25.000 Euro für alle unter 65

Das ist ein Auszug aus meinem Buch „Ein Traum von einem Land – Deutschland 2040“ , der gekürzt und redaktionell bearbeitet wurde und in der WeLT  erschien.

Deutschland gilt als wohlhabende Nation – die für die EU-Schuldenpläne als eine Art Zahlmeister dient. Wohlhabend ist aber nur der Staat. Seine Bürger nicht. Wenn jedoch jeder Deutsche unter 65 von der Regierung 25.000 Euro geschenkt bekäme, hätte das gleich zwei nützliche Effekte.

Die sogenannten Kapitalsammelstellen – Banken, Versicherungen, Unternehmen und Pensionsfonds – legen jedes Jahr viele Milliarden Euro der in Deutschland gebildeten Ersparnisse im Ausland an. Das ist die Folge der deutschen Exporterfolge. Wenn ein Land einen Außenhandelsüberschuss erzielt, bedeutet dies zwangsläufig einen Export von Ersparnissen ins Ausland. Dieser Export geschieht in Form von Krediten oder von Direktinvestitionen im Ausland.

Da Deutschland seit Jahren Handelsüberschüsse aufweist, exportieren wir seit Jahren Kapital in erheblichem Maße ins Ausland. Mittlerweile hat Deutschland mit fast 2500 Milliarden US-Dollar nach Japan das zweitgrößte Nettoauslandsvermögen. Pro Jahr kommen rund 300 Milliarden US-Dollar dazu. Theoretisch bauen wir damit Vermögen auf, das wir zu einem späteren Zeitpunkt, zum Beispiel dann, wenn die Folgen des demografischen Wandels eintreten, verkaufen können, um unseren Lebensstandard zu erhalten.

Das Problem ist jedoch, dass wir das Geld im Ausland nicht gut investieren. Die Summe der Außenhandelsüberschüsse der vergangenen Jahre ist nämlich höher als der Zuwachs an Auslandsvermögen. Allein in der Finanzkrise, so schätzt das DIW, hat Deutschland 400 Milliarden Dollar verloren – also fast den Überschuss von zwei Jahren! Die Summe der Handelsüberschüsse der zurückliegenden Jahre liegt deutlich über dem Zuwachs des Auslandsvermögens.

Ein Forschungsteam hat sich den Erfolg der deutschen Kapitalanlage im Ausland gründlich angeschaut. Dabei hat sich gezeigt, dass die Deutschen bei ihrer internationalen Geldanlage ähnlich erfolglos sind wie bei der Anlage ihrer Ersparnisse.

Andere Länder sind mit der Anlage ihres Auslandsvermögens deutlich erfolgreicher. Seit 1975 liegt die jährliche Rendite deutscher Anlagen im Ausland um fünf Prozentpunkte unter den Erträgen, die die USA erwirtschaften, und immer noch drei Prozentpunkte unter der Rendite, die die anderen europäischen Länder im Durchschnitt erwirtschaften.

Deutsche Anlagen im Ausland besser managen

Allein im Zeitraum seit der Finanzkrise hätte Deutschland ein zusätzliches Vermögen im Umfang von zwei bis drei Billionen Euro aufbauen können, hätte es sein Geld ähnlich gut angelegt wie Kanada oder Norwegen. Pro Kopf der deutschen Bevölkerung entspricht das 28.000 bis 37.500 Euro! Auf einen Schlag hätten wir ein um 50 Prozent höheres Vermögen.

Was zu der folgenden Frage führt: Woran liegt es? Darüber kann man nur spekulieren. Um uns zu verbessern, sollten wir zwei Dinge tun: weniger im Ausland anlegen und unsere Anlagen im Ausland besser managen.

Klar ist, dass es nichts bringt, Geld im Ausland zu investieren, wenn man dabei Geld verliert. Besser ist es, mehr im Inland zu investieren. Wir brauchen also dringend ein Programm für mehr Investitionen im Inland.

