Die Hoffnung auf Reflation war im November 2016 real

Dieser Kommentar erschien bei der WirtschaftsWoche Online und bto im November 2016. Es zeigt auch meinen Irrtum bezüglich der “Reflation”. Zwar war ich wohl einer der Ersten, die das Thema gebracht haben, doch wie schon damals befürchtet, zeichnet sich ab, dass es eben nicht dazu kommt. Dennoch interessant, sich an die damalige Argumentation zu erinnern:

Unzähliges ist über die US-Wahl geschrieben worden. Hillary Clinton sah wie die sichere Siegerin aus, und für die Kapitalmärkte war die Schlussfolgerung klar: more of the same. Keine große Veränderung. Lediglich einige Branchen, wie zum Beispiel die Pharmaindustrie, könnten getroffen werden, was auch die Underperformance der letzten Monate erklärt.

Nun wird es doch noch spannend. In den letzten Umfragen holt Donald Trump auf, und obwohl es immer noch nicht wahrscheinlich ist, so ist seine Wahl doch nicht mehr ganz auszuschließen. Ohnehin sollten wir spätestens seit dem Brexit-Votum wissen, dass Meinungsumfragen nicht so zuverlässig sind, wie gedacht. Wie in Großbritannien gibt es auch in den USA eine große Gruppe von Verlierern der Globalisierung, die von den politischen Eliten vergessen wurde. Der deutschstämmige Internet-Milliardär Peter Thiel hat diese Missstände in einer Rede prägnant auf den Punkt gebracht: stagnierende Einkommen, explodierende Kosten für Gesundheit und Bildung, geringe Altersvorsorge, hohe Verschuldung und eine Politik, die auf das Aufpumpen von Blasen setzt – erst Aktien, dann Immobilien – um die Schaffung von Wohlstand zu suggerieren. Gründe genug allemal, um für einen grundlegenden Politikwechsel zu werben. Ob Trump dafür der Richtige ist, sei dahingestellt. Amerikanische Ökonomen sind äußerst skeptisch. Jedenfalls reiht sich seine fundamentale Ablehnung bisheriger Politikmuster ein in den größeren Trend, den wir derzeit mit dem Misstrauen gegen den Freihandel, die EU, die etablierten Medien – kurz: den Mainstream“ – beobachten.

Als Geldanleger müssen wir uns (unabhängig von der hier immer wieder gepredigten langfristigen Strategie) wohl oder übel auf das Szenario „Trump gewinnt die US-Wahlen“ einstellen.

Deutliche Korrektur an den Börsen

Zunächst gehe auch ich, wie viele Beobachter, davon aus, dass die weltweiten Aktienmärkte auf die Nachricht negativ reagieren würden. Trump hat genügend Aussagen im Wahlkampf getroffen, die ihn als unsicheren Kantonisten erscheinen lassen; das breite Medienecho auf seine Wahl dürfte entsprechend negativ sein und diesen Effekt verstärken. Dieser Einbruch träfe Aktienmärkte, die ohnehin schon am Limit notieren. Wie hier in den letzten Wochen vorgerechnet, sind die Bewertungen so weit gestiegen, dass selbst ohne Crash auf Sicht von zehn Jahren nur noch maue Renditen von rund zwei Prozent zu erwarten sind. Kommt es zu einem Einbruch, kann dieser durchaus zu einer heftigen Korrektur von zwanzig bis dreißig Prozent in den kommenden Monaten führen. Trumps Wahl wäre dabei Auslöser, jedoch nicht Ursache. Die Grundlage für diesen Einbruch haben die Notenbanken der Welt mit ihren Gelddruckaktivitäten gelegt, die Vermögenswerte treiben, die Realwirtschaft jedoch nicht beleben können. Die Gründe dafür sind den Stammlesern dieser Kolumne wohlbekannt.

Die viel spannendere Frage ist jedoch: was dann? Ist die Wahl Trumps der Auftakt für einen weltweiten Abschwung oder nur eine Kaufgelegenheit?

