Rezession statt Inflation

Die Notenbankpolitik im Jahr 2020 hat der Inflation Schub verliehen. Nun droht die Beschleunigung des Abschwungs.

Wie kam es zu einem so deutlichen Anstieg der Inflation nach über zehn Jahren Kampf gegen die Deflation? In der 138. Folge von „bto 2.0 – der Ökonomie-Podcast mit Dr. Daniel Stelter“ suchen wir nach Antworten auf diese und andere Inflationsfragen. Welchen Anteil haben die Notenbanken an der Inflationsentwicklung? Auf welche Szenarien müssen wir uns einstellen. Tim Congdon, Gründer und Leiter des Instituts für internationale Währungsforschung an der Universität von Buckingham (GB) und führender Vertreter der monetaristischen Lehre, im Expertengespräch mit Daniel Stelter.

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Kommentare (26) HINWEIS: DIE KOMMENTARE MEINER LESERINNEN UND LESER WIDERSPIEGELN NICHT ZWANGSLÄUFIG DIE MEINUNG VON BTO.
  1. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    @ DS

    a) Wechseln des Camps

    Es kann schon sein, dass wir den baldigen Höhepunkt der Inflation sehen werden.

    Dafür spricht, dass in allen drei großen Wirtschaftsräumen (Nordamerika, Europa, China) zumindest ein geringeres Wachstum auszumachen bzw. zu erwarten ist.

    Ob es TATSÄCHLICH zu Rezessionen kommt, bleibt abzuwarten.

    Es gibt gewichtige Stimmen in USA, die sehen die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in absehbarer Zeit dort unter 50%.

    Für Europa wird dies sehr davon abhängen, ob im Herbst genügend Gas verfügbar ist.

    b) Inflationsszenario 2027-2032

    Es mag ja sein, dass man an Finanzmarkprodukten HEUTE ablesen kann, dass die Inflation in USA und Europa 2027-2032 < 2,5% sein wird.

    Sagen sie auch, was in 2027 abzulesen sein WIRD für die Inflationsentwicklung 2032 bis 2037?

    Das sagen sie nicht.

    Die Finanzmärkte PRODUZIEREN auch nur GLAUBENSBEKENNTNISSE.

    Es sind welche, die sich sehr SCHNELL ändern können.

    Antworten
  2. Michael Stöcker
    Michael Stöcker sagte:

    Le monétarisme est mort, vive le monétarisme!

    Allerdings nicht als Monetarismus 1.0 (G. Schnabl, via M0/Bargeld; aka Zentralbank, da SPÄTESTENS seit dem Übergang zu Mitte des 20. Jhd. von Bargeldzahlung zu Schecks Toast; die (Nicht)Funktion von Reserven hat er wohl immer noch nicht verstanden) oder Monetarismus 2.0 (T. Congdon, via M1/M2/M3… = onshore Banking-Theory; spätestens seit den 60er Jahren Toast) sondern als Monetarismus 3.0 (J. Snider, via Eurodollar = onshore + offshore Banking Theory + F. Knapp).

    Zu den aktuellen Entwicklungen kann nur (leider) einer kompetent Auskunft geben. Insbesondere auch über M1/M2/M3…: https://youtu.be/kymdGQTY-6U?t=1060

    @ DS: Hochachtung, dass Sie das „Camp“ gewechselt haben. Klasse Podcast!

    Für mehr leider gerade keine Zeit.

    LG Michael Stöcker

    Antworten
    • JürgenP
      JürgenP sagte:

      @ M.Stöcker “Zu den aktuellen Entwicklungen kann nur (leider) einer kompetent Auskunft geben” Ich habe mal nachgeschaut > [Jason Hartman interviews Jeff Snider, 745 Aufrufe 19.05.2022]

      Herr Stöcker, m.E. spricht es Bände, wenn zu einem solchen wichtigen Thema ein kompetenter Experte gerade mal 745 Aufrufe bekommt. Vielleicht ist er kein Experte (? kann ich nicht beurteilen, bin nicht VWLer) oder auf Youtube trifft er nicht auf sein Spezialpublikum.

      Die jetzt schon oder demnächst von fürchterlichen wirtschaftlichen Zuständen betroffenen Bürger interessiert offensichtlich etwas ganz anderes: quietschende Türen ;-)
      https://www.youtube.com/watch?v=irkBaf26fxg
      976.915 Aufrufe 23.04.2022

      Übertrumpft wird dies noch von Mr. Bean. Er hat es mit seiner Show anlässlich der Live Performance at the London 2012 Olympic Games.am 27.07.2012 immerhin auf 102.525.746 Aufrufe geschafft.