Außerdem müssen wir unsere Ersparnisse im Ausland besser anlegen. Eine mögliche Idee dazu ist, sich am Vorbild anderer Länder zu orientieren und einen „Staatsfonds“ aufzulegen. Die Idee eines Staatsfonds für Deutschland ist nicht neu. So schlugen bereits 2013 die Ökonomen Daniel Gros und Thomas Mayer einen solchen Fonds vor:

„Aufgrund der Schwierigkeit des privaten Sektors, nationale Überschussersparnisse gewinnbringend im Ausland anzulegen, haben Länder mit chronischen Leistungsbilanzüberschüssen in der Regel staatliche Fonds zu diesem Zweck geschaffen. Der klassische Fall eines Landes mit chronischem Leistungsbilanzüberschuss ist ein rohstoffreiches Land mit relativ geringer Bevölkerung. Dort können die Erlöse aus Rohstoffexporten von den Inländern nicht vollständig zu Konsum und Investition verwendet werden. Sie werden daher über einen Staatsfonds in ausländische Vermögenswerte angelegt. (…)

Erreicht würde dies dadurch, dass ein zu gründender deutscher Vermögensbildungsfonds im Inland lang laufende Anleihen zur privaten Altersvorsorge mit einem garantierten positiven Realzins anbietet. Damit die Garantien des Staatsfonds langfristig nicht im Trend relativ zum Bruttoinlandsprodukt wachsen, könnte sich der Realzins am deutschen Potenzialwachstum von etwa einem Prozent pro Jahr orientieren. Darüber hinausgehende Anlageerfolge könnten den Sparern als Boni gutgeschrieben werden. Bei Eintritt in den Ruhestand würde dann das Altersvorsorgevermögen zur Aufbesserung der staatlichen Rente graduell abgebaut.

Die aufgenommenen Mittel würde der Fonds langfristig in Beteiligungen an Unternehmen und öffentlicher Infrastruktur im In- und Ausland anlegen. Die globale Allokation der Mittel könnte sich an der Größe des Bruttoinlandsprodukts der Länder orientieren. Da der Vermögensfonds wegen seiner größeren Möglichkeit zur Diversifizierung und seines längeren Anlagehorizonts die mit Anlagen in Unternehmensbeteiligungen und Infrastrukturprojekten verbundenen höheren Risiken besser tragen kann als der Privatinvestor, kann er diesem die einem Aktienportfolio entsprechende Rendite bei dem einem Rentenportfolio entsprechenden Risiko bieten.“

Wir müssen nicht das Rad neu erfinden

Das ist alles so einleuchtend, dass man sich fragt, warum wir das nicht schon lange machen. Wichtig ist aber, dass es eben nicht politischen Wunschprojekten dient, sondern der Geldanlage zur Vermögensbildung.

Die Bertelsmann-Stiftung kommt in einer vergleichenden Untersuchung ebenfalls zu einem positiven Schluss und fasst die Voraussetzungen für einen Erfolg zusammen:

  • Regierungsunabhängige Organisation.
  • Transparenz.
  • Überprüfung der Investitionsentscheidungen durch eine Ethikkommission.
  • Verwendung nur der erwirtschafteten Rendite.
  • Konzentration auf ausländische Investitionen.

Es sind vernünftige Lehren, die die Bertelsmann-Stiftung aus dem Vergleich mit den erfolgreichen Staatsfonds anderer Nationen zieht. Wir müssen auch hier das Rad nicht neu erfinden. Wir müssen es nur endlich machen.

Man kann diese Idee noch weitertreiben. Zunächst gilt es, die Verteilung des Vermögens zwischen dem Staat und dem Privatsektor zu hinterfragen. Die Privathaushalte in Italien, Frankreich und Spanien verfügen über deutlich mehr Vermögen, während die Staaten in diesen Ländern deutlich höher verschuldet sind als der deutsche. Scheinbar nehmen wir geringe private Vermögen hin, wenn dafür der Staat geringer verschuldet ist.

