2020 statt 2019: Wir erleben das Platzen von Angela Merkels Wohlstandsillusion

Dieser Kommentar von mir erschien im April 2018 bei manager-magazin.de. Ein schönes Beispiel für das generelle Problem mit dem Timing. Ich war zu früh dran und auch die Auslöser passen nicht genau. Aber es zeigt, wie fragil unsere Wohlstandsillusion ist: 

Das Zwischenhoch in der Eurozone hat den Höhepunkt überschritten, während es auch ohne Protektionismus schlecht steht um die exportabhängige deutsche Wirtschaft. Nun rächt sich, dass in den letzten zwölf Jahren auf Verteilen und Verwalten, statt auf das Sichern der Zukunft gesetzt wurde.

Die wirtschaftspolitische Bilanz der letzten zwölf Jahre ist ausgesprochen ernüchternd. Knapp zusammengefasst kann man sagen, dass es Ziel der deutschen Regierungen unter Angela Merkel gewesen ist, mit Umverteilen und finanziellen Wohltaten Zustimmung im Inland und relative Ruhe im Ausland zu erkaufen. Von Zukunftssicherung hingegen keine Spur.

Daran ändert sich auch mit der Neuauflage der geschrumpften Großen Koalition nichts. Im Gegenteil: Der Koalitionsvertrag ist ein lautes „Weiter-so!“, gepaart mit leichtfertigen und überflüssigen Versprechungen, die letztlich deutschen Wohlstand vernichten, sollten sie realisiert werden. Diese Zusicherungen der GroKo begünstigen ein französisches Modell von Europa, das auf Umverteilen und Schulden setzt, um das Projekt Euro noch eine Runde weiterzubekommen.

Thatcher hatte Recht

“The problem with socialism is that you eventually run out of other people’s money”, bemerkte Margaret Thatcher schon in den 1970er-Jahren. Das Gleiche gilt für die im Kern sozialistische Politik der Bundesregierungen unter Führung von Angela Merkel. Noch nie hat der Staat so hohe Steuereinnahmen gehabt wie heute, hat uns Bürgern also so viel Geld abgenommen. Wohl noch nie mussten wir im Gegenzug erleben, wie Infrastruktur und Schulen verfallen, die innere Sicherheit in weiten Bereichen nicht mehr gesichert ist und die Bundeswehr eine Lachnummer ist. Sogar die Schweiz dürfte über mehr funktionsfähige Hubschrauber und Kampfpanzer verfügen als Deutschland.

Stattdessen wurden die Reformen der Regierung Schröder aufgeweicht, die Zahlungen für Rentner erhöht, der Mindestlohn mit einem wahren Feuerwerk an Bürokratie eingeführt und eine Migrationspolitik betrieben, die direkt in den Sozialstaat führt, statt die Grundlage für künftige Beschäftigung zu legen.

Noch wird dies alles verdeckt durch eine einzigartige Kombination an makroökonomischen Faktoren: den tiefen Zinsen, dem schwachen Euro und der ungebrochenen Nachfrage nach Autos und Maschinen aus Deutschland. Ein einzigartiger Glücksfall für die Kanzlerin, die es nur dieser Scheinblüte verdankt, immer noch im Amt zu sein.

Doch spätestens 2019 dürfte die Wohlstandsillusion platzen. Die Kombination aus Italien, Brexit und Donald Trump dürfte sich als toxisch für die deutsche Wirtschaft und damit auch für die neue Bundesregierung erweisen.

Italien beendet die Euro-Rettungs-Illusion

Es ist immer wieder faszinierend, wie entspannt die Politik auf die Veränderungen in Europa reagiert. Da wurde, wie von allen erwartet, in Italien der Protest gewählt und es ändert nichts. Dass an den Finanzmärkten nichts passiert, ist dabei nicht mal so verwunderlich. Wissen doch alle Teilnehmer, dass die EZB schon jetzt der größte Käufer von italienischen Staatsanleihen ist und solange Mario Draghi im Amt ist, wird sich daran auch nichts ändern. Zum anderen hat ja die neue deutsche Regierung schon vor Beginn der Verhandlungen zugesagt, mehr Geld zu geben.

Also aus Sicht der Italiener eine einfache Sache: Sie können sich über die Defizitgrenzen hinwegsetzen und ihre Wahlversprechen wie ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen und sich dafür weiter verschulden. Wer sollte sie davon abhalten? Aus dem Euro und der EU wird man das Land nicht werfen. Im Gegenteil: Das Land kann mit der Einführung einer Parallelwährung drohen die Pläne dafür liegen vor -, um noch mehr Zugeständnisse der Partner also von uns Deutschen zu erpressen.

Erpressen ist dabei das Stichwort. Italien schuldet bereits mehr als 430 Milliarden Euro im Rahmen des Target2-Systems. Gläubiger dieser 430 Milliarden sind vor allem wir Deutschen als „Aktionäre“ der Bundesbank. Insgesamt hat die Bundesbank rund 900 Milliarden Euro an Target2-Forderungen, also rund 11.000 Euro pro Kopf der hier lebenden Bevölkerung. 5000 Euro davon gehen also als zins- und tilgungsfreier Kredit von jedem Deutschen an Italien und das auch noch ohne Sicherheit.

Wie heißt doch der Witz so schön: „Wenn man eine Million Schulden hat, hat man ein Problem. Wenn man 100 Millionen Schulden hat, hat die Bank ein Problem.“ Wir Deutsche haben ein massives Problem in der Eurozone und die Regierungen Merkel haben das einfach ausgesessen. Gerade die konsequente Weigerung der deutschen Regierungen, die Grundprobleme der Eurozone – Überschuldung und fehlende Wettbewerbsfähigkeit einzelner Länder – anzugehen, wird uns so teuer auf die Füße fallen.

