Euro: “Bringen Italien und SPD die Krise zurück?”

Dieser Kommentar von mir erschien bei t-online.de:

Am Sonntag wird es spannend. In Deutschland stimmen die SPD Mitglieder über eine Fortsetzung der Großen Koalition ab – in Italien die Bürger über ein neues Parlament. Beide Abstimmungen haben das Potenzial, die Eurokrise zurückzubringen.

Die italienische Börse gehörte zu den besten Märkten im letzten Jahr. Der Zinszuschlag, den der italienische Staat gegenüber deutschen Staatsanleihen bezahlen muss, liegt so tief, wie noch nie seit Beginn der Eurokrise. Der Euro selbst hat alleine im letzten Jahr über 17 Prozent gegenüber dem Dollar gewonnen. Die Wirtschaft der Eurozone wuchs zugleich so stark wie lange nicht mehr.

Die Märkte erwarten ein „Weiter-so“

Es läuft doch, könnte man meinen. Und so sehen es die Finanzmärkte. Vergessen sind die Sorgen vor den Wahlen in Frankreich und den Niederlanden im letzten Jahr. Die gingen ja auch wie von den Pro-Europäern erhofft aus. Vergessen ist, dass es vor allem die EZB mit ihrem immer noch viel zu billigen Geld ist, die die Eurozone zusammenhält und die gerade in den Wochen vor der Wahl besonders aktiv in Italien Anleihen aufkauft, damit auch wirklich alles gut geht. Vergessen ist, dass die Wirtschaftsleistung in Italien immer noch fast sechs Prozent unter dem Niveau von 2008 liegt. Vergessen ist, dass das italienische Bankensystem unter dem größten Berg fauler Schulden in Europa leidet.

Die Meinung der Märkte ist einhellig: In Italien wird es den pro-europäischen Kräften gelingen, die Mehrheit zu erreichen. In Deutschland steht derweil eine neue Regierung am Start, die sich schon vor Beginn der Verhandlungen bereit erklärt hat, mehr Steuergeld nach Brüssel zu überweisen und auch sonst drauf und dran ist, die bisherige Politik der Eurorettung über Bord zu werfen und das Heil in mehr Umverteilung zu Lasten der deutschen Steuerzahler zu suchen. Beides spricht für ein Weiterwursteln in Europa, was zwar die eigentlichen Probleme verschleppt, kurz- und mittelfristig aber Ruhe verspricht. 

Böse Überraschung in Italien?

Doch was, wenn nicht? Was wenn die Italiener sich doch für eurokritische Kräfte erwärmen? Nur noch 59 von 100 Italienern sprechen sich für den Verbleib im Euro aus. Kein Wunder nach einer Wirtschaftskrise, die tiefer und länger in dem Land war, als die große Depression in den 1930er Jahren. Nicht nur die vom ehemaligen Fernsehkomiker Beppo Grillo gegründete Movimento Cinque Stelle gilt als äußerst eurokritisch und fordert ein Referendum. Auch die Forza Italia des früheren Premierministers Berlusconi (ja, den gibt es noch und er holt auch in den Umfragen auf) und die rechte Lega Nord sehen im Euro und der „von Deutschland aufgezwungenen“ Sparpolitik die Hauptursache für den Niedergang des Landes. Es bietet sich an, die Schuldigen im Ausland zu suchen und so vom eigenen Versagen bei der Liberalisierung der Arbeitsmärkte und der Bekämpfung der Korruption abzulenken.

Optimisten verweisen darauf, dass selbst wenn es zu einem Wahlsieg der Eurokritiker käme, diese nicht mehr an einer härteren Gangart gegenüber Europa und vor allem Deutschland festhalten würden. Schließlich habe sich die Rhetorik schon gemäßigt. Dies stimmt jedoch nur vordergründig. Egal, welche Konstellation an die Macht kommt: Die bisherigen Sparbemühungen werden enden. Alle Politiker der Opposition sehen in deutlich höheren Staatsausgaben auf Pump die Lösung für die italienische Misere. Damit verbunden wäre auch das Eingeständnis, dass die Schuldenlast des Landes nie mehr unter Kontrolle gebracht werden kann. Schon seit Jahrzehnten wachsen die Staatsschulden schneller als die Wirtschaftsleistung.