Ich denke aber, statt die Deutschen mit zusätzlichen Steuern zu belasten, um europäische Solidarität zu finanzieren, und statt Vermögensteuern und -abgaben zu diskutieren, um Gerechtigkeit herzustellen, sollten zunächst die privaten Vermögen hierzulande gestärkt werden.

Neben den bereits angesprochenen Maßnahmen ließe sich auch darüber nachdenken, den Staatsfonds mit einer Einmalzahlung des Staates aufzulegen. So könnte der Staat im Rahmen des „Programms zur Wohlstandsmehrung der Bürgerinnen und Bürger“ jedem Deutschen unter 65 Jahren 25.000 Euro schenken.

25.000 Euro für jeden unter 65

Bei überschlägig 55 Millionen Deutschen in dieser Alterskohorte entspricht dies 1375 Milliarden Euro oder rund 40 Prozent des BIP. Die Grenze der Begünstigung bei 65 Jahren ist darin begründet, dass ein Großteil des Vermögens in Deutschland ohnehin bei den über 65-Jährigen liegt und etwaige Guthaben hier nicht genutzt, sondern perspektivisch vererbt werden.

Die besagten 25.000 Euro würden nicht direkt an die Begünstigten überwiesen, sondern als Einmalzahlungen auf individuelle Alterskonten beim Staatsfonds geleistet. Der Staat würde die Ursprungseinzahlung von 25.000 Euro garantieren. Die Verzinsung käme hinzu. Mit Vollendung des 65. Lebensjahres und nach einer Haltedauer im Fonds von mindestens zehn Jahren würde das Guthaben an die Begünstigten ausgezahlt.

Ergänzend sollte der Staat den Bürgerinnen und Bürgern anbieten, zusätzlich in diesem Fonds zu sparen. Hier sollte neben der Einzahlung eine Mindestverzinsung – zum Beispiel ein Prozent pro Jahr – garantiert werden, um die Abneigung der Bevölkerung gegen vermeintlich riskante Anlagen in Aktien und Immobilien zu überwinden.

Dies ist im Hinblick auf die absehbare Geldentwertung infolge der Post-Corona-Politik und der unabwendbaren Monetarisierung der Schulden im Euroraum dringend erforderlich, um die Deutschen nicht zu den großen Verlierern der kommenden Jahrzehnte zu machen.

Angesichts der Notwendigkeit, die Eigentumsquote im Inland zu erhöhen, sollte den Bürgerinnen und Bürgern zusätzlich die Möglichkeit gegeben werden, das Guthaben im Staatsfonds für den Kauf von Immobilien zu verwenden. Dazu sollte der Fonds das Vermögen zinslos beleihen, und die Mittel sollten bei der Beurteilung der Kreditwürdigkeit als Eigenkapital gewertet werden, was sie ja de facto sind.

Keine ungleiche Vermögensverteilung in Europa

Das Ergebnis wäre sehr interessant und vorteilhaft:

  • Die Deutschen hätten ein höheres Privatvermögen von überschlägig dem 4,2-Fachen des BIP. Damit lägen sie zwar immer noch deutlich hinter Frankreich, Spanien und vor allem Italien, aber bei entsprechender Anlage in den kommenden Jahrzehnten sollte es deutlich anwachsen.
  • Die Ungleichheit der Vermögensverteilung würde merklich verringert.
  • Der deutsche Staat wäre mit einer Verschuldung von rund 110 Prozent des BIP trotz Corona und „Programm zur Wohlstandsmehrung der Bürgerinnen und Bürger“ nur so hoch verschuldet wie der Durchschnitt der Eurozone und immer noch deutlich geringer als Frankreich, Spanien und Italien.
  • Das Argument, der reiche deutsche Staat könne und solle für alles eintreten, verlöre an Gewicht.

Zugleich hätte der deutsche Staat genug Schulden, um an der aus meiner Sicht unausweichlichen großen Lösung für die europäischen Staatsschulden teilzunehmen und so wie die anderen großen Staaten davon zu profitieren.

welt.de: “25.000 Euro für alle unter 65”, 9. Februar 2021