In den nächsten zwölf Monaten wird uns die Rechnung präsentiert werden und die große Täuschung der Illusionisten aus Berlin fliegt auf: Die Eurokrise wird, statt bewältigt zu werden, lautstark fortgesetzt.

Brexit trifft unsere Wirtschaft massiv

Während die Medien bei uns immer den Schaden des Brexit-Votums für die Briten in den Vordergrund stellen, sollten wir uns viel mehr fragen, was die Folgen für uns sind. Ich bleibe bei meiner an dieser Stelle schon früher geäußerten Auffassung, dass der Brexit für Deutschland ein politisches Desaster ist, weil uns ein marktwirtschaftlicher Verbündeter in Europa verloren geht. Großbritannien jedoch hat die Chance, die Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft zu legen, und zwar dank herausragender Universitäten und Schulen und der Möglichkeit, Migration nach eigenen Interessen zu steuern, statt sie wie bei uns einfach “geschehen zu lassen”.

Selbst wenn es nun scheint, dass der „harte Brexit“, wie von der EU-Kommission im Sinne einer Abschreckungs- und Strafaktion gewünscht, nicht kommen wird, sind die Risiken erheblich. Nur mit den USA erzielen wir im Außenhandel einen größeren Überschuss als mit Großbritannien. Fällt dieser weg, wird sich das schnell und deutlich in der hiesigen Wirtschaft bemerkbar machen. Umso erstaunlicher, wie deutsche Politiker den harten Kurs Brüssels unterstützen. Ein weiteres Beispiel für eine Hybris, die die eigene Verwundbarkeit leugnet.

Trump kann den Handelskrieg gewinnen

Donald Trump hat recht. Man kann einen Handelskrieg gewinnen. Natürlich stimmt es, dass es der Welt besser geht, wenn es keinen Protektionismus gibt. Aber wenn jemand einen Handelskrieg verliert, dann sind es die Länder mit den größten Überschüssen. Womit wir wieder bei Deutschland wären.

Schon vor über einem Jahr habe ich an dieser Stelle angemahnt, dass wir unsere Wirtschaftspolitik im eigenen Interesse anpassen müssen. Die Überschüsse, die wir erzielen,

  • verdanken wir zu einem guten Teil dem künstlich schwachen Euro, während die Produktivitätszuwächse als eigentlicher Indikator unserer Wettbewerbsfähigkeit seit Jahren rückläufig sind;
  • führen zu einem Kaufkraftentzug in anderen Ländern, weshalb es nur eine Frage der Zeit war, bis es zu stärkeren Gegenmaßnahmen kommt;
  • sind verbunden mit einem Export unserer Ersparnisse in das Ausland, was in einer überschuldeten Welt keine gute Idee ist. Wir legen unser Geld im Ausland sehr schlecht an; die Target2-Forderungen sind nur das drastischste Beispiel für diese verfehlte Politik.

Nichts ist passiert. Ökonomen und Politiker schwafeln lieber von der Überlegenheit deutscher Produkte, was sicherlich stimmt, aber ohne einen impliziten Währungsvorteil von über 20 Prozent deutlich anders aussähe. Und sie leugnen, dass es möglich wäre, an diesem Zustand etwas zu ändern.

Dabei wäre ein Programm nicht nur denkbar, sondern auch in unserem eigenen Interesse:

  • mehr staatliche Investitionen in Deutschland, vor allem in klassische und digitale Infrastruktur und Bildung aber auch in innere und äußere Sicherheit;
  • Umstellen der Besteuerung der Unternehmen, um Investitionen, Forschung und Entwicklung in Deutschland zu fördern, zum Beispiel im Bereich von Robotern und Automatisierung;
  • Senken der Abgabenlast für kleinere und mittlere Einkommen über eine Reduktion der Sozialbeiträge – gerade diese Einkommensgruppen geben am ehesten das zusätzliche Geld aus;
  • Gründen eines Staatsfonds nach dem Muster von Norwegen oder Singapur, um unser Auslandsvermögen endlich besser anzulegen;
  • wirkliches Sanieren der Eurozone durch einen umfangreichen Schuldenschnitt und eine Neuordnung der Mitgliedsländer, da nur so einige der Krisenländer überhaupt wettbewerbsfähig werden können.

Stattdessen werden wir es wohl auf die harte Tour erleben. Der Brüsseler Thinktank Bruegel hat einmal durchgerechnet, wie sich ein Importzoll von 35 Prozent auf europäische Autos auf die hiesige Industrie auswirken würde. Wenig überraschend würde es die deutsche Automobilindustrie massiv treffen. Bis zu 17 Milliarden Exportumsatz wären demnach gefährdet.

Noch hat die US-Regierung ihre Drohung gegen Deutschland nicht wahr gemacht. Stattdessen ist China (zu Recht!) im Fokus der amerikanischen Maßnahmen. Bleibt es jedoch bei den erheblichen deutschen Überschüssen, ist es nur noch eine Frage kurzer Zeit, bis es auch zu Beschränkungen deutscher Exporte kommt. Die Freude in Berlin über den „Verhandlungserfolg“ des Wirtschaftsministers dürfte von kurzer Dauer sein.

Konjunkturabsturz und neue Eurokrise

Damit deutet sich ein gefährliches Szenario an: Die Eurokrise bricht zu einem Zeitpunkt wieder auf, in dem die deutsche Wirtschaft in eine Rezession stürzt, ausgelöst durch den teilweisen Wegfall zweier großer Exportmärkte. Ganz Europa rutscht in eine Rezession, was wiederum die Divergenzen im Euro noch deutlicher zutage treten lässt. Die EZB wird noch massiver intervenieren, um das Konstrukt vor dem Einbruch zu bewahren, damit aber weitere protektionistische Maßnahmen heraufbeschwören, weil nicht nur die USA darin einen erneuten Versuch sehen, über die Abschwächung des Euro einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen.