Parallelwährung und Staatsbankrott?

Zur Finanzierung wird über die Einführung einer Parallelwährung im Land nachgedacht. Der Staat würde seine ausstehenden Schulden bei Lieferanten mit Steuergutscheinen bezahlen, die wiederum zur Tilgung von Steuerschulden genutzt werden könnten. Faktisch könnten die Bürger auch untereinander mit diesen italienischen Papieren Rechnungen begleichen. 

Es wäre dann nur eine Frage der Zeit, bis der Euro im Lande verdrängt wäre. Der erste Euroaustritt wäre vollzogen und andere Länder würden dem Vorbild folgen. Die Finanzmärkte jedenfalls würden sofort auf dieses Szenario spekulieren und der Euro wäre schnell Geschichte.

Da der Euro das große europäische Projekt ist, das allen wirtschaftlichen Nachteilen zum Trotz von den Politikern um jeden Preis am Leben erhalten wird, würden EZB, Kommission und die wichtigen Mitgliedsländer Deutschland und Frankreich alles dafür tun, eine solche Entwicklung zu verhindern. Genau darauf setzt die italienische Politik, die nicht nur über die Einführung einer Parallelwährung nachdenkt, sondern auch Szenarien für den Staatsbankrott durchspielt. Auch dieser wäre nicht im Sinne der anderen Europäer, allen voran Frankreich, die befürchten, dass sobald ein Land seine Schulden nicht mehr vollständig bedient, die Finanzmärkte auch bei anderen hoch verschuldeten Staaten kritischer werden.

Erpressungspotenzial ist hoch

Wer auch immer die Wahl in Italien gewinnt, hat also ein erhebliches Erpressungspotenzial den anderen Europäern und vor allem Deutschland gegenüber. So wird von der Cinque Stelle Bewegung nicht nur ein Schuldenschnitt für Italien gefordert, sondern gleich einer für alle Krisenstaaten Europas. Die Verluste sollen die Gläubiger tragen, die nicht zuletzt in Deutschland sitzen und die wir alle sind: über unsere Lebensversicherungen und Sparverträge und als (Mit-)Eigentümer der Bundesbank, die schon jetzt mehr als 11.000 Euro pro Kopf der hiesigen Bevölkerung als zins- und tilgungsfreien Kredit an die maroden Staaten der Eurozone gewährt. Damit nicht genug: Über die Bankenunion sollen wir auch die Kosten der Sanierung der maroden italienischen Banken mittragen.

Das Urteil der Finanzmärkte ist klar: Es wird schon nicht so weit kommen und selbst wenn, würde die deutsche Bundesregierung sich erpressen lassen und einspringen. Ein Blick in den Koalitionsvertrag genügt, um diese Hoffnung zu nähren.

Keine Erpressung bei Neuwahlen

Womit wir bei der anderen Abstimmung von diesem Wochenende sind: der Entscheidung der SPD-Mitglieder über die Neuauflage der (klein geschrumpften) Großen Koalition. Scheitert die neue Regierung am Votum der SPD-Mitglieder, würden die Hoffnungen Brüssels und der anderen Staaten, leichter an deutsche Steuergelder zu kommen, zerplatzen.

Die Bereitschaft zur Finanzierung des Euro als Fass ohne Boden und zur dauerhaften Umverteilung von deutschen Steuergeldern, wäre endlich auch bei uns Wahlkampfthema und würde nicht wie bisher nach den Wahlen als „alternativlos“ präsentiert. Kein Zweifel, dass sich bei einer Abstimmung bei uns keine Mehrheit für „mehr Europa“ findet, wenn die finanziellen Konsequenzen offen auf dem Tisch liegen.

Scheitert die GroKo und wählt Italien gegen den Euro, steht uns eine turbulente Woche an den Finanzmärkten bevor. Es wäre ein schmerzhaftes Erwachen aus der Illusion der Eurorettung  – aber gerade noch zum richtigen Zeitpunkt.

→ t-online.de: “Bringen Italien und die SPD die Eurokrise zurück?”, 9. Februar 2018