Donald Trump macht nur den Anfang

Dieser Kommentar von mir erschien bei manager magazin online:

Unabhängige Notenbanken werden schon bald Geschichte sein. Folge ihres Versagens und der Notwendigkeit den globalen Neustart zu organisieren.

Da haben wir es wieder: Donald Trump gibt ein Interview und alle sind empört. Erdreistet sich doch der US-Präsident offener und lauter als seine Vorgänger auf die Entscheidungen der Fed Einfluss zu nehmen: “Ich bin nicht davon begeistert, dass er (Fed-Präsident Jerome Powell) die Zinsen erhöht. Nein, ich bin nicht begeistert”, sagte Trump am Montag in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Vielmehr sollte sich die Fed zurückhalten und ihm “etwas helfen”. Zugleich warf Trump China und Europa vor, ihre Währungen zu manipulieren.

Die US-Notenbank soll also trotz der boomenden Konjunktur und anziehenden Inflationsraten von weiteren Zinserhöhungen Abstand nehmen. Gut verständlich, dass dies von Ökonomen mit Kopfschütteln gesehen wird. Wann, wenn nicht jetzt sollten die Notenbanken die Zinsen erhöhen? Vor allem, wenn es darum geht, wieder etwas Munition für die unweigerlich kommende nächste Rezession im Köcher zu haben?

Schwellenländer würden sich freuen

Die Entscheidungen der US-Notenbank Fed haben globale Bedeutung für die Finanzmärkte. Die bereits erfolgten Zinserhöhungen und der Abbau der Fed-Bilanz führen bereits jetzt zu erheblichem Stress im Finanzsystem, wenn nicht der USA, so doch in den Schwellenländern. So ist die Krise der Türkei natürlich eine Folge der dortigen politischen Entwicklungen, im Wesentlichen jedoch der erheblichen Verschuldung des Landes in US-Dollar. Unternehmen, Banken und Staat haben in der Türkei Schulden in ausländischer Währung von immerhin 55 Prozent des BIP.

Da diese Schulden überwiegend kurzfristig finanziert sind, treffen steigende Zinsen und die damit verbundene Aufwertung des US-Dollars die Kreditnehmer doppelt. Sie müssen sich eine Währung beschaffen, die sie nicht selber herstellen können. Dies verstärkt die Abwertung der eigenen Währung und führt damit unweigerlich in eine Krise, aus der sich die Schwellenländer erfahrungsgemäß nur selten aus eigener Kraft wieder befreien können.

Die Türkei ist hier nur der berühmte Kanarienvogel in der Kohlemine. Andere Länder wie Argentinien, Südafrika, Kolumbien und Indonesien haben ebenfalls erhebliche Schulden in ausländischer Währung, vor allem US-Dollar. Seit 2008 hat sich die Verschuldung der Schwellenländer mehr als verdreifacht auf nunmehr über 200 Prozent vom BIP, doch ist es vor allem die Verschuldung in Fremdwährung, die die Situation so gefährlich macht.

Hier zeigt sich die Vernetzung der Welt: während die Notenbanken im Westen mit aggressiver Politik versucht haben, die Folgen der Finanzkrise zu bekämpfen – im Klartext: die Illusion der Bedienbarkeit der Schulden aufrecht zu erhalten – ist die geschaffene Liquidität in alle Welt geflossen und hat da weitere Schuldenblasen aufgepumpt. So wurde aus einem Schuldenproblem der Industrieländer ein weltweites Schuldenproblem.

Trumps Forderung den Kurs der geldpolitischen Verknappung zu beenden, könnte so über tiefere Zinsen und eine Abschwächung des US-Dollars tatsächlich ein positiver Beitrag zur Stabilisierung der Weltkonjunktur sein. Allerdings würde damit erneut – wie auch in den Industrieländern – eine Bereinigung der übermäßigen Verschuldung nur aufgeschoben.