Über Nacht werden wir aus der Wohlstandsillusion erwachen. Wir werden erkennen, dass wir unseren konjunkturellen Aufschwung selbst finanziert haben und dabei in erheblichem Maße Forderungen aufgebaut haben, die nicht werthaltig sind. Es wird schlagartig sichtbar, dass wir nicht in der Lage sind, ganz Europa zu finanzieren. Und es wird klar, dass unsere Politik die guten Jahre nicht dafür genutzt hat, vorzusorgen, sondern unsere Lasten so zu erhöhen, dass uns der nächste Abschwung umso brutaler trifft.

Der Illusionskünstlerin im Kanzleramt mag noch der eine oder andere Trick gelingen. Doch auch bei ihr gilt der Grundsatz, den schon Abraham Lincoln prägte: „You can fool all the people some of the time, and some of the people all the time, but you cannot fool all the people all the time.” Die Zeit läuft aus.

manager-magazin.de: “Merkels Wohlstands-Illusion platzt 2019”, 28. März 2018

Kommentare (31) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Günter Suske
    Günter Suske sagte:

    Mein Kommentar steht hier:
    „ Ein Wunder, dass der Laden noch läuft“ : Experimente – Phantasien – Illusionen
    Sozialismus unter neuer Flagge. Die Idee gefällt wieder. […] Es erinnert an DDR, Aufbruch, Ernüchterung, Zusammenbruch. Danach beginnt der Flirt „Sozialismus“ neu. […] Es sind nicht die Ziele, es sind die Mittel, die die Gesellschaft zerstören. Ob man jemals begreift, dass Freiheit und Recht, liberal gedacht, mehr sozialen Fortschritt erzeugen, als eine vormundschaftlich konstruierte Gesellschaft. Nur die Absicht ist gut, das Ergebnis verheerend. Die Fragen unserer Zeit lösen wir nicht, indem wir wieder Menschen zu Sklaven verhängnisvoll gefärbter Phantasien machen. Das passiert zur Zeit in Europa. Es wird höchste Zeit für die Politikwende. Es könnte schon fünf vor zwölf sein. !!!

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  2. Markus M.
    Markus M. sagte:

    Das ist das schöne beim Crash prophezeien. Die Zeit stimmt nicht, die Ursache stimmt nicht, aber jetzt ist eine Krise da und man kann sagen, man hat es ja schon immer kommen sehen…

    Antworten
    • troodon
      troodon sagte:

      Crash ? Die Aktienbörsen sind gerade mal auf das Level von Oktober 2019 gefallen. Da muss also noch viel nachkommen, damit es für eine Bezeichnung Crash reicht.
      Und die Crash Rufer an den Börsen haben jetzt Gelegenheit zu beweisen, dass sie die richtige Fondsstruktur für ihre Investoren haben/hatten, da sie schließlich den Crash schon seit etlichen Jahren prophezeien.
      Man achte auf den Kurs des Friedrich&Weick Fonds WKN A2AQ95 …

      Antworten
  3. globali
    globali sagte:

    Aktuell verfrühstücken wir unseren Wohlstand, Bildung, Infrastruktur, innere Sicherheit, Gesundheit als Pfeiler zerbröckeln. Bis der letzte Linke dss gemerkt hat wird es zu spät für eine schmerzlose Umkehr sein, aber das wird dauern, das kann noch 10 Jahre dauern. Der linke Zeitgeist lässt keine zukunftsorientierte Polotik zu.
    1933 war es der RECHTE Zeitgeist der zur Katastrophe führte heute ist es der LINKE.

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  4. Helge
    Helge sagte:

    Sehr geehrter Herr Stelter,

    Ihre Aussagen sind für mich widersprüchlich. Auf der einen Seite kritisieren Sie zurecht das deutsche Exportmodell, auf der anderen Seite fordern Sie immer Maßnahmen zur Verbesserung der “Wettbewerbsfähigkeit”, was dieses Modell ja aufrecht erhält. Ich finde Ihre Perspektive immer zu betriebswirtschaftlich und zu wenig volkswirtschaftlich. Nur das Beispiel Mindestlohn, der ja auch schon mehrfach kritisiert wurde. Betriebswirtschaftlich ungünstig, volkswirtschaftlich in einem Land mit zu hohen Überschüssen absolut sinnvoll.

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    • Daniel Stelter
      Daniel Stelter sagte:

      Das kläre ich gerne auf: Es ist ein zeitliches Auseinanderfallen: wir haben heute einen Überschuss, weil wir zu wenig investieren. Stattdessen konsumieren wir nur. Mit Blick auf die Herausforderungen vor denen wir stehen: existenzielle Krise der Autoindustrie, Ende der Globalisierung, Eurokrise 2.0, Demografie…MÜSSEN wir investieren um KÜNFTIG den Wohlstand wenigstens halten zu können. Dies würde heute den Überschuss reduzieren UND das künftige Defizit – was unweigerlich kommt – begrenzen bzw. und es ermöglichen die alte Gesellschaft zu finanzieren. LG DSt

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      • Dieter Krause
        Dieter Krause sagte:

        Das ist mir zu apokalyptisch – und einiges darin ist schlicht falsch: Es gibt kein Ende der Globalisierung – sollen alle Firmen und Konzerne ihre Produktionsstätten in China und Indien schließen??? Das schafft ganz sicher kein Coronavirus – höchstens eine neuer Weltkrieg! Und die demographischen Veränderungen werden immer als apokalyptisches Menetekel an die Wand projiziert – dann müssten ja auch Japan und (bald auch China mit seiner jahrzehntelangen Ein-Kind-Politik) Untergangsvisionen haben oder? Es kommt im übrigen auf die PRODUKTIVITÄT der Bevölkerung an – nicht auf die Größe der Bevölkerung! Eine existentielle Krise der Autoindustrie sehe ich auch nicht – gab es dort schon Massenentlassungen (Opel ist jetzt übrigens saniert und produziert wieder anständige Gewinne)? Es gibt dort einen Strukturwandel – weg vom Verbrennungsmotor hin zu E-Mobility und autonomen fahren in den nächsten Jahen und Jahrzehnten. Ich bin mir sicher, dass die deutschen Automobilkonzerne da nicht schlafen.

