Die Wohl­stands­illu­sion

Es ist eine schnelllebige Zeit. “Das Märchen vom reichen Land” ist zwar wichtiger denn je und wäre eine notwendige Erinnerung für unsere Politiker, bevor sie mit vollen Geldkoffern nach Brüssel reisen. Doch hat Corona alles geändert und ich habe tatsächlich ein neues Buch im Angebot, von dem ich vor drei Monaten noch nicht einmal ahnte, dass ich es schreiben würde.

Dennoch lohnt es, sich auf die Kernaussagen aus dem Märchen vom reichen Land” zu besinnen. Das mache ich jetzt mit einem Interview, das schon vor Monaten das unabhängige Medien-Magazin  NITRO mit mir führte. Es ist erst jetzt online erschienen:

NITRO: In Ihrem aktuellen Buch „Das Märchen vom reichen Land“ werfen Sie der Politik und den Medien Etikettenschwindel vor. Wie entstand die Idee zu diesem Buch?

bto: Beim Radiohören, genau genommen morgens beim Hören des Deutschlandfunks. In den „Informationen am Morgen“ sagen Politiker mehrfach in der Woche: Ein reiches Land wie Deutschland sollte doch …“ mehr für Bildung ausgeben, mehr für arme Kinder, mehr für Rentner, mehr für humanitäre Hilfe, man könnte das so fortsetzen. Jeder Mensch mit Herz findet das zunächst richtig. Deshalb fordern das Politiker, und Journalisten lassen es unkritisch stehen, statt nachzufragen, wie diese „Wünsche“ finanziert werden sollen – denn solche Antworten bleiben Politiker gern schuldig. Es wird suggeriert, Deutschland hätte einen riesigen Geldspeicher, der sich automatisch füllt. Dem ist aber nicht so.

Politikern fehlt wirtschaftliches Verständnis

NITRO: Aber Deutschland ist doch Exportweltmeister …

bto: Exportweltmeister richtig, schon wieder so ein Wort mit großer Suggestionskraft. Aber was bedeutet das? Wir exportieren mehr Waren und Dienstleistungen, als wir importieren. Als Exportweltmeister exportieren wir aber nicht nur Waren, sondern auch Geld ins Ausland. In Zeiten globaler Verschuldung mit ungewisser Rückzahlung ist es nicht besonders klug, Kreditgeber zu sein.

NITRO: Woran liegt es, dass Deutschland reicht wirkt, aber Ihrer Meinung nach gar nicht so reich ist?

bto: Wenn Sie mit offenen Augen durch Deutschland gehen, sehen Sie kaputte Straßen, die Digitalisierung ist ein Desaster, die Bahn funktioniert nur mangelhaft, Kinder leben in Armut, Bildung ist ungleich. Was wir beobachten können, ist also nicht deckungsgleich mit dem, was man von einem reichen Land erwartet. Hinzu kommt, dass vielen Politikern wirtschaftliches Verständnis fehlt, und auch viele Menschen verwechseln Einkommen mit Vermögen. Was Menschen verdienen und was sie als Vermögen besitzen, sind zwei ganz unterschiedliche Dimensionen.

Das Vermögen der Deutschen liegt durchschnittlich bei etwa 60.000 Euro

NITRO: Reichtum ist aber auch eine Frage des Blickwinkels. Vergleichen wir uns mit einem afrikanischen Land, sind in Deutschland sicher viele Menschen „reich“. Vergleichen wir uns mit Kanada, Schweden oder Norwegen …

bto: oder den USA oder der Schweiz.

