“Auf dem Weg in die DDR 2.0”

Dieser Kommentar von mir erschien bei manager magazin:

Die Diskussion um die Enteignung von Immobilien ist nur die letzte Volte in einem seit Jahren bestehenden Trend. Lauthals den angeblichen Neo-Liberalismus beklagend, marschiert die Republik schon lange in Richtung einer Neuauflage des real existierenden Sozialismus. DDR 2.0 – wir kommen!

Groß war der Aufschrei, als sich auch Grünen-Chef Robert Habeck offen für die Enteignung von Immobilien aussprach. Natürlich nur, wenn es unbedingt nötig sei. Nicht nur die großen Immobilienkonzerne sind dabei im Fokus, sondern alle jene, die ihre Immobilie – ihr Eigentum – nicht im „gesamtgesellschaftlichen Sinne“ nutzen. Juso-Chef Kevin Kühnert kann ohnehin nicht verstehen, wieso ein einzelner Mensch 20 Wohnungen besitzt. Was liegt also näher, als den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen und jede Art von Immobilieneigentum zu vergesellschaften? Schließlich – so konnte ich es in einer Twitter-Diskussion mit einem Ökonomen letzte Woche lesen – würde der Wertzuwachs der Immobilie von der Gesellschaft erbracht und stünde deshalb dieser und nicht dem Eigentümer zu.

Kaum anders dürften die Befürworter des real existierenden Sozialismus argumentiert haben, der immerhin 40 Jahre lang in einem Teil Deutschlands als Experiment durchgeführt wurde. Mit dem bekannten Ausgang des Totalbankrottes.

Aber was schert diese Erfahrung uns Deutsche? Zur Belohnung für die Unterstützung der Enteignungsidee gewannen die Grünen sogleich an Zustimmung bei der Sonntagsfrage. Habecks Parteikollegin Canan Bayram, Bundestagsabgeordnete der Grünen aus Berlin, die die Kampagne in der Stadt anführt, darf sich bestätigt fühlen.

Ich will jetzt gar nicht die vielen Gründe wiederholen, weshalb die Enteignung von Wohnungskonzernen keinen zusätzlichen Wohnraum schafft. Dies habe ich an schon früher an dieser Stelle getan. Ich will nur daran erinnern, dass staatliche Wohnungswirtschaft in der Vergangenheit immer zu Misswirtschaft, Korruption und letztlich zur Privatisierung der Immobilien geführt hat. Auch diesmal werden es wieder Private sein, die den Scherbenhaufen staatlichen Engagements zusammenkehren, um dann nach getaner Arbeit erneut am Pranger zu stehen. Bis dahin dürften Habeck und Co. allerdings nach für sie persönlich erfolgreicher Politkarriere (ob für das Land, wage ich zu bezweifeln) in Pension sein und sich über ihre Ruhegelder freuen. Bezahlt vom Bürger, dessen Wohlstand durch solche Politik gemindert und nicht erhöht wurde.

Deutsche lieben Umverteilung

Aber es ist unfair von mir, den Politikern die Schuld am absehbaren Marsch in die Neuauflage des Sozialismus auf deutschem Boden zu geben. Denn es ist die Bevölkerung, die es so wünscht. Egal welche Umfrage man zur Rate zieht, die Deutschen wollen mehr Umverteilung. Dabei spielt es keine Rolle, dass

  • Deutschland zu den Ländern mit der geringsten Ungleichheit der Einkommen in der OECD gehört;
  • seit 2005 die Ungleichheit unverändert ist, es also zu keiner Verschlechterung gekommen ist;
  • der gesamte Anstieg der Zahl der Armutsgefährdeten mit der Zuwanderung erklärt werden kann;
  • die Zahl der Sozialhilfeempfänger so niedrig ist wie seit der Jahrhundertwende nicht (2018 bekamen rund 5,8 Millionen Menschen Sozialleistungen laut SGBII, 2006 und 2007 waren es jeweils mehr als sieben Millionen.);
  • die Erwerbstätigkeit mit 44,8 Millionen einen Rekordstand erreicht hat.

Es ist schon verwunderlich, warum die Deutschen dennoch nach mehr Umverteilung verlangen. Nur in Finnland, Belgien und Frankreich ist dieser Wunsch noch ausgeprägter.

