Die Industrieländer sind gefangen in der Überschuldung

Die NZZ diskutiert die Überschuldungslage in der (westlichen) Welt und hat mich in diesem Zusammenhang auch zitiert. Auszüge:

  • “In den ersten neun Monaten des Jahres 2017 ist die Verschuldung von Staaten, Unternehmen und Privathaushalten weltweit um 16,5 Bio. $ auf mehr als 230 Bio. $ gestiegen. Dieser anhaltende Anstieg zerstört eine Illusion – nämlich die, dass sich die globalen Schuldenberge durch die sogenannte «finanzielle Repression» abbauen lassen würden. (…)  In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gelang so in westlichen Ländern wie den USA und Grossbritannien ein kontinuierlicher Abbau der hohen Staatsschulden von mehr als 100% bzw. über 250% des Bruttoinlandprodukts.” – bto: das war auch meine Argumentation im Gespräch mit Herrn Ferber von der NZZ. Es klappt nicht, weil wir viel zu schnell zusätzliche Schulden machen.
  • “Im Gegensatz zu den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg habe die finanzielle Repression dieses Mal nicht funktioniert, sagt der Ökonom und Unternehmensberater Daniel Stelter. Das Grundproblem der hohen Schulden sei geblieben bzw. habe sich noch verschlimmert. Der weltweite Schuldenturm wachse weiterhin. Er könne nur stabilisiert werden, wenn die Zinsen immer weiter sänken.” – bto: das ist ganz wichtig. Weil die Schulden absolut und relativ immer höher sind, geht es nur mit immerwährend tieferen Zinsen.

Andere Situation als nach den Weltkriegen

  • “Die Wissenschafter Gunther Schnabl und Andreas Hoffmann von der Universität Leipzig gehen indessen davon aus, dass die Entschuldung durch finanzielle Repression in den Nachkriegsjahren nur möglich war, weil damals Sonderbedingungen herrschten. Das hohe Wirtschaftswachstum habe eine wichtige Rolle gespielt. Dieses sei dadurch entstanden, dass grosse Teile von Europa und Japan hätten wiederaufgebaut werden müssen.” – bto: wichtiger noch: die Demografie war besser! Wir hatten alleine deshalb schon höheres Wachstum.
  • “Die sehr expansive Geldpolitik lähme die Wachstumskräfte, weil marktwirtschaftliche Prinzipien untergraben würden. Die finanzielle Repression sei gekennzeichnet von zentralbankfinanzierten Staatsausgaben, staatlichen Kontrollen im Finanzsektor und geringeren Produktivitätsgewinnen. Zudem werden durch die ultraniedrigen Zinsen immer mehr Unternehmen am Leben erhalten, die eigentlich aus dem Markt ausscheiden müssten –sogenannte «Zombie-Unternehmen». Solche Firmen erhalten günstige Kredite von den Banken und investieren nicht in eine effizientere Produktion oder in Innovation.” – bto: siehe dazu auch meinen kürzlichen Kommentar beim manager magazin.

Populisten auf dem Vormarsch

  • “Laut Schnabl und Hoffmann hat die ultraexpansive Geldpolitik zwar einen Teil der Bevölkerung reicher gemacht. Dazu zählen vor allem Anleger, die in Immobilien und Aktien investiert haben. Grosse Teile der Bevölkerung seien durch die Geldschwemme aber ärmer geworden. So habe die Geldschwemme in vielen Ländern zur wachsenden Unzufriedenheit in der Mittelschicht geführt und damit dem Aufstieg von Populisten den Weg bereitet. Die beiden Wissenschafter sehen in den Industrieländern Parallelen zu den planwirtschaftlichen Strukturen in ost- und mitteleuropäischen Ländern vor dem Zusammenbruch des Kommunismus.” – bto: weil wir die Budgetrestriktion abgeschafft haben.
  • “…der wachsende Protektionismus in Industrieländern, allen voran den USA, sei ein Zeichen der wirtschaftlichen Eiszeit, sagt Stelter. In einer Welt mit schwächerem Wirtschaftswachstum sinke die Toleranz gegenüber Handelsbilanzüberschüssen anderer Länder.” – bto: was uns in Deutschland noch teuer zu stehen kommen wird.
  • “Trump versuche mit seiner Politik gewissermassen, die US-Wirtschaft «aus der wirtschaftlichen Eiszeit zu bomben», sagt Stelter. Allerdings glaubt der Ökonom nicht, dass es den USA gelingen werde, nachhaltig zu den Wachstumsraten von vor der Krise zurückzukehren. Die Frage sei vielmehr, ob die Zinsen nachhaltig überhaupt steigen könnten.” – bto: können sie nicht, weil dann die Blase platzt.

