“Enteignung als Irrweg: Wie der deutsche Wohnungsmarkt wirklich zu retten ist”

Dieser Kommentar von mir erschien bei FOCUS ONLINE:

Erinnern Sie sich noch an den Zustand ostdeutscher Städte vor der Wiedervereinigung? Teils schöne alte Gebäude, aber verfallen und verwahrlost. Seit Jahrzehnten wurde nicht in alte Immobilien investiert und alles gammelte vor sich hin.

Die Ursache liegt auf der Hand. Es war der Mangel an Baumaterialien und Handwerkern. Vor allem aber war es eine wirtschaftliche Entscheidung der Eigentümer. Die Mieten waren gedeckelt, weit unter jedes wirtschaftliche Niveau gedrückt und deshalb blieb den Eigentümern keine andere Wahl, als auf Investitionen zu verzichten. Kann man gut verstehen: Sollte man denn noch gutes Geld schlechtem hinterherwerfen?

Wohnen ein Thema für Populisten aller Lager

Liegt doch lange zurück, mag man da denken. Heute sehen ostdeutsche Städte (Ausnahmen wird es sicherlich geben) wieder schnieke aus und die Altbauwohnungen sind heiß begehrt. Allerdings ist Wohnen deutlich teurer als früher und gerade in den Ballungszentren, die von wachsender Wirtschaft und anhaltender Zuwanderung profitieren, sind in den letzten Jahren die Mieten erheblich gestiegen. Hinzu kommt der wirtschaftliche Aufschwung, der sogar in Städten wie Berlin die Einkommen steigen lässt. Das führt zu einer Verdrängung der „alteingesessenen Bevölkerung“, die sich die Mieten in bestimmten Gegenden nicht mehr leisten kann oder will.

Ein Ärgernis für Mieter und damit ein wichtiges Thema für die Politik. Man braucht keinen Mathematikleistungskurs, um auszurechnen, dass wesentlich mehr Wähler Mieter als Eigentümer sind. Wohnimmobilien waren schon immer ein politisches Thema und der Markt funktioniert schon lange nicht mehr in diesem Bereich.

So ist der Ruf nach mehr staatlichen Eingriffen bis hin zur jetzt diskutierten Enteignung „großer Immobilienbesitzer“ nicht verwunderlich. Dabei ist „groß“ ein durchaus dehnbarer Begriff, findet doch Juso-Chef Kevin Kühnert schon den Besitz von 20 Wohnungen verwerflich. Wie populär diese Idee ist, sieht man nicht nur am Zuspruch für das bevorstehende Volksbegehren in Berlin, sondern auch daran, dass kein geringerer als Grünen-Chef Robert Habeck, der sonst mit erheblichem Erfolg versucht, die Wähler über die wahren Konsequenzen grüner Politik im Unklaren zu lassen, sich als Befürworter derartiger Überlegungen zu erkennen gibt.

Breite Unterstützung in den (linken) Medien

Schon bevor das Thema der Enteignungen auf den Tisch kam, wurden extreme Eingriffe in den Wohnungsmarkt propagiert. So ging SPIEGEL ONLINE (SPON) bei der Besprechung einer Talkshow zum Thema so weit, zu fordern, „mehr Kommunismus zu wagen“. Auf nach Ostberlin kann man da nur sagen. Und tatsächlich ist es so gemeint!

In der Tat stellt SPON fest, dass alle Vertreter der Bundespolitik in der Talkshow nichts Vernünftiges gesagt hätten. Stattdessen dann dies: „Kein Wunder, dass der Star der Plasberg-Runde kein Minister oder Bundestagsabgeordneter war, sondern ein Lokalpolitiker, der vor Ort konkrete Maßnahmen ergreift: Florian Schmidt, grüner Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, der in den Berliner Kiezen Grundsätzliches plant: Per Vorkaufsrecht will er erreichen, dass in 20 Jahren die Hälfte des Wohnungsbestandes landeseigenen Unternehmen bzw. Genossenschaften gehört, damit sind Mieterinnen und Mieter vor Spekulation, Luxussanierung und Umwandlung in Eigentum geschützt.“ Und weiter: „Der linke Grüne, eine seltene Spezies, die es so nur noch in Berlin gibt, ist auf einem guten Weg – seit 2015 hat der Bezirk so fast 1000 Wohnungen angekauft, wöchentlich werden es mehr. Statt einer Neuauflage der Mietpreisbremse, an der die Regierungskoalition zurzeit herumdoktert und die von der nächsten Regierung wieder gekipptwerde, so Schmidt, brauche das Land in Sachen Wohnen dauerhaft stabile Verhältnisse’.”

