„Die EZB ist noch lange nicht am Ende“

Wer glaubt, die EZB ist mit ihren Mitteln am Ende, irrt. Jetzt geht es erst richtig los. Doch auch dies bietet Chancen für Anleger.

Die EZB hat geliefert. Vor einer Woche habe ich an dieser Stelle dazu geraten, in das zu erwartende Strohfeuer hinein zu verkaufen. Denn der EZB wird es mit den beschlossenen Maßnahmen genauso wenig wie bisher gelingen, die Eurozone aus der Krise zu führen. Es funktioniert nun mal nicht, eine Insolvenz mit immer mehr Liquidität und Schulden zu lösen. Man kann nur die Konkursverschleppung fortsetzen, in dem man den Schuldnern die Zinsen erlässt oder – die wirklich neue Volte in dieser Krise – noch Geld dafür bezahlt, dass sie sich verschulden. Wie hoch die Überschuldung ist, sieht man daran, dass selbst bei Negativzinsen die Schulden noch schneller wachsen als die Wirtschaft. Mathematisch ist da per Definition irgendwann einmal Schluss.

Die EZB und mit ihr die anderen Notenbanken setzen alles daran, den Schlusspunkt der Entwicklung aufzuschieben. Um jeden Preis soll der Status quo erhalten werden. Im Interesse der Politiker, die ein Scheitern des Euro für undenkbar halten und zudem davor zurückschrecken, dem Wahlvolk die Wahrheit zu sagen. Aber auch im Interesse der Banken, die sonst wie der Kaiser im Märchen für jedermann offensichtlich nackt durch die Straßen laufen. Damit braut sich eine explosive Lage zusammen, die Wahlergebnisse mit sich bringen könnte, die die Ereignisse vom letzten Sonntag in den Schatten stellen. Aber Politik ist ja nicht Gegenstand dieser Kolumne.

Sicher ist, dass die letzten Zweifel am Endspiel verfliegen. Die Zeichen stehen ganz klar auf umfassende Monetarisierung der Schulden. An dieser Stelle habe ich bereits mehrfach erläutert, was zu tun ist, wenn die Helikopter kommen, und die Notenbanken Staaten direkt finanzieren und in einem nächsten Schritt die Schulden gleich über die Notenbankbilanz bereinigen.

Vorerst setzt sich der Kampf zwischen Deflation und Inflation fort: Die hohe Schuldenlast, die Fehlinvestitionen und Überkapazitäten aus der Boomphase, die verhinderte Bereinigung derselben und in Folge die Alimentierung von real- und finanzwirtschaftlichen Zombies führen zu einem erheblichen deflationären Druck. Diesem kann reine Geldpolitik immer weniger entgegensetzen. Genau aus diesem Grund lassen sich folgende Wellen der wirtschaftspolitischen Interventionen absehen:

  • In der nächsten Welle ist die direkte Finanzierung von Konjunkturprogrammen zu erwarten.
  • Da dies nicht genügen wird, werden die Notenbanken zusätzlich direkt oder indirekt (also über den Umweg über Staaten) den Banken die faulen Forderungen abnehmen.
  • Intelligente Regulierung vorausgesetzt – was nicht so wahrscheinlich ist – wird Pensionsfonds und Lebensversicherungen ermöglicht, in Sachwerte, also vor allem Immobilien und Aktien zu diversifizieren. Japan macht dies gerade vor, wo diese Investoren Staatsanleihen an die Bank of Japan verkaufen und stattdessen in Aktien und ausländische Wertpapiere investieren.
  • Nach dem massiven Aufkauf von Staatsschulden wird die EZB diese zu einem zukünftigen Zeitpunkt annullieren. Oder zins- und tilgungsfrei stellen, was wirtschaftlich dasselbe ist.

Wie immer kann man auch hiervon als Investor profitieren. Konjunkturprogramme nutzen erfahrungsgemäß Infrastruktur- und Baufirmen und mit etwas Abstrichen dem Konsumgütersektor. Werden die Maßnahmen mit einem bestimmten politischen Ziel verknüpft, wie zum Beispiel dem Umweltschutz (z. B. Elektromobilität) oder der Digitalisierung (z. B. Breitbandnetze), ergeben sich wunderbare Sonderkonjunkturen, auf die es sich immer noch lohnt aufzuspringen, wenn sie verkündet werden. Um das Ganze vor dem Wähler zu verstecken tippe ich darauf, dass sich Brüssel direkt Geld leihen wird, und die EZB zeichnet dann einfach die 100-jährige Negativzins-Anleihe von Herrn Juncker.

Da solche Konjunkturprogramme jedoch das Grundproblem nicht lösen, wird Europa auch dann – wie Japan in den letzten Jahrzehnten – in einer Stagnation verharren, vor allem auch angesichts der demografischen Entwicklung. Deshalb wird die EZB den Banken helfen, ihre Bilanzen zu bereinigen. Zum Beispiel, indem sie staatlich garantierte (ja, was ist so eine Garantie schon wert …) Asset Backed Securities kauft, deren „Asset“ der Restmüll der Banken ist. Zu diesem Zeitpunkt wird es sich lohnen, die Rally in den Bankwerten mitzunehmen. Langfristig gehören Banken dennoch nicht in das Depot, werden sie doch zu dem zurückgestutzt, was sie eigentlich sind: zu Versorgern und Dienern der Realwirtschaft. Überkapazitäten und technologischer Wandel (Fintechs) tun ein weiteres.

Um Pensionsfonds- und Lebensversicherungen bei der beabsichtigten Inflationierung nicht völlig unter die Räder kommen zu lassen, wäre es dringend geboten, die Regulierung zu ändern. Da die EZB ohnehin die Staatsanleihen aufkauft, ist es zur Sicherung der Staatsfinanzierung nicht mehr erforderlich die Versicherungen in diese Anlageklasse zu zwingen. Stattdessen sollten Versicherungen massiv in Sachwerte diversifizieren. Jedes Signal einer Regulierungsänderung sollte auch hier für eine deutliche Outperformance sorgen.

Doch machen wir uns nichts vor. Nur durch Beseitigung der faulen Schulden endet die Dauerkrise. Deshalb steht am Ende das große monetäre Experiment: die Annullierung der Staatsschulden auf den Bilanzen der Notenbanken. Es kann gut sein, dass noch Jahre vergehen, bis es so weit ist. Es wird spannend sein zu sehen, ob die Optimisten dann recht behalten, die mit Blick auf die Tatsache, dass das Geld ja bereits im Umlauf ist, keine Inflation erwarten oder die Pessimisten (denen ich mich zurechne), die eine massive Inflation aufgrund eines weitgehenden Vertrauensverlustes in Geld erwarten.

Für den Investor ist aber klar: Der Krieg gegen Vermögen und Ersparnisse ist in vollem Gange. Natürlich kann man mit der einen oder anderen Spekulation von den Maßnahmen der Notenbanken und Staaten profitieren. Am Ende geht es aber um Vermögenserhalt. Deshalb erneut mein Appell: diversifizieren, global anlegen und nicht nur vor Ort und vor allem Gold. An dieser Stelle immer wieder empfohlen, bleibt Gold die ultimative Währung und Versicherung. Verglichen mit den Bilanzsummen der Notenbanken ist es immer noch recht preiswert. Trotz der Rally seit Jahresanfang.

 

→ WiWo.de: “Die EZB ist noch lange nicht am Ende”, 17. März 2016