NITRO: Es liegt also doch am Blickwinkel?

bto: Es gibt dabei verschiedene Kenngrößen. Beginnen wir mit dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf – also dem, was wir pro Kopf pro Jahr erwirtschaften. Deutschland steht auf Platz 20 in der Welt. Vor uns sind die USA, Singapur, die ölexportierenden Länder und die Schweiz. Aus diesem Blickwinkel könnte man sagen, Deutschland ist reich, denn wir verdienen gut. Schauen wir aber auf das Vermögen der Privathaushalte, sieht es anders aus. Innerhalb der Eurozone liegt das Vermögen der Deutschen durchschnittlich bei etwa 60.000 Euro. Der Median in Italien und Frankreich liegt doppelt so hoch – bei über 120.000 Euro pro Kopf.

NITRO: Das heißt, wir verdienen gut, haben aber kaum Vermögen. Woran liegt das?

bto: Wir Deutschen haben Kriege geführt, wir hatten die deutsche Teilung zu schultern – solche Ereignisse spielen eine Rolle. Aber auch das sind nur kurzzeitige Effekte.

NITRO: Es muss also noch andere Gründe dafür geben. Welche sind das?

bto: Deutschland fordert zu hohe Abgaben, wobei die auf Arbeit besonders hoch sind. Bei den Sozialabgaben und Steuern im unteren Einkommensniveau belegt Deutschland nach Zahlen der OECD Platz zwei nach Belgien. Das heißt, die Bürger haben weniger Kapital zum Sparen. Und das Wenige legen die Bürger falsch an – Sparbuch, Lebensversicherungen oder Riester-Rente, alles vermeintlich sichere Dinge, die der Staat gefördert hat. Aber die bringen über lange Zeiträume nur ein Prozent pro Jahr – wenn Sie Glück haben.

Private Haushalte sparen Zinsen, wenn sie ein Haus finanzieren

NITRO: Ein Prozent ist in solchen Sparformen heute ja schon viel.

bto: richtig. Aktien oder Immobilien bringen sechs Prozent pro Jahr. Damit kann mehr Vermögen gebildet werden.

NITRO: Die Menschen hatten zu lange zu viel Vertrauen in staatliche geförderte Modelle. Warum hat der Staat die Menschen nicht richtig aufgeklärt?

bto: weil er so die Staatsfinanzierung sicherstellen wollte. Bei der Finanzkrise 2008 haben deutsche Banken und Versicherungen zwischen 400 und 600 Milliarden Euro verloren. Da können Sie sagen: Das betrifft mich nicht, ich hatte kein Vermögen. Aber das stimmt nicht. Auch die, die kein Vermögen haben, sind betroffen, weil der Staat zum Beispiel weniger Geld für Sozialtransfers ausgeben kann.

NITRO: Sie kritisieren auch die Rolle der EZB, die die Sparer enteignet hat.

bto: Das sage ich nicht. Ich kritisiere nicht die Rolle der EZB, sondern ich kritisiere die Politik. Es gibt deutsche Politiker, die behaupten, die EZB enteignet die Sparer. Realität ist aber, dass die Eurozone nicht funktioniert und der Euro von der EZB am Leben gehalten werden muss. Wir brauchen hier einen Lösungsansatz. Verschleppen hilft nicht.

NITRO: Und Ihr Vorschlag für eine Lösung lautet?

bto: Wir müssen überlegen, wie wir mit der unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Euroländern umgehen. Diese Fragen werden nicht gestellt, weil die deutschen Politiker zugeben müssten, dass Deutschland kein Eurogewinner ist. Deshalb werden die Finanzen abstrakt gehalten.

NITRO: Die Stützungskäufe der EZB sind unausweichlich?

bto: Ja. Würde sie nicht so agieren, wäre der Euro am Ende, aber das kann oder will die Politik den Bürgern nicht so knallhart sagen.

Im Moment kostet eine zehnjährige Hypothek weniger als ein Prozent Zinsen

NITRO: Die Politik führt die Sparer in die Irre?

bto: Ja. Wie wirken denn tiefen Zinsen? Nachteile haben die Menschen, die sparen, und all jene, die keine Schulden haben.

