“Banken shorten statt Bitcoin kaufen”

Dieser Kommentar von mir erschien bei WirtschaftsWoche Online:

Überzeugt von der Bitcoin-Technologie? Dann strategisch Finger weg von Banken und taktisch Finger weg von Bitcoin.

„Was halten Sie von Bitcoin?“ wurde ich schon oft gefragt. Dabei hängt die Häufigkeit der Frage eindeutig mit der Kursentwicklung zusammen. War sie vor einem Jahr noch selten, so begegnet sie mir nach einem Kursanstieg von mehr als 700 Prozent alleine in diesem Jahr fast täglich. Ohne ein Experte für Kryptowährungen zu sein, finde ich die Blockchain-Technologie zumindest sehr interessant. Erlaubt sie doch die lückenlose und fälschungssichere Dokumentation von Transaktionen. Ganze Geschäftsprozesse lassen sich auf diese Weise abbilden und man kann sich vorstellen, dass in Zukunft Grundbücher und Notariatstätigkeiten anders aussehen oder gar völlig in die digitale Welt abwandern.

Auch als Zahlungsmittel mögen die Kryptowährungen überleben und den lang gehegten Traum wahr machen, globale privat organisierte Währungen zu haben, die zu einander im Wettbewerb stehen und deshalb anders als unsere heutige Geldwirtschaft frei von staatlicher Manipulation (also konstanter Entwertung) zu sein. Theoretisch eine attraktive Vorstellung, deren praktische Realisierung angesichts der Interessen von Staaten und Notenbanken jedoch sehr unwahrscheinlich ist. Staaten werden beispielsweise bei Steuerzahlungen immer auf Leistung in Euro, Dollar, Pfund oder Yen bestehen.

Bitcoin kaufen?

Stellt sich die Frage, ob man in Bitcoins investieren sollte. So attraktiv die Technologie ist, so schwer ist es den fairen Wert zu bestimmen. Zwar steigen die Produktionskosten wegen des immer höheren Stromverbrauchs beim „Mining“ der Coins mit immer größerer Rechenkapazität an. Schon heute verbrauchen die Produzenten von Bitcoins mehr Strom als Irland und hielte das derzeitige Wachstum an, würde schon 2020 die weltweite Stromproduktion nur noch zum „Mining“ von Kryptowährungen herangezogen werden. Aus den damit unweigerlich steigenden Kosten entsprechend steigende Preise herzuleiten, ist jedoch nicht zulässig. Nicht selten konnte man in Rohstoffmärkten erleben, dass die Preise unter den Produktionskosten lagen.

Knappheit als Argument überzeugt auch im Umfeld explodierender Schulden und Geldmengen nicht. Denn dann müsste beispielsweise Gold deutlich höher notieren und parallel zur Ausweitung von Geldmengen und Schulden steigen. Wie wenig sich die natürliche Knappheit von Gold in den relativen Preisen niederschlägt, verdeutlicht folgende Rechnung: Um die Staatschulden der USA auf einen Schlag zu tilgen, bräuchte es eine Aufwertung der Goldbestände der USA um 70.000 US-Dollar pro Unze. Für Italien und Frankreich genügten 25.000 US-Dollar, um alle Schulden zu tilgen, während Deutschland schon bei 18.000 US-Dollar alle Staatsschulden los wäre. Dies zeigt die Bedeutung der Goldvorräte, die diese Länder in den Nachkriegsjahren aufgebaut haben. Griechenland könnte erst bei einer Aufwertung um 80.000 US-Dollar je Unze alle Schulden tilgen, für Japan müsste der Preis des Goldes um rund 410.000 US-Dollar steigen, um den Staatsschulden zu entsprechen.

Obwohl wir wissen, dass Staaten und Private untragbare Schuldenlasten angehäuft haben und weiterhin anhäufen, geben wir uns mit Goldpreisen um die 1300 US-Dollar die Unze zufrieden. Zwar mögen die Kryptrowährungen relativ knapper als Gold sein, im Unterschied zu Gold verfügen sie jedoch nicht über eine mehr als 6000-jährige Tradition als Wertaufbewahrungsmittel und können nicht in der Hosentasche (über Grenzen) transportiert werden.

