Der Klima­diskurs muss ehrlicher werden

Auch bei Klimaschutzmaßnahmen gelten Grundanforderungen von Effizienz und Effektivität, wenn wir etwas erreichen wollen. Der Kampf gegen den Klimawandel ist eine Jahrhundertaufgabe, ein Marathon, kein Sprint. Deshalb müssen wir aufpassen, dass uns nicht bereits weit vor dem Ziel die Puste ausgeht, sei es wegen fehlender gesellschaftlicher Unterstützung oder aus Mangel an materiellen Ressourcen.

Angesichts der unstrittig enormen Kosten der Klimaschutzmaßnahmen setzen nicht wenige Politiker, Journalisten und Wissenschaftler darauf, den potenziellen Klimaschaden möglichst groß darzustellen.

Man kommuniziert also – wie vor Kurzem das Klima- und Wirtschaftsministerium – möglichst hohe wirtschaftliche Schäden und schreckt dabei nicht davor zurück, Szenarien, die selbst der Weltklimarat für unwahrscheinlich hält, in den Mittelpunkt zu stellen, wie das Szenario RCP-8.5, das einen extrem ungünstigen „Repräsentativen Konzentrationspfad“ für CO in der Atmosphäre unterstellt.

Ebenso wird immer wieder der Eindruck erweckt, die Schäden und verlorenen Menschenleben durch klimabedingtes Extremwetter nähmen zu. In Wahrheit ist die Zahl der Klimatoten stark gesunken und sinken die wirtschaftlichen Schäden absolut und vor allem relativ zur Wirtschaftsleistung. Die Absicht ist klar: Angesichts der vermeintlich drohenden großen Schäden soll die Frage nach den Kosten des Klimaschutzes in den Hintergrund treten.

Wirft man die Frage dennoch auf, werden die Kosten für den Klimaschutz kleingerechnet. Seit Jürgen Trittins berühmter „Kugel Eis“ aus dem Jahr 2004, die die Förderung der erneuerbaren Energien den Durchschnittsbürger monatlich nur kosten sollte, gab es eine Flut von Studien und Aussagen, die behaupten, dass die technischen Antworten bereits vorlägen und deren Kosten vertretbar seien.

Erneuerbare Energien brauchen Doppelstrukturen

Das Fraunhofer-Institut kam, ohne die Nebenwirkung des Umbaus auf die übrige Wirtschaft überhaupt zu beachten, zu der Einschätzung, dass die jährlichen Kosten nur der Hälfte der Umsätze im Weihnachtsgeschäft entsprechen würden.

Zwar ist unstrittig, dass die Kosten einer zusätzlich erzeugten Kilowattstunde Wind- und Solarenergie sehr niedrig sind. Allerdings wird dabei gern verkannt, dass ihr Einsatz erhebliche Überkapazitäten und Doppelstrukturen erfordert, was die Gesamtkosten in die Höhe treibt. Es ist kein Zufall, dass Dänemark und Deutschland nicht nur den höchsten Anteil erneuerbarer Stromerzeugung haben, sondern auch die höchsten Strompreise.

Weisen Kritiker auf die ungelösten technischen Fragen und erheblichen Kosten hin, wird gerne die Behauptung aufgestellt, die Maßnahmen für den Klimaschutz würden zu mehr Wachstum und Wohlstand, gar zu einem neuen „Wirtschaftswunder“ führen, wie es Kanzler Olaf Scholz jüngst in Aussicht stellte.

Dabei hat die in diesem Zusammenhang regelmäßig zitierte Studie des Thinktanks Agora Energiewende nach deren eigener Aussage „die wirtschaftlichen Folgen der Klimaschutzmaßnahmen nicht untersucht“. Das hat die Autoren allerdings nicht daran gehindert, ein neues Wirtschaftswunder zu verkünden.

Klimaschutzmaßnahmen sollen als alternativlos und als leicht zu bewältigende Aufgabe erscheinen, damit Fragen nach Effizienz und Effektivität nicht gestellt werden. Auf die Spitze getrieben wird das durch Bemühungen, Klimaschutz als ein über den demokratischen Prozessen stehendes Ziel zu positionieren, wie im demnächst in Berlin stattfindenden Volksentscheid. Ist ein Primat der Klimapolitik erst einmal etabliert, bindet das alle Politikbereiche und schränkt den Spielraum der demokratisch gewählten Volksvertreter massiv ein.

Setzt sich diese Art der Klimapolitik weiter durch, ist absehbar, dass noch mehr als bisher auf unnötig teure und ineffiziente Maßnahmen gesetzt wird. Am Ende hat Deutschland dann nicht nur seine wirtschaftliche Zukunft verspielt, sondern auch klimapolitisch wenig erreicht.

Effektiver Klimaschutz verlangt, die richtigen Fragen zu stellen und sie ehrlich zu beantworten.

→ handelsblatt.com: “Der Klimadiskurs muss ehrlicher werden”, 19. März 2023