NITRO: Wer Schulden hat, ist im Vorteil?

bto: Vor allem der Staat. Ich habe es mal ausgerechnet: Zwischen und 2008 und 2018 hat der Bund 143 Milliarden Euro Zinsen gespart – weil er Schuldner ist. Private Haushalte sparen Zinsen, wenn sie ein Haus finanzieren. Im Moment kostet eine zehnjährige Hypothek weniger als ein Prozent Zinsen. Noch mal: Wer Schulden macht, wird bevorzugt, wer spart, verliert Geld. Wäre der Staat ehrlich, würde er seine Zinsersparnis an die Bürger weitergeben, damit die nicht weiterhin Geld verlieren.

NITRO: Der Staat spart, um Schulden zu senken und um die schwarze Null zu halten.

bto: Nein, Sparen würde bedeuten, dass der Staat weniger ausgibt. In den vergangenen zehn Jahren hat der Bund aber 280 Milliarden mehr ausgegeben. Es rechnet nur offenbar keiner nach.

Für mich ist die FINANCIAL TIMES die beste Tageszeitung der Welt

NITRO: Dann ist alles ein großer Bluff?

bto: Die Bürger werden hinters Licht geführt und die schwarze Null ist eine Lüge, weil die Zinsersparnis deutlich höher war als das, was getilgt wurde.

NITRO: Was Politiker vorgeben, wird von den Medien an die Leser transportiert. Beteiligen sich die Medien an einer großen politischen Inszenierung?

bto: Ich unterstelle keine Absicht, aber echtes Verständnis für Zusammenhänge der Wirtschaft und der Finanzen ist nur in wenigen Redaktionen vorhanden. Sie kennen sicher den Spruch: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.

Die Welt wird immer komplexer und die Debatte um die Finanzen wird nicht objektiv und rational geführt, sondern emotional – von Politikern und Journalisten.

NITRO: Sie meinen, die fachliche Auseinandersetzung gerät aus dem Blickfeld. Sind die deutschen Journalisten gegenüber Journalisten anderer Länder fachlich schlechter aufgestellt?

bto: Es gibt auch in Deutschland sehr gute Journalisten – nur leider zu wenige, die in Finanz- und Wirtschaftsfragen tatsächlich durchblicken. Die FINANCIAL TIMES oder der Economist spielen in einer anderen fachlichen Liga. Für mich ist die FINANCIAL TIMES die beste Tageszeitung der Welt. Die Journalisten dort betrachten Sachverhalte finanziell und begreifen die Komplexität. Und bevor jetzt die neoliberale Keule geschwungen wird: In der FINANCIAL TIMES gibt es Artikel, die die Vermögensverteilung kritisieren und Gegenmaßnahmen fordern. Die haben also durchaus auch linke Themen auf dem Plan.

Ein staatlich organisierter Fonds, der Vermögenswerte sammelt

NITRO: Kommen wir auf eine Idee aus Ihrem Buch, die Begründung eines deutschen Staatsfonds, um den Menschen eine Perspektive zu geben, Vermögen zu schaffen. Was ist daran gut?

bto: Ja, ich spreche mich in meinem Buch für einen solchen Fonds aus. Die Frage ist nur, wie soll ein solcher Staatsfonds aussehen? Ein staatlich organisierter Fonds, der Vermögenswerte sammelt und global für die Bürger in Deutschland anlegt – ja! Der Staat müsste garantieren, dass er das Geld seiner Bürger – so wie es Norwegen oder Singapur vormachen – global diversifiziert anlegt und deutlich höhere Renditen erwirtschaftet, von denen dann alle in Deutschland profitieren könnten. Das darf allerdings nicht vom Finanzminister administriert werden. Der Staat müsste den Rahmen setzen und eine Mindestgarantie für die Verzinsung geben. Alles, was darüber hinaus erwirtschaftet wird, bekommen die Bürger natürlich auch. Das wäre für die Zukunft der alternden deutschen Gesellschaft ein richtiges Modell.