Neidisch, unwissend und desinformiert

Über die Ursachen lässt sich nur spekulieren. Ich sehe vier entscheidende Gründe:

  • Neidkultur: In Großbritannien empfinden 18 Prozent der Befragten ausgeprägten Sozialneid gegen Reiche, in den USA 20 Prozent, in Deutschland sind es mit 33 Prozent deutlich mehr.
  • Unwissenheit: Befragt nach der geschätzten und gewünschten Steuerlast für Reiche unterschätzen die Bürger die tatsächliche Abgabenlast und die von den Umverteilungsbefürwortern geforderte Belastung der hohen Einkommen liegt unter dem tatsächlichen Niveau. Es wird also mehr umverteilt als eigentlich gefordert. Umgekehrt überschätzen die Bürger die Belastung der Geringverdiener und unterschätzen das Niveau der Hartz-IV-Zahlungen. Ein nicht unwesentlicher Teil der Befragten ändert seine Meinung, wenn er mit den tatsächlichen Zahlungen konfrontiert wird.
  • Desinformation: Anders kann man die Darstellung von Politik und Medien bei diesem Thema nicht beschreiben. Seit Jahren wird beispielsweise ein grassierender „Neoliberalismus“ mit zunehmender „Ungleichheit“ bemängelt, dem man dringend entgegengetreten müsse. Dabei wird – faktenwidrig – ein Schrumpfen der Mittelschicht bedauert. Prominentester Vertreter dieser Linie ist der Chef des DIW, Marcel Fratzscher, der auch vor einer eigenwilligen Interpretation der Zahlen nicht zurückschreckt, um seine Geschichte erzählen zu können. Die Medien wiederum greifen das nur zu gerne ungeprüft auf, passt es doch in die eigene politische Weltanschauung. So vergeht kaum ein Tag, an dem den Deutschen eingeredet wird, man müsse dringend mehr umverteilen, um die Ungerechtigkeit zu beheben.
  • Zusammensetzung der Gesellschaft: Ein weiterer möglicher Grund für die Präferenz der Deutschen für Ergebnis- statt Chancengleichheit könnte in der Tatsache liegen, dass wir seit Jahrhunderten ein Auswanderungsland sind. Studien zeigen am Beispiel Skandinaviens, dass die Auswanderung der mehr leistungs- und individualorientierten Menschen eine Gesellschaft zurückgelassen hat, die eher für Gleichheit und Umverteilung ist. Dass in Skandinavien mittlerweile der Wunsch nach Umverteilung unter deutschem Niveau liegt, könnte man zynisch so interpretieren, dass es den Skandinaviern gelungen ist, die Abwanderung zu reduzieren und uns nicht.

Rekordhohe Abgabenbelastung

Was auch immer die Ursache für den Gleichmacher-Wunsch der Deutschen ist, das Ergebnis ist klar. 40 Prozent der Einkommensteuer-Zahler werden mit dem Spitzensteuersatz belangt. Musste man in den 1960er-Jahren noch das 15-Fache des Durchschnittseinkommens verdienen, um zum exklusiven Kreis der Spitzensteuerzahler zu gehören, so genügt heute schon das 1,3-Fache. Die Sozialleistungsquote wächst immer weiter an und nähert sich der Marke von 30 Prozent des BIP. Nur zweimal war die Sozialquote höher als heute: in den Rezessionen von 2003 und 2009. Das hindert die Politik nicht daran, nach mehr zu rufen. Ist doch der Applaus der Bürger sicher.

Welchen unmittelbaren Schaden diese Politik anrichtet, kann man am Bundeshaushalt ablesen. Die Politik hat immer von „Sparen“ gesprochen, aber das Gegenteil gemacht. Die Bundesregierungen der letzten zehn Jahre haben mehr als 280 Milliarden Euro zusätzlich ausgegeben. Gleichzeitig sanken dank der Nullzinspolitik der EZB die Zinsausgaben um mindestens 136 Milliarden Euro und die gute Konjunktur reduzierte die Aufwendungen für den Arbeitsmarkt um 46 Milliarden. Von 2008 bis Ende 2018 standen der Politik so 460 Milliarden Euro für Ausgaben aller Art zur Verfügung.