      Kann das an der Kommunikation in Wort, Schrift und Gestik liegen, dass Witzbolde den Publikumsnerv treffen und Experten wie Mr. Snider eben nicht? Sicherlich, das kann an den unterschiedlichen Zielgruppen der Akteure liegen.

      Nur, Wirkung erzielt Hr. Snider mit der o.g. Performance nicht. Aber darauf kommt es an. Nur dann kann sich etwas ändern.

      Antworten
      • Stoertebekker
        Stoertebekker sagte:

        @JürgenP

        Im Breedlove Podcast (Snider series) liegen die Zahlen höher, knapp 30.000. Das ist natürlich immer noch nicht viel, aber ein Start. Wer das Verständnis der alten Welt über den Haufen wirft, hatte es schon immer schwer. 🤷‍♂️

      • Richard Ott
        Richard Ott sagte:

        @JürgenP

        Wenn er ein paar lustige Sketche mit einem Teddybären oder vielleicht einem Mini Cooper in sein Repertoire aufnehmen würde, dann würde ich mir die Snider-Videos auch alle freiwillig angucken… ;)

      • Michael Stöcker
        Michael Stöcker sagte:

        @ JürgenP

        „Vielleicht ist er kein Experte“

        Snider ist DER Experte. Aber auch für ihn gilt: Wer andern etwas vorgedacht…

        Immerhin ist er seit 2 Jahren gefragter Interviewpartner bei Real Vision mit bis zu 180.000 views, bei George Gammon gemeinsam mit Lyn Alden mit ca. 90.000 views und auch beim Dampfplauderer Nummer 1 (aka Marc Friedrich) hat er es auf knapp 50.000 views geschafft. Und das ist für so ein spezielles Thema durchaus beachtlich. Die Fraktion, die sich mit Pöbbelmann und Co. beschäftigt wäre so oder so TOTAL überfordert; nicht nur aufgrund der Thematik/Fachsprache, sondern zugleich wegen unzureichender Fremdsprachenkenntnisse.

        „Nur, Wirkung erzielt Hr. Snider mit der o.g. Performance nicht.“

        Gut Ding will Weile haben. Vielleicht schafft es Herr Stelter ja, Snider für sein Format zu gewinnen und somit auch einem Publikum zugänglich zu machen, das jenseits der marktschreierischen Crash-Prophetie eines M. Friedrich an ökonomischer Erkenntnis interessiert ist. Dann hätten auch die bisherigen Interviewpartner eine Chance, ihre weitgehend überholten Paradigmen neu zu durchdenken.

        LG Michael Stöcker

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ Michael Stöcker

        Jeff Snider:

        https://www.macrovoices.com/podcast-transcripts/966-jeff-snider-why-deflation-is-the-story-not-inflation

        Das hat er am 15. April 2021 gesagt.

        Falscher geht nicht.

        Das kommt vor, ist u. a. auch Paul Krugman, immerhin mit dem Nobelpreis ausgezeichnet, auch schon passiert. Wobei es dem passieren MUSSTE, weil er ja anders als J. Snider von Ökonomie NICHTS versteht.

        P. Krugman hat allerdings ZUGEGEBEN, dass er sich geirrt hat.

        Jeff Snider irrt sich NIE, muss daher nie zugeben, dass er sich geirrt hat.

        Ich sage nicht, dass jeder seiner Sätze falsch ist.

        Vermutlich hat er sogar Recht damit, dass die unregulierten Finanzmärkte über die Banken einen Einfluss auf das Geldwesen und damit auch auf die Realwirtschaft haben.

        Ich bin allerdings der Meinung, dass man jemand, der DOGMATISCH Recht haben will und falsche Vorhersagen nicht eingestehen kann, WEIL dann konsequenterweise SEIN Ökonomieverständnis als FEHLERHAFT ausgewiesen ist, dem Blog nicht dienlich ist.

        Auch dann noch Recht haben zu wollen, wenn man ERWIESENERMASSEN Unrecht hat, ist UNSERIÖS 1).

        Ich kann auf J. Snider verzichten.

        1) Sorry, J. Snider hat natürlich Recht, weil er immer Recht hat:

        Es gibt keine Inflation, ist nur Einbildung.

        Millionen können irren, J. Snider nicht.

      • jobi
        jobi sagte:

        @JürgenP

        Jeff Snider ist ein “Notenbank-Nerd”, der die gefühlt letzten 300 FOMC-Protokolle auswendig gelernt hat.