Mehr Bildung, mehr Innovation, qualifizierte Zuwanderung

NITRO: Stichwort Zukunft: Wo sehen Sie Deutschland in den nächsten Jahrzehnten wirtschaftlich und finanziell?

bto: Da gibt es fundamentale Faktoren zu beachten. Die Bevölkerungszahl ist rückläufig. Eine schrumpfende Gesamtbevölkerung heißt weniger Wachstum, und auch die Produktivität und Leistungsfähigkeit pro Kopf nehmen deutlich ab. Deutschland investiert nicht ausreichend in Infrastruktur und nicht ausreichend in Unternehmen. Die Innovationsfähigkeit sinkt, weil unser Bildungssystem verfällt. Die Zuwanderung erfolgt vor allem in die unteren Lohngruppen und die weniger produktiven Bereiche. Hochqualifizierte Leistungsträger sehen ihre Zukunft nicht in Deutschland. Die Antwort der Politik auf diese Probleme ist immer die gleiche: mehr Besteuerung, mehr Umverteilung, mehr Sozialleistungen. Das geht auf Dauer nach hinten los.

Deutschland – man glaubt es kaum – hat außerdem eine veraltete Industrie. Alle Industrien, in denen wir gut sind, stammen aus der Kaiserzeit. Ein Großteil der deutschen Arbeitsplätze ist vom Auto abhängig. Wenn wir den Wandel in Richtung Elektromobilität – die sehr viel einfacher produziert werden kann – weiterhin verschlafen, werden wir nicht nur hier schon bald nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Die Zukunft Deutschlands wird also nur dann rosig sein, wenn die Politik bereit ist, radikal umzusteuern. Mehr Bildung, mehr Innovation, qualifizierte Zuwanderung, Lösung der europäischen Wirtschafts- und Finanzkrise, andere Wege im Sozialstaat, mehr Automatisierung und Robotik, Digitalisierung auf höchstem Niveau und nicht im Schneckentempo. Sie merken, leichte Aufgaben gibt es nicht zu verteilen. Es ist machbar! Aber nur, wenn wir bereit sind, uns neu zu organisieren. Ein guter Anfang wäre, wenn wir unseren lieb gewonnenen Selbstbetrug opfern würden.

→ nitromagazin.com: “Die Wohlstandsillusion “,2019

Kommentare (23) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Gnomae
    Gnomae sagte:

    Deutschland als Eurogewinner zu bezeichnen, wie von der Politik oft propagiert, ist eine These, die durch Fakten nicht belegbar ist. Durch die Corona-Krise ist der Begriff ohnehin obsolet, weil die Hoffnung auf den Erhalt des Reichtums als gering anzusehen ist. Wer die FT oder das WSJ liest, kann bereits erahnen, wie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich desaströs negativ verändern werden, dass das Coronavirus dagegen stiefmütterlich wirken wird. Verfolgt man die deutsche Presse, kann man den Eindruck gewinnen, die Leute haben sich über die Auswirkungen des Shut-down keine Gedanken gemacht. Die Gesellschaft aber auch noch nicht. Als Antwort auf die Krise müsste eigentlich gelten, den nicht absolut lebensnotwendigen Konsum sofort einzustellen und zu sparen. Schulden in einer Wirtschaftskrise sind für Privatleute tödlich, wenn sie vom Arbeitsplatz abhängig sind und dieser wegfällt. Angesichts des plötzlichen Überangebots an Arbeitskräften dürften Beschäftigungsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmer eine Illusion werden. Angesichts der Krise gibt es bisher wenig zukunftsweisende Ideen auf europäischer Ebene, außer dass der Verteilungskampf um Finanzmittel in vollem Gange ist. Wenn der Target II Saldo bei 3 Billiarden steht, wissen wir, wer nicht gewonnen hat.

