Die Wohnungs­politik ist un­gerecht

Laut war vergangenes Jahr die Kritik am Tankrabatt. Alle würden profitieren, egal ob arm oder reich, und wer viel Kraftstoff verbraucht am meisten. Das war eine berechtigte Kritik an einer ökonomisch widersinnigen Maßnahme.

Umso erstaunlicher, dass im öffentlichen Diskurs ein vergleichbarer Eingriff im Wohnungsmarkt als berechtigt angesehen wird. Dabei wirken alle staatlichen Maßnahmen zur Begrenzung der Mieten – von Mietspiegel über Mietbremse bis zur Begrenzung der maximal zulässigen Mieterhöhung – wie ein Tankrabatt. Auch davon profitieren jene mehr, die mehr verbrauchen – unabhängig von ihrer Bedürftigkeit. Hier die Vierzimmerwohnung für den Single, dort die Tankfüllung für den SUV.

Nun mag man einwenden, dass die Interventionen am Wohnungsmarkt keine staatliche Subvention darstellen, sondern eine staatlich erzwungene Umverteilung von Vermietern zu Mietern. Die Nebenwirkungen bleiben jedoch erheblich.

Wie in jedem Markt, in dem der Preis künstlich unter dem sich aus Angebot und Nachfrage ergebenden Niveau gehalten wird, kommt es zu einer Verringerung des Angebots – Wohnungen werden nicht mehr vermietet, Mieter ziehen aus der günstigen großen Wohnung nicht mehr aus, auch wenn ihnen eine kleinere reichen würde.

Im Ergebnis teilt sich der Markt in Besitzende und Nicht-Besitzende. Wer eine Wohnung hat, profitiert von der staatlich erzwungenen Subvention, wer keine Wohnung hat, befindet sich mit viel mehr Interessenten im Wettbewerb als ohne den Eingriff. Das geht vor allem zulasten der Ärmeren. Die meisten Vermieter werden den finanziell solventesten Mieter nehmen, wenn sie die Auswahl haben.

Weniger Interventionen notwendig

Wie dramatisch die Marktverzerrung ist, zeigte eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Demnach leben jeweils sechs Prozent der Mieter in deutschen Großstädten in zu großen oder zu kleinen Wohnungen. Gelänge es einen Tausch herbeizuführen, würde sich die Engpasslage deutlich entschärfen.

Kein Wunder, dass die Politik immer lauter über den Wohnungstausch nachdenkt. Bei den Grünen stand es im Wahlprogramm und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) sieht es ebenfalls als Hebel, will aber vorerst noch keinen Zwang ausüben.

Dennoch ist klar, in welche Richtung es geht. Die Interventionsspirale der Politik, die mit immer mehr Eingriffen in den Markt die Folgen vorangegangener Interventionen zu bekämpfen versucht, dreht sich immer schneller. Dabei liegt die Lösung darin, die Intervention zu reduzieren.

Einen entsprechenden Vorschlag haben kürzlich Ökonomen um Steffen Sebastian von der Universität Regensburg vorgelegt: Die Mieten freigeben, die Bedürftigen gezielter mit Wohngeld unterstützen und den Markt arbeiten lassen.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Es würden deutlich mehr Wohnungen aus dem Bestand angeboten, weil es sich für Mieter lohnen würde, sich zu verkleinern. Es gäbe keine Subvention mehr für Mieter, die diese nicht benötigen und es gäbe einen stärkeren Anreiz zu bauen.

Finanzieren könnte man das – so die Professoren – über eine Sondersteuer für Vermieter. Ökonomisch vertretbar, würde doch die heute in die Hunderte von Milliarden gehende Zwangssubvention der Vermieter entfallen.

Lösung hat besonderen Charme

Man sollte es aber auch nicht übertreiben. Es sollte genügen, wenn mit der Sondersteuer der von Ökonomen auf rund 20 Milliarden Euro geschätzte zusätzliche Wohngeldbedarf in einem solchen Szenario gedeckt werden kann.

Das übrige, zusätzlich eingenommene Geld sollte den Vermietern bleiben, damit diese die nötigen Investitionen zur energetischen Sanierung stemmen können. Weitere Mieterhöhungen aufgrund der Investitionen wären nämlich in einem solchen Modell gar nicht mehr möglich.

Besonderer Charme an dieser Lösung: Die Mieten würden besonders bei älteren Bestandsbauten mit ihrem hohen Anteil an langjährigen Mietern steigen. Bei diesen ist auch der Sanierungsbedarf am höchsten.

Was spricht dagegen? Wohl vor allem der fehlende Wille und Mut der Politik, diesen Weg zu gehen und der Wunsch, sich immer mehr in die Märkte einzumischen. Wieder eine vertane Chance, Deutschland wirklich voranzubringen.

→ handelsblatt.com: “Die Wohnungspolitik ist ungerecht“, 23. April 2023