        Sein Erklärstil ist ziemlich anekdotisch und auch seine eigenwillige und sehr enge Definition von Inflation ist für die allgemeine Diskussion nicht gerade förderlich.

        Trotzdem versteht er – wie nur wenige – die Mechanismen des globalen Geldsystems jenseits von M2, auf welche die Notenbanken wenig Einfluss nehmen können.

        Seine Kritik richtet sich gegen die systematische Ignoranz der Notenbankpolitik gegenüber diesem “marktbasierten” auf “collateral secured lending” basierenden Teil des globalen Geldsystems, dessen Bedeutung seit den 1960’er Jahren ständig gewachsen ist.

        Er verwendet Marktindikatoren, die eine Knappheit von US$ frühzeitig und zuverlässig anzeigen konnten. Eine vorausschauende Geldpolitik müsste die Signale des Eurodollarmarktes mit einbeziehen, anstatt sich auf die ganz offensichtlich fehlerhaften Fed-Modelle zu beschränken.

        Lösungen für ein besseres Finanzsystem hat er keine, das sagt er auch ganz deutlich.

      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ jobi

        Ich glaube, dass Sie J. Snider sehr gut einschätzen.

        Was mich nervt:

        Es ist sehr willkommen und hilfreich auf DEFIZITE hinzuweisen, aber durch NICHTS gerechtfertigt „Wahrheiten“ über Sachverhalte vor allem damit zu begründen, dass man Defizite erkennt.

        >Eine vorausschauende Geldpolitik müsste die Signale des Eurodollarmarktes mit einbeziehen, anstatt sich auf die ganz offensichtlich fehlerhaften Fed-Modelle zu beschränken.>

        Erster Teile des Satzes – Zustimmung.

        Zweiter Teil:

        Kann man wirklich sagen, dass die Fed-Modelle FEHLERHAFT sind, wenn die Notenbanken, nur wenig Einfluss auf die Mechanismen des globalen Geldsystems haben?

        Ich würde sagen, dass sie wegen des mangelnden Einflusses UNVOLLSTÄNDIG sind (und ansonsten, wie diskutiert, zu UNGENAU) und daher doch recht UNBRAUCHBAR.

  3. Dietmar Tischer
    Dietmar Tischer sagte:

    Drei Punkte:

    1. Inflation ODER Rezession (am Anfang und am Ende des Podcasts)

    Wie wir schon diskutiert haben, ist dies die traditionell konjunkturelle Sicht, aber m. A. n. keine, die bei STRUKTURELLER Änderungen richtig sein muss.

    Ich würde gern einmal Argumente hören, warum die Auffassung, dass es Inflation UND zugleich Rezession geben könne, falsch sein MUSS.

    2. Geldmengenwachstum

    Tim Congdons Position ist m. A. n. NICHT schlüssig.

    Wenn, wie er ab 32:00 erklärt, die Zentralbanken durch ihre Geldmengensteuerung das Kreditwachstum der Privatbanken und damit die Nachfrage in der Realwirtschaft, die Zinssätze und die Verschuldung des Staats BEEINFLUSSEN sollten, damit die Inflation in Schranken bleibt, übersieht er Folgendes:

    Sie würden damit NICHT beeinflussen können, WIE „broad money“ GENUTZT wird.

    Denn wenn darunter die VERFÜGBARKEIT über ALLE Guthaben auf ALLEN Bankkonten verstanden werden kann – nur die Aktiendepots sollen ausdrücklich unberücksichtigt bleiben -, ist mit der Geldmengensteuerung NICHT auszuschließen, dass die Menschen ihr Geldverhalten ändern, d. h. ANDERS als traditionell über diese Guthaben verfügen und MEHR oder WENIGER Güter und Dienstleistungen nachfragen.

    Der Staat könnte im Bestreben, die Energiewende zu beschleunigen, z. B. Anreize dafür setzen.

    Kurzum:

    Die Notenbanken könnten zwar die Geldmengenänderung IM Bankenbereich steuern und damit darauf HINWIRKEN, dass die Menschen ihr Verhalten bezüglich ihrer Bankguthaben NICHT ändern.

    Sie können aber nicht verhindern, DASS sie es ÄNDERN, aus welchen Gründen auch immer.

    Ich sage nicht, dass es eintreten wird.

    Ich sage nur, dass die Notenbanken die Inflation NICHT so WIRKMÄCHTIG beeinflussen können, wie es nach Auffassung von T. Congdon möglich ist.

    3. Der Staat als WIRTSCHAFTLICHER Akteur

    Was T. Congdon nicht zu erkennen scheint, ist der EINFLUSS des Staats.