Steigende Zinsen nur eine Zwischenperiode?

  • “Stelter geht davon aus, dass es sich bei den steigenden Zinsen um eine Zwischenperiode handelt. Die Welt sei gewissermassen in der Überschuldung gefangen. Würden die Zinsen zu stark steigen, drohe das ganze überschuldete System zu kippen. Unter anderem würde dann ein massiver Anstieg der Unternehmensinsolvenzen drohen. Die kritische Schwelle beim Zins sinkt mit steigender Verschuldung immer weiter – ein Teufelskreis, aus dem es laut Stelter kein schmerzfreies Entkommen gibt.” – bto: Lesern dieser Seiten wohlbekannt.
  • “Auch Schnabl und Hoffmann halten die Lage für schwierig; da Strukturreformen für einen Abbau der Staatsausgaben demokratisch schwer umsetzbar sind, liegt für sie der Ball bei den Zentralbanken. Die beiden Wissenschafter fordern einen schrittweisen Ausstieg aus der finanziellen Repression durch eine Beendigung von Anleihekäufen und konzertierte Zinserhöhungen der Notenbanken, beispielsweise um 0,5 Prozentpunkte pro Jahr über eine lange Periode hinweg. (…)Der gemächliche Anstieg der Zinsen würde bewirken, dass überschuldete Staaten und Zombie-Unternehmen mehr und mehr gezwungen wären, endlich reinen Tisch zu machen. Sie müssten sich bewegen und ihre ineffizienten Strukturen überarbeiten.” – bto: was natürlich naiv ist. Denn wer trägt den Schaden? Dies ist die entscheidende Frage! Und um die Beantwortung drücken sich alle.

Die Notenbanken und der «Giftmüll»

  • “Stelter hält einen ähnlichen Crash an den Finanzmärkten wie im Jahr 2008 für nicht unwahrscheinlich. Im Anschluss daran sei davon auszugehen, dass die Notenbanken erneute Rettungsprogramme starten würden. Möglicherweise komme dann auch das bereits in den vergangenen Jahren diskutierte Instrument des Helikoptergelds zum Einsatz. Insgesamt gesehen hätten die Notenbanken das «Spiel» viel zu weit getrieben, sagt Stelter. Mit immer billigerem Geld haben sie auf Zeit gespielt, das Problem jedoch immer grösser gemacht.”
  • “Eine «Lösung» für das Problem der Überschuldung könnte sein, dass die Schulden über die Notenbankbilanzen abgeschrieben werden. Japan scheint diesen Weg zu gehen. So hält die japanische Notenbank Bank of Japan bereits mehr als 50% der ausstehenden Schulden des japanischen Staats. Ob das funktionieren kann, ohne das Vertrauen in die japanische Währung zu zerrütten, bleibt abzuwarten. Laut Stelter handelt es sich dabei um «ein einmaliges Experiment».”

Blasen, wohin man schaut

  • “Die in den vergangenen Jahren zu beobachtende Inflation der Vermögenspreise könnte sich noch eine Weile fortsetzen, wie Schnabl und Hoffmann erwarten. Allerdings könnte sie eines Tages auch «wegreguliert» werden – nämlich dann, wenn sie drohe, noch grössere Keile in die Gesellschaft zu treiben. Dann könnten Regierungen neue Abgaben auf Finanzmarkt-Transaktionen und für Immobilienbesitzer oder Preisanstiegskontrollen für Liegenschaften beschliessen.” – bto: hatten wir ja auch schon auf diesen Seiten, ich erinnere an den Kommentar: → Enteignung – weil es mit der Inflation nicht klappt?

Nur: auch dadurch verschwinden die Schulden nicht. Man müsste an denen ansetzen, natürlich mit den entsprechenden Verlusten für die Gläubiger.

NZZ: “Die Industrieländer sind gefangen in der Überschuldung – was ist der Ausweg?”, 28. März 2018