Die Fed übertreibt immer

Doch auch aus Sicht der US-Wirtschaft mag die Forderung Trumps nicht unbegründet sein. Denn nicht nur die Schwellenländer haben sich in den letzten Jahren enorm verschuldet. Das gleiche gilt für die US-Unternehmen, die sich vom billigen Geld haben dazu verführen lassen, über Financial Engineering die ausgewiesenen Gewinne aufzublähen.

Aktienrückkäufe und Firmenübernahmen haben die Verschuldung so hochgetrieben, dass selbst der Internationale Währungsfonds in der Verschuldung des US-Unternehmenssektors einen möglichen Auslöser für eine erneute Finanzkrise sieht. Auch hier gilt, dass steigende Zinsen und eine Abschwächung der Konjunktur zu einem selbst-verstärkenden Effekt führen können: es kommt zu ersten Zahlungsschwierigkeiten, Anleger flüchten aus riskanten Anleihen, was wiederum höhere Finanzierungskosten und damit höhere Ausfallwahrscheinlichkeiten zur Folge hat. Grund genug, mit der Erhöhung der Zinsen vorsichtig zu sein.

Schon in der Vergangenheit hat die US-Fed mit ihren Zinserhöhungen oftmals in die Rezession geführt. Dabei ist der kritische Zinssatz, ab dem es zu einem Einbruch kommt, immer mehr gesunken, was die zwangsläufige Folge der stetig gestiegenen Verschuldung ist. Heute befürchten Experten bereits bei einem Zinsniveau von drei Prozent auf zehnjährigen US-Staatsanleihen erhebliche Konsequenzen. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls wichtig zu bedenken, dass die US-Notenbank nicht nur die Zinsen erhöht, sondern seit geraumer Zeit auch die Bilanz abbaut. Dies wirkt ebenfalls wie eine Zinserhöhung, so dass wir unter Umständen schon viel weiter im Zinserhöhungszyklus sind, als man bei oberflächlicher Betrachtung realisiert. So gesehen, mag Trump auch hier richtig liegen, mit seiner Warnung vor weiteren Zinserhöhungen.

Trump macht nur, was er angekündigt hat

Abgesehen von diesen eher taktischen Überlegungen muss man festhalten, dass Trump auch hier nur das umsetzt, was er im Wahlkampf bereits angekündigt hat. Schon im Mai 2016 hat Trump klar gemacht, dass Schulden für ihn kein Problem darstellen, geht er doch davon aus, dass diese immer von der US-Notenbank finanziert werden. In einem Interview bei CNN gefragt, wie er denn mit den hohen Schulden der USA umzugehen gedenke, lautete Trumps Antwort: “you print the money”. Er selbst als Schuldenkönig wüsste wohl am besten, wie man mit Schulden umzugehen habe.

Trump hat damit als erster Regierungschef eines der G20-Ländern offiziell den Einsatz der geldpolitischen Helikopter unterstützt. Durch die direkte Finanzierung der Staatsausgaben durch die Notenbank und perspektivisch eine Annullierung der aufgekauften Staatsschulden erhoffen sich Politiker und Volkswirte einen Ausweg aus der Last zu hoher Schulden.

Jedes Quartal vermelden die Statistiker höhere Schulden von Staaten, Unternehmen und privaten Haushalten und zwar nicht nur absolut, sondern auch relativ zum Bruttoinlandsprodukt. Diese Schuldenlast ist nur tragbar, wenn das Geld immer billiger wird. Schon vor Jahren hielten Experten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich fest, dass die Zinsen in Zukunft noch tiefer sein müssen, weil sie heute schon tief sind. Die durch das billige Geld ermutigte weitere Verschuldung ist nur dann tragbar, wenn es in Zukunft noch billiger möglich ist, sich zu verschulden.