Bleibt uns nur der Weg über Stimmungsindikatoren ein Gefühl dafür zu bekommen, wohin der Preis der Bitcoins sich entwickeln wird:

  • Blickt man auf die Kursentwicklung, so ist ein klassischer Blow-off zu erkennen. Die Kurse gehen fast senkrecht nach oben, was zumindest historisch bei ähnlichen Entwicklungen zu einem Crash geführt hat.
  • Zugleich mehren sich die Geschichten über Bitcoin in den Mainstream-Medien. Erzählte das Manager Magazin von den Berliner WG-Bewohnern die durch Handel mit Bitcoins zu Millionären wurden, erklärte die WirtschaftsWoche die Zukunftsaussichten als private Währungen und der Spiegel berichtete von der Rekordjagd. Bild fragte: „Was bringt es, jetzt Bitcoins zu kaufen?”. Zwar wird auf die Risiken hingewiesen, sicher ist jedoch, dass erst jetzt viele Menschen auf den Boom aufmerksam werden und nicht wenige noch auf den Zug aufspringen. Erfahrungsgemäß nur um den Profis den Ausstieg vor dem Crash zu ermöglichen.
  • In die gleiche Kategorie fällt der erste europäische Bitcoin-Fonds für Privatanleger, der von einem kleinen französischen Assetmanager aufgelegt wird. Nicht weniger als 400 Millionen schwer soll der Fonds in zwei bis drei Jahren sein. Auch hier dürften die Privaten – wie so oft – zu spät zur Party kommen.
  • Die Profis freuen sich derweil, dass die Chicagoer Börse Futures auf Bitcoin einführt, mit denen man nicht nur auf weiter steigende Preise, sondern gerne auch auf fallende Preise wetten kann.

Alle jene, die jetzt das Gefühl haben, sie müssten noch schnell den Lemmingen folgen, sei die Erfahrung von Isaac Newton ans Herz gelegt: Zunächst hatte er im Zuge der Südseeblase von 1720 viel Geld verdient und Kasse gemacht. Doch als er sah, dass seine Freunde und Bekannten noch mehr verdienten, stieg er, kurz bevor die Blase platzte, wieder in die Spekulation ein. Statt eines weiteren Gewinns bescherte ihm dies einen Verlust in Höhe von 20.000 Pfund – umgerechnet auf heute immerhin rund drei Millionen Euro – und er klagte, „er könne die Bewegung der Sterne berechnen, aber nicht die Dummheit der Menschen”.

Kann Bitcoin noch auf 100.000 Euro steigen? – Ja klar, aber auch auf 100 fallen. Wir werden es sehen.

Die Verlierer verkaufen

Wer an die Zukunft von Bitcoin glaubt, sollte, statt den Bewertungen hinterherzulaufen, lieber das verkaufen, was unter dem Siegeszug der Blockchain-Technologie am meisten leiden wird. Das dürften die Banken sein. Nicht nur würde das Kryptogeld dem Geldschöpfungsprivileg der Banken ein Ende bereiten, es würde auch ein Großteil der Transaktionen der Banken automatisieren und Banken völlig überflüssig machen. Die Zerstörung des klassischen Einzelhandels durch Amazon ist verglichen damit nur ein kleiner Strukturwandel.

Das Bankensystem sitzt auf überflüssigen Kapazitäten jeglicher Art: Filialen die keiner braucht, Mitarbeiter für Prozesse, die durch die Digitalisierung wegfallen und faule Kredite in Höhe von hunderten Milliarden Euro alleine in Europa. Die tiefen Zinsen tun ein weiteres, um die Profitabilität des Bankensystems nachhaltig zu unterminieren. Gründe genug, sich von Banken fern zu halten. Das Szenario eines völlig überflüssigen Bankensystems, substituiert durch Spieler wie Google und Facebook ist mehr als eine Utopie.

An den schlechten Aussichten für Banken ändern auch die Fusionsaktivitäten – Stichwort Commerzbank – nichts. Das sind lediglich Versuche einer sterbenden Branche, wo die einzelnen Spieler versuchen, sich durch den Zukauf von Marktanteilen noch Zeit zu kaufen. Lassen wir die Banken das ohne uns machen.

→ WiWo.de: “Banken shorten, statt Bitcoin kaufen”, 30. November 2017