Die Goldfrage

Dieser Kommentar von mir erschien in der Augustausgabe des Magazins Cicero:

„Sehr geehrter Herr Dr. Stelter, welches Argument spricht neben Lagerung, Bindung des Edelmetalls an den Dollarkurs und der Abhängigkeit vom Zinsumfeld gegen eine Anlage des Gesamtvermögens nur in physischem Gold?“ So begann eine Leserzuschrift im vergangenen Monat. Angesichts der Überschuldung der Welt, der ungelösten Eurokrise, drohenden Handelskriegen und eines maroden Bankensystems kann man die Überlegung gut nachvollziehen. Ist es nicht Gold, welches in allen Zeiten seinen Wert behalten hat?

Eine Illusion, wie die genauere Analyse zeigt: Gold nimmt an der allgemeinen Entwicklung des Wohlstands nicht teil. Es stimmt zwar, dass man sich im alten Rom für den Gegenwert einer Unze Gold eine gute Toga kaufen konnte, während man heute für 1.000 Euro, dem entsprechenden Wert dieser Unze Gold,  einen guten Anzug bekommt. In Relation zum verfügbaren Einkommen sind Anzüge heute jedoch deutlich günstiger als Togen im alten Rom. Der Fortschritt hat den Wohlstand deutlich vergrößert. Besonders eindrücklich wird dieser Nachteil von Gold, wenn man auf die Phase der industriellen Revolution zurückblickt. Wer im 15. Jahrhundert Gold gekauft hat und dieses in der Familie über Generationen immer weitervererbt hat, erlitt über 500 Jahre einen realen Verlust von rund 90 Prozent.

 Gold ist unproduktiv, wie auch Kunst, Oldtimer, Wein und ähnliche Sammlerstücke. Deren Wert basiert ausschließlich auf der Erwartung einer Wertsteigerung, die wiederum von der Erwartung weiterer Wertsteigerung getrieben ist. Je tiefer das Zinsniveau, desto höher der potenzielle Preis, weil die Opportunitätskosten entsprechend geringer sind.

Wenn man aus der berechtigen Angst um sein Vermögen in Sachwerte diversifizieren möchte, dann ist Gold naheliegender als diese exotischen Anlageklassen. Der wesentliche Vorteil von Gold liegt darin, dass es homogen, international akzeptiert und relativ kompakt ist. Je homogener und kompakter ein Gut, desto besser kann es im Krisenfall genutzt werden.

Wohin man blickt, drohen erhebliche Vermögensverluste. Gefangen in Überschuldung und Stagnation und mit Blick auf die erheblichen ungedeckten Versprechen für Renten und Gesundheitsleistungen einer alternden Gesellschaft, werden die Politiker garantiert den Weg des geringsten Widerstandes gehen: Geld drucken. Dann möchte ich nicht ohne eine Alternative zu unserem Geldsystem dastehen.

Die Frage ist nur, zu wie viel Prozent? Sicherlich nicht zu 100 Prozent. Ich werbe immer für ein diversifiziertes Portfolio von Gold, Aktien, Immobilien und Liquidität. Angesichts der hohen Bewertung von Aktien und Immobilien mag man etwas mehr Gold und Liquidität halten. Fürchtet man wirklich den kompletten Zusammenbruch des Finanzsystems oder einen Zerfall der Eurozone, gilt ohnehin die alte Erkenntnis, dass die Menschen mit den Waffen das Gold dann an sich bringen. Besser ist es da, neben dem diversifizierten Portfolio einen Vorrat an Nahrungsmitteln und Benzin zu halten und eine Fläche, auf der man Lebensmittel anbauen kann. Anregungen gibt die im Internet verfügbare neue Broschüre der schwedischen Regierung zur privaten Vorsorge in zunehmend gefährlichen Zeiten.

Interessant ist, dass Gold zurzeit relativ billig ist, trotz der erheblichen Unsicherheiten in der Welt. Dies dürfte mit der Erwartung weiterer Zinssteigerungen in den USA und einem weiterhin stärkeren US-Dollar zusammenhängen. Kommt es zu den befürchteten Turbulenzen, dürfte Gold relativ besser abschneiden, ein guter Zeitpunkt also, die eigenen Bestände etwas aufzustocken. Mit Augenmaß.