Gern wird dann erzählt, dass das Geld dazu verwendet wurde, die Schulden zu tilgen. Das trifft aber nur bedingt zu. Ende 2018 sind die Schulden des Bundes nach Statistischem Bundesamt auf 1.213 Milliarden gesunken. Die Schulden des Bundes liegen damit immerhin um 227 Milliarden über dem Stand von 2008! Ursache sind vor allem die enormen Aufwendungen im Zuge der Finanzkrise (Bankenrettungsfonds etc.). Aber nicht nur. Im Sinkflug befinden sich die Schulden des Bundes seit 2014: bis jetzt um rund 76 Milliarden Euro. Dies ist weniger als die Zinsersparnis von 2015 bis 2018 von 87 Milliarden!

Verwendet wurde das Geld im Sinne der Bürger. Für Umverteilung. Nimmt man 2008 als Basisjahr, betragen die kumulierten Ausgabenzuwächse im Sozialbereich 167 Milliarden Euro, also rund 40 Prozent der zusätzlichen Ausgaben. Das ist ein beeindruckender Zuwachs angesichts eines Rückgangs der Arbeitslosenquote von 7,8 auf 5,2 Prozent im selben Zeitraum – und den kumuliert um 46 Milliarden gesunkenen Kosten für Arbeitsmarktmaßnahmen und Grundsicherung.

Immerhin rund 100 Milliarden wurden zusätzlich an die Rentenkasse überwiesen und eine weitere Steigerung der Zuschüsse ist angesichts der jüngsten Rentenbeschlüsse der Großen Koalition unvermeidbar. Schon bald dürfte fast ein Drittel des Bundeshaushalts für die Rente verwendet werden.

Weitere 100 Milliarden gingen zusätzlich an die gesetzliche Krankenversicherung, weitere über 100 Milliarden wurde für „sonstigen Konsum“ verwendet, von den Kosten der Migration bis hin zur Energiewende. Für Investitionen (50 Milliarden), Personal (26 Milliarden) und neue Ausrüstung für die Bundeswehr (4 Milliarden) blieb da nicht mehr viel übrig.

Ungedeckte Versprechen machen noch mehr Umverteilung erforderlich

Allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung müssen wir davon ausgehen, dass die Umverteilung ganz neue Dimensionen erreicht. Nach Berechnungen von Professor Raffelbüschen beliefen sich die verdeckten Verbindlichkeiten (alle staatlichen Leistungsversprechen, insbesondere der Sozialversicherungen, die durch das heutige Steuer- und Abgabenniveau noch nicht gedeckt sind) im Jahr 2015 auf 4,6 Billionen Euro. Zusammen mit den ausgewiesenen Staatsschulden von 2,2 Billionen Euro betrug demnach die gesamte Schuldenlast Deutschlands 6,8 Billionen Euro. Das war noch vor Beschlüssen wie die Rente mit 63, die nach Berechnungen des ifo Instituts alleine in den Jahren 2014 bis 2016 zu Gesamtkosten von 12,5 Milliarden Euro geführt hat und einer Grundrente, die mit Bedürftigkeitsprüfung rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr und ohne Bedürftigkeitsprüfung bis zu 10 Milliarden Euro pro Jahr kosten dürfte.

Dabei kann man nicht sagen, dass die Politik nicht weiß, was sie tut. Laut Tragfähigkeitsbericht zu den öffentlichen Finanzen müssten ab sofort zwischen 36 Milliarden und 115 Milliarden Euro pro Jahrzusätzlich gespart werden, um die finanziellen Folgen der demografischen Entwicklung, also steigender Gesundheits-, Pflege- und Rentenkosten bei gleichzeitig sinkender Zahl der Beitragszahler aufzufangen. Macht man aber nicht. Lieber mehr Belastung in Zukunft!

Soziologen und Juristen machen Industriepolitik

Wenn die Politik wenigstens mithelfen würde, die Grundlagen für gute Einkommen in der Zukunft zu legen. Dann wären die Lasten vielleicht noch zu stemmen. Doch dem ist nicht so. Wie bereits an dieser Stelle erläutert, müsste dazu in die Produktivität der Zukunft investiert werden: durch bessere Bildung, Investitionen in die analoge und digitale Infrastruktur und Förderung von Forschung und Entwicklung.