    • Dietmar Tischer
      Dietmar Tischer sagte:

      @ Helge + Dr. Stelter

      Ich denke, dass die Begründung für „Wettbewerbsfähigkeit“ unserer Volkswirtschaft anders lauten muss, nämlich so:

      Wir müssen wettbewerbsfähig sein und bleiben, um über die Ressourcen zu verfügen bzw. sie uns verschaffen zu können, die es ermöglichen, uns gesamtgesellschaftlich verträglich ANPASSEN zu können an das, was wir wollen und/oder uns abverlangt wird durch andere.

      Wettbewerbsfähigkeit ist insofern VORAUSSETZUNG für zielgerichtetes Handeln.

      Beispielhaft:

      Wir müssen wettbewerbsfähig sein und bleiben, um uns die Pflegekräfte aus aller Welt besorgen und leisten zu können, die zur Versorgung unserer alternden Gesellschaft erforderlich sind, aber in unserem Land nicht zur Verfügung stehen.

      @ Helge

      Ihre Aussage

      >… fordern Sie immer Maßnahmen zur Verbesserung der „Wettbewerbsfähigkeit“, was dieses Modell ja aufrecht erhält.>

      ist FALSCH, weil Wettbewerbsfähigkeit zwar auf Strukturen aufsetzt, aber per se keine Strukturen AUFRECHTERHÄLT, sondern BEFÄHIGT, sie zu x, y oder …zu ändern.

      Ob und wie wir eine durch Wettbewerbsfähigkeit erreichte Befähigung nutzen würden, ist eine andere Sache.

      @ Daniel Stelter

      Ihre Aussage

      >MÜSSEN wir investieren um KÜNFTIG den Wohlstand wenigstens halten zu können … und es ermöglichen die alte Gesellschaft zu finanzieren>

      ist zumindest FRAGWÜRDIG, weil sie suggeriert, dass BEIDES (dauerhaft) möglich wäre, nämlich den, d. h. diesen Wohlstand zu halten UND (zusätzlich) eine sich verändernde Gesellschaft zu finanzieren, wenn wir nur wettbewerbsfähig blieben.

      Es ist zwar nicht völlig auszuschließen, wäre aber nur unter ganz bestimmten nationalen und internationalen Gegebenheiten möglich, auf die wir in der Gesamtheit zumindest mit Investitionen keinen Einfluss haben und vermutlich auch dann nicht, wenn wir investierten UND unserer Ersparnisse anders anlegen würden.

      Ihre Aussage ist zudem gesellschaftlich KONTRAPRODUKTIV, weil sie suggeriert, dass wir BEIDES – die beste aller Welten sozusagen – als ZIEL nicht nur anstreben könnten, sondern SOLLTEN, weil Erreichbarkeit möglich ist.

      Richtig ist vielmehr, dass wir in Deutschland um tiefgreifende STRUKTURELLE Anpassungen nicht herumkommen, weil sich unsere Gesellschaft substanziell VERÄNDERT.

      Dabei kann zwar ein zufriedenstellender Wohlstand erreicht werden.

      Es wird aber nicht DER (heutige) Wohlstand sein, auch nicht in lediglich anderer Form, etwa durch den technologischen Wandel bedingt ein anderer.

      Das wissen Sie – und zwar besser als viele, die in diesem Land unterwegs sind und mit allerlei „Lösungen“ um DIESE grundsätzliche Problematik herumreden.

      Antworten
      • Helge
        Helge sagte:

        @Dietmar Tischer

        Mit Wettbewerbsfähigkeit meine ich preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Dann hat man einen scharf definierten Begriff und kann über dessen betriebs- und volkswirtschaftliche Einflüsse konkret diskutieren, sofern man das möchte.

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Helge

        Das können Sie natürlich meinen.

        Sie sagen:

        >Auf der einen Seite kritisieren Sie zurecht das deutsche Exportmodell, auf der anderen Seite fordern Sie immer Maßnahmen zur Verbesserung der „Wettbewerbsfähigkeit“>

        Wenn Sie unter Wettbewerbsfähigkeit „preisliche Wettbewerbsfähigkeit“ meinen, liegen Sie mit dieser Kritik daneben.

        Denn Dr. Stelter fordert NICHT immer Maßnahmen zur Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit.

        Ganz im Gegenteil, diese ist OHNE unser Zutun bereits gegeben, wie er hier feststellt:

        >Die Überschüsse, die wir erzielen,
        verdanken wir zu einem guten Teil dem künstlich schwachen Euro, während die Produktivitätszuwächse als eigentlicher Indikator unserer Wettbewerbsfähigkeit seit Jahren rückläufig sind;>

        Er hebt hier eindeutig auf die Produktivitätszuwächse und nicht auf preisliche Wettbewerbsfähigkeit als EIGENTLICHEN Indikator unserer Wettbewerbsfähigkeit ab.

        Sie treffen ihn also nicht, sondern haben sich mit Ihrer Kritik verrannt.