Zu Ende gedacht, kann es nur auf die Monetarisierung aller Schulden über die Bilanzen der Notenbanken hinauslaufen. Die Alternativen sind entweder unmöglich (Sparen und Zurückzahlen) oder brutal (Pleiten, Bankrotte und tiefe Rezession). Wie in Japan werden die Notenbanken in die direkte Finanzierung der Staaten eintreten (müssen) und zunehmend auch die Problemschulden des Privatsektors übernehmen. Schon lange gibt es ernstzunehmende Stimmen, die im Aufkauf der Schulden und der zins- und tilgungsfrei-Stellung oder besser noch völligen Annullierung durch die Notenbanken den einzigen Weg sehen, das Problem in den Griff zu bekommen.

Mit unabhängigen Notenbanken dürfte das nicht zu machen sein. Deshalb ist die Unabhängigkeit nicht nur der Fed, sondern auch der anderen führenden Notenbanken ernsthaft in Gefahr. Donald Trump ist nur früher dran und lauter als die anderen mit seinen Forderungen an die Fed.

Notenbanken haben versagt

Die Notenbanken tragen erhebliche Mitschuld an der Misere, in der wir stecken und damit auch an ihrem absehbaren Verlust an Unabhängigkeit. Es lohnt sich in Erinnerung zu rufen, dass Notenbanker entgegen ihrer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit – und vermutlich auch ihrer Selbstwahrnehmung – nicht mehr über die Wirtschaftsentwicklung wissen, als andere Ökonomen auch. Wie sonst ist zu erklären, dass Ben Bernanke, obwohl er über die große Depression der 1930er Jahre geforscht hat und als einer der führenden Experten weltweit zu dem Thema gilt, die Wiederholung derselben nicht kommen sah? Noch 2007 hielt er die Subprime-Krise für ein kleines Problem, welches die US-Wirtschaft nicht nachhaltig beeinflussen würde. Dabei ist jedem Beobachter klar, dass ein deutlicher Anstieg der Verschuldung im Privatsektor immer ein eindeutiges Warnsignal für bevorstehende Turbulenzen ist.

Auch haben die Notenbanken seit über dreißig Jahren alles getan, um das Kreditwachstum und damit die Nachfrage zu befeuern. Ohne diese Politik hätte es die Technologieblase 1999/2000 und die Immobilienblasen in den USA, Spanien und Irland nicht gegeben. Die Notenbanken haben das Schulden-Monster erst geschaffen, welches sie nun seit Jahren mit noch mehr Geld vorgeben zu bekämpfen, in Wahrheit jedoch immer mehr füttern.

Damit sind die Notenbanken schon heute nicht so unabhängig wie sie tun. Sie sind Gefangene der Folgen der eigenen Politik und haben ein Problem mitverursacht, welches auf einfachem Wege nicht mehr zu bereinigen ist. Die EZB hat zusätzlich mit ihren Interventionen der letzten Jahre hochpolitisch agiert und Risiken innerhalb der Eurozone ohne jegliche demokratische Legitimierung zwischen den Steuerzahlern der einzelnen Mitgliedstaaten verschoben.

Kommt es zu einer erneuten Krise, was nur eine Frage der Zeit ist, werden die negativen Folgen dieser Politik noch offensichtlicher. Dann sind die Notenbanken schnell im Fokus der öffentlichen Kritik und die Rufe nach Aufhebung der Unabhängigkeit werden nicht nur in den USA lauter werden. Gerade für die Politik bietet es sich an, die Notenbanker zu Sündenböcken der Entwicklung zu machen.

Deshalb ist die Prognose recht leicht: schon in wenigen Jahren wird es mit der Unabhängigkeit der Notenbanken vorbei sein. Wir werden den Einstieg in Helikopter-Geld, direkte Staatsfinanzierung und letztlich die Monetarisierung der Schulden erleben. Nichts davon ist wünschenswert, was nichts daran ändert, dass wir uns darauf einstellen müssen. Die Geschichte lehrt dabei, dass jene Staaten, die es am schnellsten und konsequentesten machen, einen Vorteil gegenüber jenen Ländern erzielen, die erst verzögert auf diesen Kurs einschwenken. So gesehen ist Trump auf dem richtigen Weg. Sofern man angesichts des sich abzeichnenden Desasters von „richtig“ sprechen mag.