Trump will radikale Reflationierung

Donald Trump hat mit vielen Äußerungen politisch angeeckt und einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Deshalb wurde sein Interview vom 9. Mai bei CNN in den USA schnell wieder vergessen und in Europa gar nicht groß wahrgenommen. Ein weiterer Trump-Blödsinn, dachten die meisten. Dabei hat er an diesem 9. Mai eine Haltung offenbart, die ich durchaus als einen „Game Changer“ im Eiszeit-Szenario der säkularen Stagnation in Wirtschaft und Finanzmärkten bezeichnen würde. Gefragt, wie er denn gedenke, mit den hohen Schulden der USA umzugehen, lautete Trumps Antwort: “You print the money.”  Er selbst als Schuldenkönig wüsste wohl am besten, wie man mit Schulden umzugehen habe.

Trump hat damit als erster (potenzieller) Regierungschef eines der G20-Länder offiziell den Einsatz der geldpolitischen Helikopter unterstützt. Durch die direkte Finanzierung der Staatsausgaben durch die Notenbank und perspektivisch eine Annullierung der aufgekauften Staatsschulden erhoffen sich Politiker und Volkswirte eine Überwindung der Eiszeit.  Japan ist bereits sehr weit in diese Richtung unterwegs, in Europa beginnt die Diskussion.

Historisch ist das übrigens keine Premiere. Zur Finanzierung des Bürgerkrieges haben die Nordstaaten unter Präsident Lincoln zinslose Treasury Notes ausgegeben, um Staatsausgaben zu finanzieren. In der Spitze betrug das Volumen der als „Greenbacks“ bezeichneten zinslosen und nicht zu tilgenden Notes immerhin 450 Millionen Dollar, was heute rund 5000 Milliarden entspricht. Der Vorteil, damals wie heute, ist neben der zinsfreien dauerhaften Finanzierung des Staates, dass die Geldmenge gesteigert wird, ohne auf das Bankensystem angewiesen zu sein. Damit würden die USA wieder mehr Kontrolle über die Geldschöpfung erlangen, ein Thema, welches in Europa zurzeit überhaupt nur in der Schweiz und in Island diskutiert wird, wo es Überlegungen gibt, auf ein Vollgeldsystem umzusteigen. In einem solchen Geldsystem wird das Geld nicht mehr von den Geschäftsbanken geschaffen, sondern nur noch von der Zentralbank. Unabhängig davon, wie man grundsätzlich dazu steht, dürfte es unmittelbar stimulierend wirken.

Wer es zuerst tut, gewinnt

Ein weiterer Blick in die Geschichte – und zwar sowohl in die Zeit der großen Depression, wie auch in die letzten Jahre des 19. Jahrhunderts – zeigt, dass es jenen Ländern wirtschaftlich am besten erging, die am erfolgreichsten eine Reflationierung erwirken. Also einen deutlichen Anstieg des Preisniveaus, der dazu beiträgt, die Schuldenlast real zu entwerten. Je protektionistischer ein Land war und je schneller es schaffte, die eigene Währung zu entwerten, desto größer war der Erfolg. Ein Präsident Trump würde vermutlich genau diesen Weg beschreiten. Eine Begrenzung der Zuwanderung dürfte zu steigenden Löhnen führen. Protektionistische Eingriffe – wie auch immer begründet – zur Verlagerung von Produktion in die USA und tendenziell steigenden Preisen. Helikopter-finanzierte Konjunkturprogramme zu höherem Wachstum und – vermutlich – zu einer deutlichen Schwächung des US-Dollars, was wiederum Exporte fördert und Importe beschränkt. Macht Trump seine Drohung wahr, von den Verbündeten mehr militärische Eigenleistung zu fordern und die militärischen Aktivitäten im Ausland zurückzuführen, so hat auch dies eine belebende Wirkung für die USA.

Damit wären die USA das Land, welches am aggressivsten diesen Kurs verfolgt. Europa könnte darauf schon alleine aufgrund der Struktur des Eurosystems nicht oder nur sehr zeitverzögert regieren. Der Euro würde deutlich aufwerten, die Inflation weiter sinken. Die Spannungen in der Eurozone würden weiter zunehmen, und die  hier mehrfach diskutierten Szenarien für eine Auflösung des Euro an Aktualität gewinnen.