      • Helge
        Helge sagte:

        @Dietmar Tischer

        “Sie treffen ihn also nicht, sondern haben sich mit Ihrer Kritik verrannt.”

        Wollte ich Herrn Stelter “treffen”? Mein Gott.

        Maß für die internationale preisliche Wettbewerbsfähigkeit sind Lohnstückkosten. Diese werden beeinflußt durch Produktivität und Kosten (z.B. Löhne). Herr Stelter fordert stärkere Produktivitätssteigerungen und kritisiert die Einführung von Mindestlöhnen. Produktivitätssteigerung und niedrige Löhne senken die Lohnstückkosten und verbessern damit die preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Dies lässt den Export steigen. Das ist für mich der Widerspruch, wenn man gleichzeitig das Exportmodell kritisiert.

        Das der schwache Euro für den Export in den Nicht-Euro-Raum einen starken Einfluß hat, bestreitet keiner.

      • Daniel Stelter
        Daniel Stelter sagte:

        Also, ich fühle mich nicht getroffen und ich denke weder, dass dies die Absicht war noch, dass Herr Tischer dies so meinte. Nun nochmal zum Inhalt:
        1. Ist der Überschuss schlecht? ja, er ist vor allem nicht im eigenen Interesse.
        2. Brauchen wir auch in Zukunft eine wettbewerbsfähige Wirtschaft? ja, denn es wird in Zukunft schwerer (der Wettbewerb und unsere Lasten)
        3. Muss man um 1 zu ändern 2 aufgeben als Ziel? Nein, denn a) es fällt zeitlich auseinander b) die Strategie über weniger Wettbewerbsfähigkeit 1 zu lösen führt zu einem massiven Verlust an Wohlstand und damit widerspricht es dem eigentlichen Ziel des Wohlstanderhalts.
        4. 1 ändern wir durch mehr Ausgaben im Inland: Investitionen (ganz großes Problem) aber auch Konsum der Massen
        5. Konsum bekommen wir durch mehr Geld in der Tasche, da reden wir von Abgabenentlastung
        6. Mehr Investitionen: a) Staat offensichtlich b) Unternehmen: bessere Rahmenbedingungen, was eine lange Liste ist: Energiepreise, Steuern, Bürokratie, Infarsturktur, Bildung, …….
        7. 1 wird sich ohnehin lösen wegen a) Problemen unserer Schlüsselindustrien b) Demografie
        8. Und 2 ist nur der Versuch den Schaden von 7 zu mindern.

        Fazit: es ist ein zeitliches Auseinanderfallen von dem wir reden und es kann anders (und muss anders) gehandelt werden als über höhere Löhne.

        LG

        DSt

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Helge + Dr. Stelter

        @ Helge

        >Wollte ich Herrn Stelter „treffen“? Mein Gott.>

        Natürlich wollten Sie ihn treffen.

        Jeder, der wie Sie im vorliegenden Falle einem anderen WIDERSPRICHT, will die Aussage des anderen TREFFEN statt irgendetwas zu sagen, was NICHT mit dessen Aussagen zu tun hat.

        Das ist das Wesen um KLÄRUNG bemühter Debatten.

        Dabei geht es um Auffassungen und Aussagen und nichts weiter.

        Oder glauben Sie, dass ich Ihnen unterstellt habe, dass Sie hier – in einer DISKUSSION – mit dem Knüppel auf Dr. Stelter losgingen?

        Es ist mir unverständlich, dass wir uns im Kontext einer Debatte über „treffen“ auseinandersetzten müssen.

        Zur Sache:

        Der Mechanismus, den sie darlegen, ist richtig – bis zu EINEM Punkt.

        Sie haben recht, dass die preisliche Wettbewerbsfähigkeit steigen würde.

        Sie haben aber nicht recht damit, dass dies – NOTWENDIGERWEISE – den Export steigen ließe.

        Ich habe Ihnen schon zuvor dargelegt, dass eine gestiegene Wettbewerbsfähigkeit, auch eine gestiegene preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu etwas BEFÄHIGT, d. h. Optionen eröffnet, aber eben nicht zwangsläufig – als AUTOMATISMUS sozusagen – ein weiteres Steigen der Exporte ERZWINGT.

        Das können Sie offensichtlich nicht erkennen.

        Dr. Stelter schon, wenn er auch Ihnen antwortet:

        >1 ändern wir durch mehr Ausgaben im Inland: Investitionen (ganz großes Problem) aber auch Konsum der Massen>

        Heißt (als Empfehlung an die Politik):

        Wir investieren die durch gestiegene Wettbewerbsfähigkeit erzielten Überschüsse im INLAND bzw. konsumieren INLÄNDISCH erzeugte Produkte und Dienstleistungen und nutzen die Überschüsse demnach NICHT, um mit nochmals gesteigerten Exporten noch höhere Überschüsse zu erzielen.

        Diese Option haben wir.

        Ob wir sie wahrnehmen, ist etwas anderes – habe ich Ihnen auch schon gesagt.

        @ Dr. Stelter:

        Ich kritisiere keine einzelne Ihrer Aussagen 1. bis 8.

        Und natürlich besteht ein zeitliches Auseinanderfallen von 1. und 2.