Nichts davon geschieht. Stattdessen hat sich die Politik vom „Erfolgsmodell“ Frankreich inspirieren lassen und beabsichtigt, Industriepolitik zu betreiben. Statt der Markt entscheidet nun also Jurist Altmaier über die wichtigen Unternehmen der Zukunft. Dabei sind dies alles Unternehmen, die wir schon aus der Kaiserzeit kennen! Es ist schon eine amüsante Anekdote, dass der Wirtschaftsminister SAP für ein ausländisches und deshalb nicht schützenswertes Unternehmen hielt.

Die Millionenverluste aus der Subventionierung des A380 sollten Mahnung genug sein. Doch weit gefehlt. Wie weiland in der Planwirtschaft wird nun die Politik sagen, was gemacht wird. Den hiesigen Unternehmen mag es egal sein, orientieren sie sich doch immer mehr ins Ausland.

Klimawandel als Begründung für Sozialismus

Die endgültige Begründung für die freiwillige Neuauflage des real existierenden Sozialismus liefert aber der Klimaschutz. Musste man sich früher über den Nachbarn ärgern, weil man ihm seinen Sportwagen neidete, kann man ihn nun zu einem Klima-Paria erklären, den man umerziehen muss. Während andere Länder auf marktwirtschaftliche Instrumente wie eine CO2-Besteuerung setzen, bevorzugen wir in Deutschland das direkte Beeinflussen des Verhaltens. Denn damit kann man alle gleich machen. Beispiele gibt es reichlich:

  • Fahrverbote reduzieren den Individualverkehr. Alle Bürger dürfen sich gleichermaßen dem schlechten öffentlichen Nahverkehr aussetzen, niemand mehr im warmen Auto sitzen, während andere im Regen auf den verspäteten Zug warten.
  • Tempolimits bremsen endlich auch jene aus, die sich ein schnelleres Auto leisten wollen und machen Kleinwagen und Elektroautos relativ attraktiver.
  • Flugkontingente wie von den Grünen vorgeschlagen (maximal drei Flugpaare pro Bürger pro Jahr) treffen endlich jene, die sich eine Ferienwohnung auf Mallorca leisten können. Sollen die doch auch (mit der Bahn) ins Umland fahren.
  • Fleischkonsum wird immer mehr in die Kritik kommen. Der „Veggie-Day“ der Grünen bleibt auf der Agenda.

Da ist es nicht mehr weit bis zu einer Diskussion der zulässigen Wohnfläche pro Kopf. Schließlich ist es doch ökologisch höchst bedenklich, wenn einige Menschen mehr Platz zum Wohnen haben als andere. Ganz im Sinne Kevin Kühnerts könnte man fragen, mit welchem Recht jemand auf mehr als 100 Quadratmetern wohnt. Wie in der DDR könnte man Wohnraum dann wieder nach „Bedürftigkeit“ zuteilen. Nur so eine Idee.

Was mich zum Ausgangspunkt der Überlegungen führt. Es wundert nicht, dass Habeck für Enteignungen ist, passt es doch in den Trend zur DDR 2.0. Was wundert ist, dass er es diesmal offen vorschlägt. Die bessere Vorgehensweise wäre, den Klimaschutz vorzuschieben. Und zwar so: Damit Deutschland endlich seine Klimaziele erfüllt, werden alle Immobilieneigentümer gesetzlich verpflichtet, Wärmedämmung vorzunehmen und die Kosten dafür allein zu tragen, also ohne Umlage auf die Mieter. Können oder wollen sie dies nicht tun, kauft ihnen der Staat die Immobilie zu einem Preis ab, der dem Zustand als klimaschädlichem Gebäude entspricht. Also fast null. Ohne das böse Wort der „Enteignung“ überhaupt in den Mund zu nehmen, wäre das Ziel erreicht.

Wer kann, haut ab

Spinnerei? Hoffentlich. Allerdings hätten Sie, wenn ich vor einem Jahr über bevorstehende Enteignungen von Immobilien in Deutschland geschrieben hätte, auch gedacht, dass ich spinne. Heute diskutieren wir den Vorschlag von einem Politiker, der gute Chancen hat, der nächsten Bundesregierung anzugehören und der nach Auffassung nicht weniger das Potenzial hat, zum ersten grünen Kanzler der Republik zu werden. Der grün-sozialistisch-demokratischen Republik. Denn vergessen wir nicht, nach Habeck ist die Demokratie hierzulande erst verwirklicht, wenn grün gewählt wird. Rette sich, wer kann.