 Anders als bei dem Brexit-Votum muss aus Anlegersicht nicht sofort gehandelt werden. Ich selbst denke, mit Blick auf die geringe Wahrscheinlichkeit eines Sieges von Donald Trump ist kein vollständiger Ausstieg aus den Märkten angezeigt. Eine taktische Reduktion der Aktienquote jedoch in jedem Fall, alleine schon aufgrund des hohen Bewertungsniveaus. Sollte Trump gewinnen und die hier diskutierten Maßnahmen tatsächlich umsetzen (können), wäre die Strategie klar: Dollar verkaufen; Aktien von US-Firmen, die von Konjunkturprogramm und Protektionismus profitieren, kaufen (abgesichert!); Gold aufstocken, weil Inflation dann deutlich wahrscheinlicher wird; auf neue Krise des Euro einstellen.

WiWo.de: “Mit Trump kommt die Reflation”, 3. November 2016

Der Beitrag erschien auch als Gastbeitrag in der internationalen Ausgabe des Handelsblatts:

global.handelsblatt.com: “Trump Win Could Bring Back Euro Crisis”, 4. November 2016

Kommentare (10) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Frank Präuner
    Frank Präuner sagte:

    Sehr geehrter Herr Stöcker,

    ich glaube schon, dass wir uns in den wesentlichen moralischen Fragen eigentlich einig sind.Und ich gebe Ihnen vollkommen Recht mit ihren Aussagen. Problematisch halte ich es nur wenn der Bestrafungsmechanismus des Marktes in einer kapitalistischen Welt nicht mehr funktioniert! Eine Marktwirtschaft ohne Bestrafungsmechanismus kann m.E. auf Dauer nicht funktionieren!

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  2. Frank Präuner
    Frank Präuner sagte:

    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/fed-chefin-yellen-keine-weitere-finanzkrise-zu-lebzeiten-15080963.html
    Naja es könnte auch sein, dass wir uns alle in diesem Blog bzgl. der weiteren Entwicklung der Weltwirtschaft komplett irren! Volkswirtschaftslehre bzw. Nationalökonomie ist halt keine Wissenschaft im naturwissenschaftlichen Sinne und wird es auch m.E. nie sein. Die Zukunft ist offen…Frau Yellen ist da viel optimistischer. Vielleicht hat Sie ja Recht, obwohl ich ihre Meinung nicht teile, sondern die von Herrn Dr. Stelter vertretene Ansicht der kommenden Eiszeit. Aber eigentlich sollten wir alle in diesem Blog hoffen, dass Herr Dr. Stelter und die Blog Teilnehmer sich irren……!

    Antworten
      • Frank Präuner
        Frank Präuner sagte:

        Naja Herr Stöcker,
        Herr Bernanke, Draghi und die ganzen Notenbankerzunft haben ja sehr viel zu diesem großem Ungleichgewicht beigetragen. Wo wären die ganzen Reichen heute ohne die Notenbanker? Können Sie sich noch in der Krise erinnern, wie Frau Schäffler weinend mit ihrer Belegschaft auf ihrem Gelände demonstriert hat, dass man ihr Unternehmen doch gefälligst retten soll! Und wo steht die Dame mit Sohn heute da! Wer Risiken in einer kapitalistischen Welt eingeht, muss auch dafür haften. Risiko und Haftungsfunktion wurden aber seit 2008 durch staatliche Institutionen (Notenbanken etc.) voneinander getrennt. Dann sollte man sich aber auch nicht über derartige Ergebnisse wundern.
        Und geändert hat sich gar nichts! Das Spiel geht genauso weiter wie bisher! Für mich bedeutet dies, dass der Mensch offensichtlich erst lernt, wenn die Kacke so richtig am Dampfen ist. Ergo, vielleicht wäre es besser gewesen, dass die staatlichen Institutionen 2008 nichts zur Rettung des Bankenwesens beigetragen hätten. Die Ungleichheit unter den Menschen wäre heute mit Sicherheit sehr gering. Aber vielleicht würden wir jetzt wieder in den Höhlen leben……

      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        „Naja Herr Stöcker,
        Herr Bernanke, Draghi und die ganzen Notenbankerzunft haben ja sehr viel zu diesem großem Ungleichgewicht beigetragen.“

        Naja Herr Präuner,
        das Umfeld wurde doch schon lange zuvor in den 80er Jahren geschaffen (Deregulierung des Finanzsektors, Steuersenkungswettbewerb, Gewährung von Steueroasen, Förderung des Niedriglohnsektors ohne materiellen Ausgleich etc. pp).