        Damit widerlegen Sie aber nicht meinen ursprünglichen Einwand, den ich Ihrem Beitrag gegenüber nach wie vor aufrechterhalte:

        >Ihre Aussage ist zudem gesellschaftlich KONTRAPRODUKTIV, weil sie suggeriert, dass wir BEIDES – die beste aller Welten sozusagen – als ZIEL nicht nur anstreben könnten, sondern SOLLTEN, weil Erreichbarkeit möglich ist.>

        Sie bestätigen ihn vielmehr, wenn sie sagen:

        >7. 1 wird sich ohnehin lösen wegen a) Problemen unserer Schlüsselindustrien b) Demografie>

        Mit den Überschüssen, die abnehmen werden wegen a) und b) werden sich unsere finanziellen Handlungsoptionen verringern und ZUGLEICH werden unsere Belastungen steigen, weil RICHTIG ist, was Sie sagen:

        >2… es wird in Zukunft schwerer (der Wettbewerb und unsere Lasten)>

        Fazit:

        Weniger Überschüsse in der Zukunft und damit weniger finanzielle Handlungsoptionen und ZUGLEICH eine von der Belastung her schwierigere Zukunft IST nichts anderes als

        zukünftiger WOHLSTANDSVERLUST.

        Das muss aber keine ärmliche Gesellschaft bedeuten, die fortwährend mit sich hadert und sich nicht befriedend in andauernde, sich sogar vertiefende Spaltung manövriert .

      • Helge
        Helge sagte:

        “Also, ich fühle mich nicht getroffen und ich denke weder, dass dies die Absicht war noch, dass Herr Tischer dies so meinte.”

        Vielleicht lassen wir es mal dabei.

        “Ich habe Ihnen schon zuvor dargelegt, dass eine gestiegene Wettbewerbsfähigkeit, auch eine gestiegene preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu etwas BEFÄHIGT, d. h. Optionen eröffnet, aber eben nicht zwangsläufig – als AUTOMATISMUS sozusagen – ein weiteres Steigen der Exporte ERZWINGT.”

        Deutschland ist heute schon “überwettbewerbsfähig”. Um wieviel Prozent würde das Land bei Wiedereinführung der DM aufwerten? Wir müssen heute schon einen erheblichen Teil unserer Produktion ins Ausland “entsorgen”. Jetzt nehmen wir mal an, unsere Produktivität steigt weiter, die Löhne aber relativ dazu weniger, das würde ja die gewünschte Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit erfordern. Wer soll die zusätzlichen Produkte kaufen? Die Privaten können es nicht, da die Löhne hinter der Produktivität zurückgeblieben sind. Also dann doch wieder das Ausland, hoffentlich. Oder der Staat? Das die schwarze Null volkswirtschaftlicher Unsinn ist, ist ja Konsens. Nur, wenn der Staat investieren will, was er ohne Frage müsste (Infrastruktur, Bildung etc.) tritt er v.a. in einer so gut wie ausgelasteten Volkswirtschaft wie der deutschen in Konkurrenz zur Exportwirtschaft. Überall, v.a. im öffentlichen Sektor, herrscht Fachkräftemangel. Für die Durchführung von Investitionen braucht man die aber. Will man sie aus der Exportwirtschaft abwerben, müssen dort die Löhne steigen und wandern sie ab, sinkt dadurch durch “brain drain” wahrscheinlich die Produktivität. Und so weiter und so fort.
        Was ich eigentlich sagen will: Es wird von Ihnen unterschätzt, daß eine binnenmarktorientierte Volkswirtschaft und eine exportorientierte Volkswirtschaft sozusagen die zwei Enden eines kontinuierlichen Spektrums sind und das eine mit dem anderen in die gleiche Richtung zu entwickeln nicht funktioniert.

        “Wir investieren die durch gestiegene Wettbewerbsfähigkeit erzielten Überschüsse im INLAND bzw. konsumieren INLÄNDISCH erzeugte Produkte und Dienstleistungen und nutzen die Überschüsse demnach NICHT, um mit nochmals gesteigerten Exporten noch höhere Überschüsse zu erzielen.”

        Siehe oben. Wer soll unter den genannten Bedingungen denn die Überschüsse im Inland konsumieren?

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Helge

        >Es wird von Ihnen unterschätzt, daß eine binnenmarktorientierte Volkswirtschaft und eine exportorientierte Volkswirtschaft sozusagen die zwei Enden eines kontinuierlichen Spektrums sind und das eine mit dem anderen in die gleiche Richtung zu entwickeln nicht funktioniert.>

        DAS wird von mir nicht unterschätzt, weil ich nicht – wie Sie mir offensichtlich unterstellen – der Meinung bin, dass beides auf extreme Weise GEWOLLT werden kann.

        Es einmal zugespitzt so ausgedrückt:

        Maximierung der binnenmarktorientierten Volkswirtschaft UND Maximierung der exportorientierten Wirtschaft ist NICHT möglich – denn es würde in der Tat bedeuten, begrenzte Ressourcen MAXIMAL in UNTERSCHIEDLICHE Richtungen zu verteilen.

        ABER:

        Man kann eine Volkswirtschaft RESTRUKTURIEREN, im Fall Deutschland wie folgt:

        Die mit hoher Wettbewerbsfähigkeit erwirtschafteten Überschüsse kontinuierlich VERMEHRT im Inland investieren und konsumieren und DADURCH diese Überschüsse abbauen. Denn damit werden unweigerlich der Exportwirtschaft auch Ressourcen entzogen.

        >Wer soll unter den genannten Bedingungen denn die Überschüsse im Inland konsumieren?>

        Aufgrund von GEWOLLTER und ERZWUNGENER Restrukturierung konkret:

        Die UNVERMEIDLICHE demografische Entwicklung wird die Bedarfe und damit den Konsum hin zu Dienstleistungen ändern.

        Es geht vor allem um Dienstleistungen für Pflege und Gesundheit, aber auch um bedarfsgerechte Bildung.

        Das ist die Seite des Konsums, die andere der Leistungserbringung:

        Sie werden durch Menschen erbracht, die nicht mehr in den Exportindustrien beschäftigt sind (und dort auch nicht beschäftigt werden müssen, wenn deren Produktivität steigt).