Ich zitiere dies hier so ausführlich, damit jene, die immer noch glauben, sie könnten ihr Vermögen angesichts von Euro-, Schulden- und Demografiekrise mit dem Kauf von Immobilien retten, endlich aufwachen! Was hier ohne jegliche Reflexion gelobt wird, ist eine Neuauflage der DDR-Wohnungspolitik.

Die diskutierten Enteignungen unterscheiden sich nur in zweierlei Hinsicht von der schon herrschenden Praxis in Berlin:

  • Es wird nicht mehr darauf gewartet, dass der Eigentümer verkaufen will, sondern es wird die Aufgabe seines Eigentums erzwungen.
  • Es wird mit Sicherheit versucht werden, unter Marktpreis zu entschädigen.

Nun könnte man die Schultern zucken und sagen: „Lass die in Berlin doch machen.“ Das Problem dabei: Es beeinflusst die Bundespolitik, die in den kommenden Jahren unter massiven Druck kommen wird, über Umverteilung die Kosten der Alterung zu bewältigen, für die jahrzehntelang nicht vorgesorgt wurde. Was immer getan werden kann, ohne das Staatssäckel zu belasten, wird man tun. Mietbegrenzungen bieten sich da an!

Marktmanipulation rächt sich

Doch nun zurück zu den Überlegungen zur Enteignung in Berlin. Denken wir durch, was passiert, wenn der Staat zunehmend Eigentümer von Immobilien wird, mit dem erklärten Ziel, die Mieten relativ zum Marktpreis zu senken:

  1. Zunächst ist das eine Subvention der glücklichen Ist-Mieter zulasten der Allgemeinheit. Mit demselben finanziellen Aufwand könnte man neue Wohnungen bauen und so das Angebot vergrößern (was den Mietanstieg dämpft) oder aber allen Mietern einen staatlichen Zuschuss geben. Es ist offensichtlich, dass die Verwendung von Staatsmitteln zum Aufkauf vorhandener Wohnungen der ineffizienteste Weg ist.
  2. Schnell wird sich ein Markt bilden für die Vergabe von Wohnungen in den so subventionierten Häusern. Da die Miete gedeckelt ist, werden andere Formen der Bezahlung an Bedeutung gewinnen. Dies reicht von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe (Partei, Beruf …) bis hin zu Korruption. Letztere blüht besonders da, wo die Preise nicht marktgerecht sind. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die besonders guten Wohnungen der früheren staatlichen Immobiliengesellschaften nicht selten besonders günstig an besonders gut vernetzte Personen vergeben wurden.
  3. Die Fluktuation im Bestand geht weiter zurück. Schon heute bleiben langjährige Mieter in der mittlerweile zu großen Wohnung (Kinder ausgezogen, Ehepartner verstorben), weil sie von der durch Mietspiegel und Mietpreisbremse künstlich tief gehaltenen Miete profitieren. Benachteiligt sind junge Familien, denen noch weniger Wohnungen zur Verfügung stehen.
  4. In die Immobilien im Staatsbesitz wird erfahrungsgemäß weniger investiert. Das liegt daran, dass auch die Taschen des Staates nicht beliebig tief sind. Zunächst wird das von den Mietern nicht beanstandet, können sie doch besonders günstig wohnen. Wer dies bezweifelt, der schaue auf den Zustand der Wohnungen zum Zeitpunkt der Privatisierungen. Es gab einen erheblichen Investitionsrückstand.
  5. Der Anteil der staatlichen Immobilien nimmt zu. Da diese Wohnungen in den Mietpreisspiegel einfließen, drückt das tiefe Mietniveau der subventionierten Wohnungen das Mietniveau insgesamt. Schön für Mieter, weniger rentabel für Vermieter.
  6. Profiteure der Mietbremse sind übrigens jene, die es am wenigsten nötig haben. Jeder private Vermieter sucht sich den Mieter mit der besten Bonität aus. Bewerben sich im Fall eines nicht nach unten manipulierten Mietpreises beispielsweise drei Interessenten und bei einer gedeckelten Miete hundert Interessenten, bekommt in beiden Szenarien derselbe Interessent die Wohnung, obwohl der die Subvention nicht nötig hat.
  7. Für die Eigentümer der Wohnungen, die nicht im Staatsbesitz sind, wird es immer unattraktiver, die Wohnungen zu halten. Auch sie verkaufen an den Staat oder kürzen ihre Investitionen. Dabei muss man wissen, dass die meisten privaten Vermieter schon heute Renditen unter zwei Prozent mit ihren Wohnungen erwirtschaften.