    Antworten
  2. Felix Schroeder
    Felix Schroeder sagte:

    Ich bitte sich in Erinnerung zu rufen, dass eine erfolgreiche Währung eine der Grundlagen ist, die es für eine “rosige Zukunft” benötigt. Erfolgreich sind Währungen, die allgemein begehrt und akzeptiert werden, und verschieden Funktionen ausfüllen (primär Wertaufbewahrung und Tauschmittel). Dies ist heute nur der Dollar als das weltweit erforderliche Zahlungsmittel (für den Tausch). Für die Wertaufbewahrung kommt ein Mix aus Zahlungsmitteln wie Schweizer Franken, Aktien, Immobilien und besonders Edelmetalle zum Zuge, da auch der Dollar permanent Kaufkraft verliert.
    In einer solchen Lage, kann es günstige Perioden für einzelne Gruppen geben. Z.B. ist ein niedriger Zins günstig für Immobilienkäufer, die ihren Kauf VOR Eintritt der niedrigen Zinsen getätigt haben. Den neuen Käufern bringt der niedrige Zins nichts, weil die Preise der Immobilien entsprechenden nach oben gehen. (Aus dem gleichen Grund sind auch staatliche Zuschüsse sinnlos, weil sie eingepreist werden. Sie schaffen nur zusätzliche Kosten für die Allgemeinheit.)

    Grundhaft gesehen, ist es für die Entwicklung einer Gesellschaft aber viel besser, wenn sich nicht jeder zum Finanzexperten machen muss, sondern einfach sein Leben leben kann und sich auf seine Währung verlassen kann. Ein Wissenschaftler forscht dann und ein Handwerker werkelt, und beide wundern sich nicht, dass am Ende des Geldes noch soviel Monat übrig ist. Letzteres ist derzeit der Normalzustand (80-90% der Girokonten sind anämisch) und kann daher nicht allen Individuen angelastet werden, sondern ist Ausdruck einer volkswirtschaftlichen Fehlsteuerung. Davon haben wir eine Menge, der Euro ist ein wichtiges Problem davon.

    Ein anders Problem ist die Art und Höhe unserer Besteuerung: Wir belasten “Große” wenig, weil “systemwichtig”, “Arbeitsplätze” etc., das ist auch nicht von der Hand zu weisen, in einer globalisierten Welt. Umso mehr greift die Belastung in vielfältiger Form beim Mittelstand. Unten ist nichts zu holen. Wir machen ergo exakt das Gegenteil von dem, was nach aller menschlichen Erfahrung für jede Gesellschaft sinnvoll ist: wir schwächen den Mittelstand und bedienen Oben und Unten. (Schon Aristoteles hat uns ins Gebetbuch geschrieben, dass nur der Mittelstand eine Gesellschaft trägt.)

    Was wir schon sehr lange tun müßten: den Mittelstand entlasten. In absoluter Höhe aber auch durch Vereinfachung. Weniger Regulierung und weniger separate Steuern. Die Menschen am unteren Ende benötigen zwar Solidarität, müßten aber bei fairer Betrachtung auch zugeben, dass es Ihnen in Deutschland ziemlich gut geht und sehr leicht gemacht wird. Der Ruf nach “Mehr” ist menschlich verständlich aber derzeit völlig unangebracht. “Oben” muss von der Politik bei der Ehre gepackt werden, weil es nur so geht. “Oben” braucht man den Staat nicht so dringend und kann sich zur Not einen neuen Staat aussuchen. Wenn die Politik und Kultur eines Landes nicht so sind, dass es Menschen als Ehre empfinden, diesem Land anzugehören und ihm zu helfen, dann sind diese Menschen und ihre Vermögen für das betreffende Land verloren. Man benötigt also einen Wertekanon, der von diesen Menschen geteilt wird. Haben wir so etwas noch? Ich denke nicht. Unsere Politik erscheint mir nicht mehr wertegebunden, was auch weniger geht, weil wir eine breite Auffächerung des Wertesystems nach 68 erfahren haben. Wenigstens aber, muss das offen angesprochen werden und einige Auswüchse müssen auch eingefangen werden. Das Recht auf eine eigene Meinung schließt nicht aus, dass es schwachsinnige Ansichten gibt, die durch bessere Einsicht ersetzt werden sollten, aber auf keinen Fall Maxime des Regierungshandelns werden dürfen. Das wäre politische Arbeit die zu leisten ist.