        Und wenn, wie Dr. Stelter m. A. n. zu Recht annimmt, die Exportüberschüsse sich „ohnehin lösen werden“, siehe 7. seines Kommentars, werden noch mehr Menschen in binnenwirtschaftlichen Branchen tätig sein MÜSSEN.

        Was NICHT zu unterschätzen ist:

        Der Prozess der Restrukturierung wird nicht einfach und nicht schmerzfrei sein, sondern unserer Gesellschaft sehr viel abverlangen.

  5. foxxly
    foxxly sagte:

    merkel´s politik spaltet: europa, deutschland, deutsche wirtschaft, nun sogar die eigene partei. wie lange machen die partei-mitläufer etc. das noch mit? sie alle machen sich mitschuldig an der gesellschaftsspaltung. ja, gerade auch ihre zuwanderungspolitik, spaltet die gesellschaft, – und keiner mehr darf es ungestraft aussprechen. es zeichnen sich starke (aber modernere) paralellen zu damals, ab!
    wie krotesk, dass diejenigen, welche heute schwadronieren, “die geschichte darf sich nicht wiederholen”, selber wirklich alles tun, damit es zur wiederholung kommt.

    Antworten
  6. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    >Knapp zusammengefasst kann man sagen, dass es Ziel der deutschen Regierungen unter Angela Merkel gewesen ist, mit Umverteilen und finanziellen Wohltaten Zustimmung im Inland und relative Ruhe im Ausland zu erkaufen. Von Zukunftssicherung hingegen keine Spur.>

    So ist es.

    Und:

    Es war nicht nur das Ziel der deutschen Regierungen unter Angela Merkel, sondern es wurde auch ERREICHT.

    Wenn Zustimmung im Inland und zumindest relative Ruhe im Ausland erreicht wurde, dann ist es in Demokratien KEINER Regierung möglich, nachhaltig etwas dagegen zu tun.

    Das denkbare Counterfactual:

    Die erste Regierung unter A. Merkel hätte sofort nach ihrem ersten Amtsantritt beschlossen, konsequente Zukunftssicherung zu betreiben.

    Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass sie damit für eine zweite Regierungsperiode gewählt worden wäre?

    Ich sage nur:

    G. Schröder.

    Übrigens:

    „erkauft“ ist der passende Begriff.

    >Donald Trump hat recht. Man kann einen Handelskrieg gewinnen. Natürlich stimmt es, dass es der Welt besser geht, wenn es keinen Protektionismus gibt. Aber wenn jemand einen Handelskrieg verliert, dann sind es die Länder mit den größten Überschüssen.>

    Die REALITÄT ist:

    Auch der bzw. die Gewinner eines Handelskrieges stehen schlechter da, als sie dastehen würden, wenn es keinen Handelskrieg gäbe.

    Es hätte heißen müssen:

    „Natürlich stimmt es, dass es der Welt besser geht, wenn es keinen HANDELSKRIEG gibt.

    Dass es der Welt besser geht, wenn es keinen Protektionismus gibt, stimmt zwar, ist aber irrelevant, wenn man über HANDELSKRIEGE spricht.

    Antworten
    • Richard Ott
      Richard Ott sagte:

      @Herr Tischer

      “Auch der bzw. die Gewinner eines Handelskrieges stehen schlechter da, als sie dastehen würden, wenn es keinen Handelskrieg gäbe.”

      Wir sehen momentan aber auch, welche erheblichen Probleme es bringen kann, die Herstellung von beispielsweise bestimmten Medizinprodukten (Schutzmasken) und Medikamenten in das Land mit den niedrigsten Produktionkosten auszulagern.

      Verhindern lässt sich das nur mit Zöllen (“Handelskrieg”) oder anderen staatlichen Eingriffen in den Markt (Subventionen, Importverbot, Betreiben als staatseigene strategisch wichtige Industrie, etc.), um die Produktion im Inland zu halten.

      Antworten
      • Thomas M.
        Thomas M. sagte:

        Ein pragmatischer Ansatz wäre schon, dass wichtige Medikamente und medizinische Verbrauchsmaterialien “zwischengepuffert” gelagert werden. Keine Ahnung, wie lange es dauert, eine Produktionslinie in Deutschland / Europa zu starten… Meine Vorstellung: Zumindest für medizinisches Personal und besonders schutzbedürftige Patienten sollten doch z.B. Desinfektionsmittel und die wichtigsten Antibiotika für ein paar Monate für Katastrophen oder Lieferkettenstörungen irgendwo auf Halde bevorratet sein. Wenn die Apotheke bestellt, kommt das Material aus einem von mehreren großen deutschen Zentrallagern und in diesem wird dann “hinten” mit frischer Lieferung sukzessive wieder aufgefüllt. So könnte man dann Ausfälle überbrücken, ohne dass die Kosten explodieren, weil man ständig abgelaufene Notfallvorräte wegwirft.

        Sollte doch mit Industrie 4.0 und Robotern auch nicht so schwierig und teuer sein, wenn ich mir die modernen Lagerhallen der Online-Retailer angucke?!

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Thomas M.

        Guter Vorschlag. Es wäre weder besonders schwierig noch besonders teuer, aber unsere Regierung scheitert auch schon an einfacheren Aufgaben als an dieser hier.

        Man könnte das Zentrallager entweder staatlich betreiben (dann wird es aus dem allgemeinen Staatshaushalt finanziert) oder aber dem Apothekerverband als gesetzliche Aufgabe aufdrücken (ist sowieso ein staatlich reguliertes Geschäft und dann würde die Lagerhaltung effektiv über einen Aufschlag auf alle Medikamentenpreise finanziert). Beides würde funktionieren.