        „Wo wären die ganzen Reichen heute ohne die Notenbanker?“

        Wenn ein Atomkraftwerk droht, in die Luft zu fliegen, dann kann ich ja auch nicht tatenlos zusehen, weil die potenziellen Kollateralschäden unermesslich sind; und eben nicht nur für die Betreiber des Atomkraftwerkes. Insofern passt ihr Höhlenbeispiel sehr gut.

        Es ist immer das gleiche Problem, wenn ein bestimmter Teil der Gesellschaft den Hals nicht voll bekommt. Nicht umsonst zählt die Habgier zu den sieben Hauptlastern. Adam Smith kannte den daraus folgenden destruktiven Mechanismus nur zu gut:

        „Allein der Gewinnsatz steigt nicht, wie die Rente und der Arbeitslohn, mit dem Gedeihen der Gesellschaft und sinkt nicht mit ihrem Verfall. Er ist im Gegenteil seiner Natur nach in reichen Ländern niedrig und in armen hoch, in Ländern aber, die am schnellsten ihrem Untergang entgegeneilen, ist er stets am höchsten.“ https://books.google.de/books?id=S8hwCwAAQBAJ&lpg=PP1&hl=de&pg=PA149#v=onepage&q&f=false

        LG Michael Stöcker

  3. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    >„You print the money.“…
    Trump hat damit als erster (potenzieller) Regierungschef eines der G20-Länder offiziell den Einsatz der geldpolitischen Helikopter unterstützt. Durch die direkte Finanzierung der Staatsausgaben durch die Notenbank und perspektivisch eine Annullierung der aufgekauften Staatsschulden erhoffen sich Politiker und Volkswirte eine Überwindung der Eiszeit.>

    Mit dem was Fed-Verantwortliche dieser Tage gesagt haben, wird die Notenbank die Staatsausgaben nicht durch Helikoptergeld finanzieren. Im Gegenteil: Sie wird Liquidität einsammeln.

    >Je protektionistischer ein Land war und je schneller es schaffte, die eigene Währung zu entwerten, desto größer war der Erfolg. Ein Präsident Trump würde vermutlich genau diesen Weg beschreiten.>

    Würde er gern WOLLEN, aber nicht können.

    Mit dem Protektionismus SCHADET er der US-Wirtschaft, nicht zuletzt auch seinen Wählern.

    So würden Einfuhrzölle importierte Waren für die einheimischen Verbraucher verteuern, die sich deswegen weniger kaufen können.

    Zu glauben, dass sie DESHALB in der USA hergestellt Waren kaufen werden, ist Wunschdenken. Denn zum einen sind diese Waren nicht absolut billiger geworden und zum anderen wollen bzw. müssen sie ihren Bedarf mit Importen decken.

    Es ist auch Wunschdenken zu glauben, dass Güter, die mit Zoll belegt werden, wegen des Zolls in USA gefertigt werden.

    Ich bin ganz sicher, dass BMW sein Werk in Mexiko bauen wird. Können die dort gefertigten Automobile wegen erhobener Zölle nicht in USA abgesetzt werden, wird man sie woanders verkaufen. Da der US-Markt nicht mehr erschlossen werden muss, wird man den Kostenvorteil des Standorts Mexiko nicht aufgeben.

    Kurzum:

    „America first“ kann man Trump nicht übel nehmen. Aber zu glauben, dass man dieses Ziel in dieser Welt durch Isolationismus erreichen kann, ist einfach nur dumm.

    Meine Überzeugung:

    Die Amerikaner werden aus Eigennutz dafür sorgen, dass Trump seine abstrusen Vorstellungen nicht durchsetzen kann.

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  4. Wolfgang Selig
    Wolfgang Selig sagte:

    Sehr geehrter Herr Dr. Stelter, schade, dass Sie den Artikel von damals nur wiederholen. Interessant wäre m.E. gewesen, wie Sie heute Ihre jeweiligen Passagen beurteilen. Idealerweise mit Einschüben je Absatz, wie Sie es ja bei der FT, bei FuW und anderen auch regelmäßig handhaben.

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    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      Danke für den Hinweis. Leider ist es auch immer eine Frage des Zeitbudgets wie Sie sich sicherlich denken können. Aber es ist eine gute Idee, vielleicht mache ich daraus mal was. LG DSt

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