    Antworten
  3. ruby
    ruby sagte:

    Wohlstand durch Zentralbanken,
    da gibt es andere Tatsachenwahrheiten:
    https://m.youtube.com/watch?v=p5Ac7ap_MAY&feature=youtu.be
    Kissen werden inszeniert, um strukturelle Reformen für die wenigen initierenden Vermögenden zu bekräftigen.

    Zentralbankgesetzlosigkeit,
    Bankderegulierungen,
    Vulture Culture der Globalrentieres,
    Aufkauf, Ausverkauf,
    Systemherrschaft all around

    Ein virtuell finanziertes Spiel um den realen Wohlstand der Mehrheit.

    Antworten
      • Horst
        Horst sagte:

        Konklusion Fricke / Zitat Dullien in Anlehnung an Schularicks Studie:

        „Wenn stimmt, was alle Daten zeigen, nämlich dass in Deutschland (weit mehr als anderswo) die Vermögen so atemberaubend einseitig bei wenigen ganz oben konzentriert sind, müssten wir eigentlich vor allem bei uns Vermögen stärker besteuern, unkt Sebastian Dullien vom IMK-Institut.

        Darüber schon mal nachzudenken, wäre in jedem Fall hilfreicher, als die Leute mit der Geschichte vom armen Deutschen und vom reichen Italiener gegeneinander aufzubringen.„

        Wie kann angesichts der in Diskussion stehenden Summen nicht synchron über steuerliche Abschöpfungen der jeweiligen Staaten diskutiert/entschieden werden, wenn auf Basis der Erhebungen von Schularick die Vermögenskonzentrationen nachgewiesen worden sind und unterstellt werden kann, dass diese mit Durchlass in der Realwirtschaft auch ankommen?

        Aus meiner Sicht müssen daher gerade jetzt Fiskal- und monetäre Hilfspolitik (für welche Finanzierungsart man sich auch immer entscheiden wird) in dieser Phase Hand in Hand gehen.

        p.s.: Die Geschichte vom reichen Italiener ist bei näherer Betrachtung in, nehme ich an, ebenso haltlos wie die Geschichte vom reichen Deutschen.

      • Thomas M.
        Thomas M. sagte:

        Der spezielle Freund assoziiert absatzweise passend zu seinem Wunsch Eurobonds, ist logisch aber wenig schlüssig, wenn er zuerst erklärt, weshalb Vermögensabgaben in Italien grotesk sind, um dann am Ende diese für Deutschland als nachdenkenswert zu empfehlen.

        Alles in allem ein primär emotionalisierender, recht substanzloser Beitrag. Einige scheinbare Zusammenhänge gebastelt, um schlechtes Gewissen zu machen.

        Ich bin (mittlerweile) übrigens auch für Direktinjektion von Geld an der Basis. Alles, nur keine weitere Kredite und damit Ausweitung der Schuld und Unfreiheit.

      • Thomas M.
        Thomas M. sagte:

        Nachtrag: Schularick müsste in 2021 ein Update machen, wie das Vermögen durch Besitz von privaten GmbHs aussieht. Bei vielen dürften sich die Gewinne gerade in Luft auflösen und somit auch die Vermögen basierend auf KGV-Berechnungsmethoden.