        Das einzige Problem, das dadurch nicht gelöst werden könnte, beträfe Medikamente, von denen wir gerne solche Reserven anlegen würden, aber bei denen es schon nicht genug Produktionskapazität gibt, um die normale Nachfrage stabil befriedigen zu können.

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Thomas M.

        >Ein pragmatischer Ansatz wäre schon, dass wichtige Medikamente und medizinische Verbrauchsmaterialien „zwischengepuffert“ gelagert werden.>

        Das wäre ein sehr guter Ansatz, wenn das in HINREICHENDER Menge erfolgen würde.

        Es gibt aber ein Hindernis:

        Wenn Epidemien so SELTEN vorkommen wie die jetzige und die vergangene erfreulich für uns verlaufen ist (SARS) wird in der Bevölkerung nicht die Notwendigkeit gesehen bzw. ist ihr kaum zu vermitteln, Geld dafür auszugeben – wenn es denn erhebliche Summen wären.

        Wenn etwas funktioniert oder zumindest leidlich funktioniert, nehmen die Menschen es als SELBSTVERSTÄNDLICH wahr und sind nicht bereit, für die SICHERHEIT, dass Funktionalität auch im Extremfall gegeben ist, von den Regierungen Geld ausgeben zu lassen.

        Siehe z. B. den Zustand der Bundeswehr.

        Er ist Ergebnis der „Friedensdividende“ – nach Fall des Eisernen Vorhangs das „Ende der Geschichte“ mit nie wieder Krieg, also abrüsten bei den Verteidigungsausgaben.

        Nun könnte man aber auch dafür werben, dass wir eine hinreichende Menge wichtiger Medikamente INTERNATIONAL, etwa in der EU zwischengepufferter lagern.

        Die Kosten würden vermutlich geringer sein als wenn jedes Land es national täte.

        Davon ist abzuraten, weil die Voraussetzung fehlt:

        Gegenseitiges VERTRAUEN.

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Herr Tischer

        Verglichen mit den Gesamtkosten, die alleine unser Gesundheitssystem jedes Jahr produziert, würde so ein bisschen Lagerhaltung für Notfälle kaum eine Rolle spielen. Noch krasser: Schon für den Homöopathie-Schwachsinn geben wir in Deutschland 700 Millionen Euro pro Jahr aus.

        “Wenn etwas funktioniert oder zumindest leidlich funktioniert, nehmen die Menschen es als SELBSTVERSTÄNDLICH wahr und sind nicht bereit, für die SICHERHEIT, dass Funktionalität auch im Extremfall gegeben ist, von den Regierungen Geld ausgeben zu lassen. Siehe z. B. den Zustand der Bundeswehr.”

        Nein, nicht “die Menschen” allgemein. Das ist ein aktuelles deutsches Spezifikum. Andere Länder sind da nicht so naiv und wohlstandsverwahrlost wie wir. Schauen Sie zum Beispiel zu unseren Nachbarn nach Polen oder Frankreich.

      • Thomas M.
        Thomas M. sagte:

        Hier noch eine interessante Geschichte aus den USA zum Thema “Produktion wichtiger medizinischer Verbrauchsgüter im Inland”, die das Dilemma exemplarisch perfekt beschreibt.

        https://www.washingtonpost.com/business/2020/02/15/coronavirus-mask-shortage-texas-manufacturing/

        Ein US-Maskenproduzent hatte seine Produktion hochgefahren, nach der Pandemie ging dann das Geschäft wieder in billigere Länder. Hört sich so an, als ob die Firmenleitung dieses Mal keine Lust mehr hat, die gestiegene Nachfrage zu bedienen.

        ““Everybody said they’d stay with us. The day after the pandemic they forgot who we were. We nearly went out of business,” […] Bowen says any pleas from the government to increase production during the crisis would be “too little, too late.” He’ll keep supplying his normal customers.”

  7. Richard Ott
    Richard Ott sagte:

    Wenn Merkel im Spätherbst ihrer Amtszeit tatsächlich noch den Rundfunk-Zwangsbeitrag in eine “allgemeine Medienabgabe” auch für merkeltreue Zeitungen und Zeitschriften umgestaltet, dann bekommen wir ein aus dem 20. Jahrhundert in Deutschland mehrfach bekanntes Schauspiel bald wieder geboten: Mediales Hurra-Geschrei bis zum völligen Zusammenbruch.

    Antworten
    • Susanne Finke-Röpke
      Susanne Finke-Röpke sagte:

      @Herrn Richard Ott:

      Muss Frau Dr. Merkel die allgemeine Medienabgabe noch einführen? Sie bekommt das Hurra-Geschrei doch auch jetzt schon und das ganz kostenlos, oder? Ich kann nicht erkennen, dass eine Medienabgabe die kritiklose Unterstützung der Regierungsarbeit noch stärker machen könnte.

      Antworten
      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @Frau Finke-Röpke

        Schon Brecht wusste: Erst kommt das Fressen, und dann die Moral.

        Schauen Sie sich an, wie die Auflagenzahlen der Zeitungen und Magazine sinken:

        https://de.statista.com/statistik/daten/studie/164386/umfrage/verkaufte-auflagen-von-spiegel-stern-und-focus/

        Ideologische Überzeugungstäter gibt es gerade bei den jüngeren Journalisten sicher einige, aber wieso sollten auch die Zeitungsverleger und Print-Chefredakteure freiwillig genau den gleichen Propaganda-Müll durcken wie ihn der Staatsfunk zwangsfinanziert und frei verfügbar in Fernsehen, Radio und Internet anbietet? Um auch ihr letztes mögliches Alleinstellungsmerkmal aufzugeben?

        Nein, die spekulieren darauf, von der Regierung “gerettet” zu werden. Und der Preis dafür ist die freiwillige Gleichschaltung.

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