Kommunismus endet immer gleich: mit dem Verfall der Immobilien und einem Neustart, wenn die staatliche Wohnungskaufgesellschaft wieder verkauft wird, weil die Löcher im Haushalt zu groß und die Immobilien abgewirtschaftet sind.

Schuss geht nach hinten los

Damit geht der Schuss aber nach hinten los. Heute gehören rund 13,5 Millionen Wohnung in Deutschland privaten Investoren und nur rund 6,5 Millionen großen Immobilienverwaltern. Die privaten Investoren haben zumeist nur eine Wohnung oder ein Haus, weshalb – von Ausnahmen abgesehen – die Verwaltung nicht so professionell ist, wie bei den großen Investoren. Bisher sind die Mieter die Nutznießer der Unprofessionalität der Vermieter. Mieten wachsen langsamer, weil die Vermieter den Konflikt scheuen. Instandhaltungen werden früher durchgeführt, als sie technisch eigentlich erforderlich wären und Modernisierungen, obwohl sie sich nicht rechnen.

Bei den professionellen Vermietern ist das anders. Sie betreiben ein aktives Portfoliomanagement und wissen, wo und wie sich eine Investition rentiert–und vor allem, wie sie ihre Ansprüche gegenüber den Mietern durchsetzen. Am Ende des „kommunistischen Weges“ dürfte damit ein Konzernkapitalismus stehen. So ist das, wenn die Politik agiert. Bekanntlich ist ja das Gegenteil von „gut“, „gut gemeint“.

Ehrliche Politik würde an den Ursachen ansetzen

Dabei hätte die Politik durchaus Möglichkeiten, den Mietpreisanstieg zu verlangsamen. Doch wären die Maßnahmen nicht so populär und öffentlichkeitswirksam wie der Ruf nach gesetzlichen Mieterhöhungsverboten und Enteignungen:

  • Ein wesentlicher Grund für die steigenden Immobilienpreise ist unsere Geldordnung. Bekanntlich schafft unser Bankensystem durch Kreditvergabe neues Geld. Dabei beleihen die Banken nichts lieber als Immobilien, weil diese als besonders gute Sicherheit gelten. Es wäre ein Leichtes, den Banken eine höhere Eigenkapitalquote für den Kauf von Immobilien vorzuschreiben. Zum Beispiel könnte man für Baugrundstücke deutlich höhere Eigenkapitalanforderungen definieren, was die Spekulation unattraktiv machen würde und einen Anreiz dafür schaffen würde, schnell zu bauen. Man könnte bei Miethäusern geringere Eigenkapitalanforderungen stellen als bei Eigentumswohnungen.
  • Das Angebot an Wohnungen ließe sich zudem durch einen Mix an Maßnahmen steigern wie zum Beispiel: mehr Bauflächen ausweisen, schnellere Baugenehmigungen und Verdichten des Bestandes. Das Aufheben der Mietpreisbremse würde die Fluktuation im Markt erhöhen, weil Altmieter eher bereit wären, zu große Wohnungen aufzugeben.
  • Die Nachfrage ließe sich dämpfen, zum Beispiel durch bessere Erschließung der Vororte mit öffentlichem Nahverkehr. Es gibt schließlich keinen Anspruch darauf, im Stadtzentrum zu wohnen.
  • Die Kaufkraft der Bürger ist zu steigern. Seit Jahren wachsen die Einkommen weniger schnell als die Produktivität und vor allem die Abgabenlast hat deutlich zugenommen. 40 Prozent der Einkommenssteuerzahler bezahlen mittlerweile den Spitzensteuersatz. Stagnierende Nettoeinkommen und steigende Kosten für Wohnen müssen zwangsläufig zu Unzufriedenheit führen. Eine spürbare Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen wäre deshalb der ehrlichere Weg.
  • Das Wohngeld muss aufgestockt werden, um Bedürftigen zu helfen.

Alles Themen, die die Politik entweder gar nicht auf dem Radarschirm hat oder die ein politisches Tabu darstellen. Deshalb wird es wohl so weitergehen wie bisher: mit immer stärkeren Eingriffen in den Markt. Aus Sicht von Investoren ist die Schlussfolgerung eindeutig: In einem Staat, der überaltert, sich finanziell übernimmt (Euro, Migration, Rente, Energiewende), in dem Umverteilung als die Lösung für alles gesehen wird, sollte man nicht in Immobilien investieren. Besser das Geld woanders anlegen.