        Vielleicht könnte man auch mal Zahlen bringen, wie viele Steuern die Vermögensquantile zahlen und insbesondere dabei auch berücksichtigen, wie viel Steuern die in Deutschland ansässigen Kapitalgesellschaften zahlen. Das würde das Bestandsbild deutlich erweitern.

        Eine x Mio. € wertvolle Kapitalgesellschaft ist funktional etwas *völlig* anderes als x Mio. Euro oder auch Immobilien mit diesem Wert. Irgendwie wird das in der Debatte immer wieder gleichgesetzt.

        Insbesondere bei GmbHs oder nicht-börsennotierten AGs sind das fiktive Vermögen, weil man Anteile an diesen nicht liquide handeln kann und das Vermögen sich auch innerhalb eines Jahres (fast) komplett in Luft auflösen kann. Je nach Größe sind zudem die Gewinne so volatil, dass auch drei Jahre Mittelung wenig aussagekräftig sind.

    • Michael Stöcker
      Michael Stöcker sagte:

      Insofern bleibe ich bei der für ganz Euroland besseren Variante, die notwendigen Mittel über ECBs zu stemmen. Damit hätten wir zugleich die technische Basis, bei Bedarf zusätzlich sehr schnell Helikoptergeld einzusetzen.

      LG Michael Stöcker

      Antworten
  4. Gibson
    Gibson sagte:

    Es gibt auch andere Zahlen zum Nettovermögen, einfach mal Moritz Schularick auf Twitter folgen. Hat mir zumindest geholfen, da ich diese großen Unterschiede im Nettovermögen zwischen Italien und Deutschland für unrealistisch halte. Woher sollen denn die Kapitalerträge in IT kommen, die diese Vermögenswerte stützen?

    Das bedeutet natürlich nicht, dass Herrn Stelters Argumente zu Transfers innerhalb der EZ falsch sind. Nur habe ich manchmal das Gefühl, der Kern der Diskussion ist, die Vermögensverteilung innerhalb Deutschlands unter den Teppisch zu kehren um Vermögensabgaben in Deutschland abzuwenden.

    Mein Fazit: Vermögen sind insgesamt in Deutschland unterschätzt, dadurch wird auch die Vermögensungleichheit unterschätzt, eine Vermögensabgabe wäre sinnvoll, mit den zusätzlichen Einnahmen dann Einkommenssteuer senken anstatt Transfers innerhalb der EZ.

    Antworten
  5. Kosider Jürgen
    Kosider Jürgen sagte:

    @bto
    In diesem Interview werden verschiedene Variablen angesprochen, die suggerieren, dass diese den Wohlstand eines Landes definieren. Darüber könnte man trefflich streiten, was ich hier aber gar nicht möchte.

    Es geht mir eher um das Thema der Vergleiche von Nettovermögen, die an verschiedenen Stellen in diesem Block immer wieder zwischen Deutschland und insbesondere den südlichen Ländern gemacht werden. Es werden dabei Mittelwert und Median durcheinander gewürfelt. Ich habe auch noch keinen Hinweis auf die Quelle gefunden.

    Die Quelle für eine Untersuchung der Buba für Deutschland habe ich hier eingefügt.

    https://www.bundesbank.de/resource/blob/604882/79b133e44cdbb3f9346d0c399b3d94d5/mL/die-studie-zur-wirtschaftlichen-lage-privater-haushalte-data.pdf

    Daraus ist ersichtlich, dass Ende 2014 der Mittelwert der deutschen HH Nettovermögen bei 214.500 € lag, der Median bei 60.400 €, 74% der HH lagen unterhalb des Mittelwert und 10% der Haushalte besaßen 60% des Nettovermögen. Diese ungleiche Verteilung zeigt sich auch im GINI Faktor, der (Stand 2010) in D bei 76 im Vergleich zum restlichen Euroraum mit 63 lag. (1=Völlige Ungleichheit)

    Es ist zudem klar, dass die Nettovermögen insbesondere dann sehr stark schwanken, wenn Immobilienpreise und Aktienpreise sich verändern (nach oben/unten). Dies müsse man insbesondere in spanischen Netto HH Einkommen sehen, die einen hohen Immobilienanteil aufweisen.

