“Das Ende von Papier- und Schuldgeld?”

Dieser Kommentar von mir erschien bei der WirtschaftsWoche Online:

Der Aufstieg von Bitcoins ist auch die Folge eines Vertrauensverlustes in unser Geldsystem. Dieser ist sicherlich berechtigt. 2018 könnte schon die nächste Euro-Krise vor der Tür stehen.

Vorige Woche habe ich mich an dieser Stelle kritisch mit der Wertentwicklung von Bitcoins befasst. Dass die Gebrüder Winklevoss, bekannt durch ihren Rechtsstreit mit Mark Zuckerberg über die Gründung von Facebook und von Hollywood im Film The Social Network nicht gerade als intellektuelle Leuchten porträtiert, mit Bitcoins Milliardäre geworden sind, ändert an dieser Einschätzung nichts. Sie haben elf Millionen US-Dollar aus der Abfindungszahlung von Zuckerberg vor etwas mehr als vier Jahren in Bitcoins angelegt. Heute, nach einer Preissteigerung um sagenhafte 10.000 Prozent, ein Betrag von über einer Milliarde. Nicht schlecht.

Abnehmendes Vertrauen in Geldordnung

Ein maßgebliches Argument der Anhänger von Kryptowährungen ist, dass es sich hierbei um Geld handelt, welches nicht auf Kreditbeziehungen basiert und nicht von Staaten und Notenbanken manipuliert werden kann. In der Tat wirken Kryptowährungen eher deflationär als inflationär und es würde weder zu Inflation, übermäßig steigenden Vermögenswerten noch zu Spekulationsblasen kommen. Nur in unserem schuldbasierten Geldsystem ist es denkbar, dass sich über Jahre die Vermögenswerte nachhaltig schneller bewegen als die realwirtschaftliche Aktivität. Reich werden mit Leverage ist dann nicht so leicht möglich, wie in den vergangenen 46 Jahren, seitdem wir die letzte Bindung zu Gold als beschränkenden Faktor aufgegeben haben.

Spiegelbildlich zu diesem Aufschwung der Vermögenswerte ist auch die weltweite Verschuldung auf nie geahnte Werte gestiegen. Kritiker wie die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich weisen immer lautstärker darauf hin, dass wir uns in einer Spirale abnehmender Zinsen und steigender Geldmengen befinden, nur mit dem Ziel einen Zusammenbruch unseres Schuldenturmes und damit auch der Vermögensblasen zu verhindern. Auf Dauer kann dies nicht gut gehen. Und das wissen wir alle.

Kein Schuldgeld ist sicher

Insofern ist es nur konsequent, aus dem bestehenden System zu flüchten. Krachen die Schuldner, verlieren die Gläubiger und damit letztlich all jene, die ihre Ersparnis in Kreditgeld aufbewahren. Konten bleiben keine sichere Aufbewahrungsstelle. Zu groß die Gefahr bei der nächsten Runde der „Bankenrettung“ an den Kosten beteiligt zu werden, zu groß die Gefahr, dass es doch noch gelingt, das Vertrauen in die Geldordnung so zu zerrütten, dass eine Hyperinflation die Folge ist.

Ob Bitcoin und Co. dafür die richtige Antwort sind, bezweifle ich sehr. Sie basieren zwar auf einer guten Logik und einer interessanten Technologie, dennoch ist die Bewertung nicht konsistent zur Bewertung anderer Wertaufbewahrungsmittel, wie beispielsweise dem Gold. Ganz nach dem Motto: wenn wir schon dem bestehenden Geldsystem kritisch gegenüberstehen, dann bitte konsequent. Statt also der Blase in den Kryptowährungen hinterherzulaufen, sollten die Skeptiker, den Bestand an Gold und Silber in physischer Form aufstocken.

Dabei gilt die Skepsis all jenen Schuldgeldsystemen, in denen die Verschuldung relativ zum Bruttoinlandsprodukt zu hoch ist. In diesen Regionen besteht die größte Notwendigkeit und damit Gefahr, über eine Entwertung des Geldes die Schuldenlast zu drücken.

Ist der Euro gar nicht so schlecht?

Was dann zu der Frage führt, wie denn eine Rangordnung der Schuldgeldwährungen aussehen würde. Ist der Euro – wie von mir an dieser Stelle immer wieder betont – wirklich so schlecht oder sind nicht US-Dollar, Pfund, Rubel und Renminbi mindestens genauso schlecht? Selbst der Schweizer Franken wird von einer Notenbank repräsentiert, die wie keine andere in der Welt die eigene Bilanz relativ zum Bruttoinlandsprodukt aufgebläht hat, um eine weitere Aufwertung des Frankens zu verhindern.

Die erste Aussage dazu ist leicht: Alle diese Schuldgeldsysteme sitzen im gleichen Boot. Zunächst versuchen die Notenbanken über eine relative Abwertung einen (kurzfristigen) Vorteil zu erzielen. Auf Dauer unterscheiden sie sich nur in der Geschwindigkeit der Entwertung und dem Verlauf der Krise. Hier nun kommt meine Skepsis bezüglich des Euro zum Tragen.

Der Euro hat gegenüber den anderen Währungen verschiedene Nachteile:

  • Er dient nicht einem einzigen Land, sondern mehreren Ländern mit divergierenden Interessen (Gläubiger/Schuldner). Dies macht eine Reform so schwer.
  • Die EZB handelt zwar für den Euro, verbindet damit aber zwangsläufig eine Umverteilung zwischen Ländern, was die Reaktionsfähigkeit auf Krisen einschränkt.
  • Der Euro wird am Ende politisch scheitern, weil eines oder mehrere Länder die mit dem Euro verbundenen echten oder empfundenen Nachteile nicht mehr akzeptieren wird.

Der Euroraum ist deshalb mit Blick auf die sich abzeichnende nächste Phase der Krise der Schuldgeldsysteme besonders schlecht aufgestellt. Es kann dabei sogar sein, dass er temporär weiter und deutlich gegenüber den anderen Währungen aufwertet, was aber kein Zeichen besonderer Euro-Qualität wäre, sondern nur ein Symptom rascherer Entwertung in anderen Regionen, zulasten der Wirtschaft hier. Im Wettlauf nach unten ist der Euro – man mag es kaum glauben – verglichen mit anderen im Nachteil.

Nächste Eurokrise schon 2018

Schon im kommenden Jahr kann der Euro wieder unter Druck geraten. Die derzeitigen Umfragen versprechen für Italien eine Mehrheit für EU- und Euro-skeptische Parteien. Nun wissen wir, dass die Umfragen nicht unbedingt eintreten müssen und auch, dass Parteien und Politiker nach Wahlen nicht immer das tun, was sie zuvor versprochen haben. Wir wissen auch, dass Italien wohl eher uns Deutsche (erfolgreich) erpressen wird, als den Euro zu verlassen. Dennoch ist es ein weiteres Warnsignal, dass der Euro eben nicht auf Dauer überleben kann. Die „Rettung“ wird immer teurer.

Taktisch müssen wir uns als Geldanleger auf die nächste Phase der Eurokrise einstellen. Strategisch auf die nächste Phase der Krise unseres Schuldgeldsystems. Die Erfahrung spricht dafür, dass auf diese mit noch mehr und noch billigerem Geld reagiert werden wird. Spätestens dann ist ein Umstieg in werthaltige Sachwerte angezeigt. Aktien, Immobilien und Gold gehören dazu. Bitcoins wohl eher nicht.

→ WiWo.de: “Das Ende von Papier- und Schuldgeld?”, 7. Dezember 2017