbaren Gewinne mitnehmen oder bereits heute vorwegnehmen, was unweigerlich kommt: die erneute Korrektur, der erneute Ruf nach weiterem Geld, die immer drastischeren Interventionen? Das große Anleihenkaufprogramm der EZB ist gerade mal ein Jahr alt. So verfestigt sich der Eindruck, dass die Maßnahmen der Notenbanken Strohfeuer sind, die immer kürzer brennen und immer weniger Wärme erzeugen. Kann also gut sein, dass heute der Grundsatz gilt: Sell the News. Denn im Kern unterstreicht die EZB mit ihren immer verzweifelteren Interventionen, dass auch die Notenbanker mit ihrem Latein am Ende sind.

Hat die Fed mit ihrem Entscheid, die Zinsen in den Abschwung hinein zu erhöhen, im Dezember den Abschwung an den Börsen verstärkt, so könnte die EZB mit ihrem heutigen Entscheid das Gegenteil von dem erreichen, was sie eigentlich beabsichtigt. Die Börse könnte, statt zu steigen, fallen. Wachsen doch die Zweifel an der Wirksamkeit der Geldpolitik. Erst wenn die letzten Hemmungen fallen und die Notenbanken zur direkten Finanzierung von Staatsausgaben übergehen, dürfte es zu einem wahren Boom an den Börsen kommen. Nur dann können wir davon ausgehen, dass es gelingt, Deflation und Rezession nachhaltig zu überwinden. Je mehr das die Finanzmärkte realisieren, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Märkte nicht mehr wie gewohnt auf die Notenpresse reagieren.

Das Drama, welches sich zurzeit in Portugal und Österreich mit der Behandlung von Anleihengläubigern staatlich garantierter Schulden abspielt, wirft ein Schlaglicht auf die Größe der Probleme, vor denen wir stehen. Mich wundert dabei nicht so sehr, dass die Staaten versuchen, Gläubiger zur Kasse zu bitten, sondern dass die Gläubiger so naiv waren, an Versprechungen von Staaten und insolventen Banken zu glauben.

Um es mit aller Deutlichkeit zu wiederholen (meine Stammleser kennen es): Die Schulden sind untragbar und müssen aus der Welt geschafft werden. Entweder die Notenbanken agieren als letzte Gläubiger und monetarisieren die Schulden oder es kommt zu mehr oder weniger elegant organisierten Schuldenschnitten. Erklärt die EZB heute, im großen Stile Bankanleihen und Schulden von Bad Banks zu kaufen, wäre dies das von vielen so sehnlichst erwartete Signal, dass es ernst wird mit der Monetarisierung. Aktien wären angesichts der dann zu erwartenden deutlichen Inflation ein Muss für jedes Portfolio. Schreckt die EZB hingegen – wie zu erwarten ist – davor noch zurück, spricht viel für ein Strohfeuer. Und es spricht einiges dafür, dass die Erholung der letzten Wochen, dieses Strohfeuer bereits vorweggenommen hat. Dann werden die Märkte als Nächstes ein dauerhaftes Siechtum in der Eurozone, verbunden mit deflationären Tendenzen, vorwegnehmen und die Kurse drohen zu fallen. So verquer die Logik der Börsen auch manchmal erscheint – es geht halt immer um die Erwartungen für die Zukunft.

Seit dem Jahr 2000 haben sich US Staatsanleihen besser entwickelt als der US-Aktienmarkt. Sicherlich zurecht sehen viele Beobachter die Anleihemärkte in einer großen Blase. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass Aktien billig sind und auch nicht, dass die Anleihenkurse schon bald kollabieren müssen. Fallen wir tiefer in Rezession und Deflation, sind selbst Negativzinsen auf Anleihen solider Schuldner ein gutes Investment. Am Ende wird die Monetarisierung stehen. Bis dahin dürfte es aber noch eine Weile dauern. Realisieren dies die Finanzmärkte heute, dürfte der DAX keine großen Sprünge machen. Realisieren sie es nicht, so mag es ein schönes Strohfeuer geben. Anleger, die in Aktien übergewichtet sind, sollten dies zur Reduktion ihrer Bestände nutzen. Alle anderen sollten sich vom Medienhype um die heutigen EZB-Beschlüsse nicht verunsichern lassen. Mit dem hier immer wieder postulierten diversifizierten Portfolio bleiben wir für alle Szenarien gerüstet. Denn eines ist gewiss: Das mit dem besten Ein- und Ausstiegspunkt ist reine Theorie. Und wie heißt es so schön: In der Theorie unterscheiden sich Praxis und Theorie nicht. In der Praxis schon.

→ WiWo.de: „Die EZB entfacht bestenfalls ein Strohfeuer“, 10. März 2016

Kommentare (3) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. a. dressler
    a. dressler sagte:

    sgh stelter, würden sie auf kärnten näher eingehen? worauf muss ich mich als kärtner einstellen? lieben dank u grüsse ad

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  2. Schubidu
    Schubidu sagte:

    Wenn Schulden monetarisiert werden würden, was würde mit meinem Immobilienkredit passieren? Wäre es dann nicht gut viele Schulden zu haben? Vielen Dank für eine Antwort.

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    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      Tja, wie 1948 würde er umgestellt werden auf neue Währung und Sie müssten eine Sondersteuer auf ihren Immobilienbesitz bezahlen. Bei einem solchen Schnitt entschulden sich nur die ganz großen – der Staat.

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