    Ich halte daher diese zentrale Idee des Vergleichs der HH Nettovermögen im Euroraum nur dann für überzeugend, wenn diese mit aussagefähigen Zahlen begründet ist. Bisher haben mich die von bto angeführten Zahlen nicht überzeugt.

    Dass wir in Deutschland die Zukunft neu gestalten und dabei auch viel hinterfragen müssen, ist sehr richtig bemerkt. Das trifft übrigens auch für die anderen Länder im Euroraum zu. Ich habe selbst in F, UK, B, NL, CH gelebt und gearbeitet, und da gibt es überall sehr viel zu tun. Die Schweiz lasse ich mal in einer Wohlstandsdiskussion außen vor.

    Antworten
  6. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    >Die Zukunft Deutschlands wird also nur dann rosig sein, wenn die Politik bereit ist, radikal umzusteuern… Aber nur, wenn wir bereit sind, uns neu zu organisieren>

    War vor der Coronakrise richtig und ist nach ihr richtig.

    Die Bereitschaft, umzusteuern und uns neu zu organisieren, sind nur notwendige, aber KEINE hinreichenden Voraussetzungen für eine rosige Zukunft Deutschlands.

    Daher:

    Wir werden nach der Coronakrise in bestimmten Bereichen zwar radikal umsteuern und uns neu organisieren – vielleicht sogar mehr als je zuvor in Friedenszeiten -, aber die Zukunft Deutschlands wird alles andere als rosig sein, weil weitere Voraussetzungen nicht erfüllt werden können.

    Antworten
    • Susanne Finke-Röpke
      Susanne Finke-Röpke sagte:

      @Herrn Dietmar Tischer:

      Sie schreiben, weitere Voraussetzungen “können” nicht erfüllt werden, was Deutschlands Zukunft betrifft.

      Ich würde “können” durch “wollen” ersetzen. Ansonsten stimme ich Ihnen weitestgehend zu.

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Susanne Finke-Röpke

        Ich nehme Ihr völlig gerechtfertigtes „wollen“ auf, ersetze aber nicht „können“, sondern verbinde es damit wie folgt:

        Nach Lage der Dinge – vor der Coronakrise macht da keinen großen Unterschied zu ihr danach – haben wir nur die Alternative, die Eurozone und damit vermutlich auch die EU zerfallen oder dahinsiechen zu lassen.

        Zerfallen lassen wollen wir, Politiker und Bevölkerung, sie nicht, weil die Instant-Kosten als unzumutbar hoch erachtet werden.

        Da wir sie demnach dahinsiechen lassen MÜSSEN – von der Möglichkeit nachhaltigen Rettens kann keine Rede sein –, müssen wir die dafür notwendigen Erfordernisse erfüllen WOLLEN.

        Wenn man ein Ziel verfolgt, muss man auch die Mittel zu dessen Erreichen einsetzen wollen; wenn nicht, würde man widersprüchlich handeln. Denn es benötigt immer Mittel, um Ziele zu erreichen.

        Die notwendigen Erfordernisse erfüllen, heißt im vorliegenden Fall:

        Im Wesentlichen Transfers und Haftung leisten sowie regulative Verpflichtungen befolgen.

        Insbesondere die für andere geleisteten Transfers, aber auch Haftung und regulative Verpflichtungen sind Voraussetzung, die für eine rosige Zukunft Deutschlands erforderlich sind, aber nun fehlen.

        Folglich:

        Selbst WENN wir radikal umsteuern und uns neu organisieren, werden wir alles andere als eine rosige Zukunft haben, weil die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt werden KÖNNEN.

        Ich glaube, dass Sie auch damit ganz gut leben wollen/können ;)

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