    Es steht für führende Ökonomen wie L. Summers außer Frage, dass in USA die Regierung während der Pandemie den Haushalten per Scheck soviel Geld hat zukommen lassen, dass dies als eine wesentliche Ursache für die dortigen Preissteigerungen anzusehen ist.

    Dies war zwar eine Sondersituation, aber eine, die zeigt, zu was der Staat fähig ist.

    T. Congdon würde sagen, dass die dafür erforderliche Finanzierung des Staats eine Frage der Geldmengensteuerung ist, hier: der Einflussnahme, Staatsanleihen zu kaufen.

    Das ist THEORIE.

    Wenn die Privatwirtschaft die Erwartungen der Menschen nicht erfüllen kann, wird der Staat versuchen, sie zu erfüllen.

    Keine Geldpolitik wird daran etwas ändern können.

    Denn die Notenbanken werden für die Finanzierung der Staatsausgaben in ANSPRUCH genommen, wenn der private Sektor sie nicht mehr leisten kann oder will.

    Sie bekennen sich dazu auch durch FREIWILLIGES geldpolitisches Handeln:

    In der Eurozone besonders gut zu beobachten (Kauf von Staatsanleihen durch die EZB, um die Verschuldungskosten der hoch verschuldeten Staaten GERING zu halten) wie auch in Japan (im April 2020 hat die BoJ erklärt, dass sie Staatsanleihen UNBEGRENZT kaufen wird).

    Derartige Staatsfinanzierung ist nicht auf AUSGEWIESENE Notzeiten wie eine Pandemie beschränkt.

    Denn wenn aufgrund STRUKTURELLER Änderungen TENDENZIELL „Not“ herrscht, wird so finanziert werden.

    Alles, was sich als machbar erwiesen hat, wird irgendwann gemacht – und zwar IMMER dann, wenn es die günstigste Option ist für die Macher.

    Es gibt für den Staat NICHTS Günstigeres und Verlässlicheres als die Finanzierung durch die eigene Notenbank.

    Antworten
    • JürgenP
      JürgenP sagte:

      @DT ” Es gibt für den Staat NICHTS Günstigeres und Verlässlicheres als die Finanzierung durch die eigene Notenbank”. Ich würde anstatt “Staat” das Wort “Macher (= machthabende Politiker)” einsetzen, dann passt es … und entspricht dem Handlungsmuster.

      Antworten
      • Dietmar Tischer
        Dietmar Tischer sagte:

        @ JürgenP

        Sie haben Recht, es sind letztlich IMMER Menschen, die etwas machen, in dem Fall die Politiker.

  4. JürgenP
    JürgenP sagte:

    „Auf welche Szenarien müssen wir uns einstellen“.

    Die Frage müsste – nach dem Mark-Twain-Resumee des Podcast – lauten: „wie müssen wir uns einstellen, um mit jedem potenziell möglichen Szenario fertig zu werden.

    Die Antwort darauf hängt von Zielen ab, die ein jeder persönlich verfolgt.

    Die im aktuellen Podcast und auch in den Tagen zuvor beschriebenen Begleitumstände bieten jedem etwas als Grundlage von Zieldefinitionen. In dem Zusammenhang ist das neue Zauberwort „resilient“. Man kann es sein, oder durch Handlung (zum Beispiel wirtschaftlich) werden. Das gilt sowohl für die Person oder Unternehmen.

    Dumm, wer sich in den letzten Jahren hat blenden lassen von all den schönen Steigerungsraten und nun für „Assets“ hoch verschuldet ist. Mit dessen Resilienz / Handlungsfähigkeit kann es bei galoppierender Inflation oder grassierender Rezession, je nach staatlich verursachter Begleitumstände, sehr schnell vorbei sein. Dann liegen Nerven blank wg. „Jobverlust & Energie“ und Handlung verliert ihre Fähigkeit & Flexibilität. Ganz besonders, wenn es viele trifft und alle verkaufen müssen.

    Aber warum jammern, die Zeiten sind doch grandios – je nach Couleur: der Hasadeur kann ohne Rücksicht auf Verluste voll ins Risiko einsteigen und ganz schnell riesig gewinnen oder verlieren. Der Bedächtige dagegen macht einfach gar nichts, um in letzter Sekunde die Gunst der Stunde zu nutzen – Flexibilität vorausgesetzt. Dazwischen liegt eine große Bandbreite für jeden Charakter.

    Allerdings: vor dem Handeln kommt die persönliche Zieldefinition (oder die der Unternehmensführung). Am Besten, man stellt sich trotz oder mit “Kurvendiskussion” auf alles ein und setzt auf potenzielle Handlungsfähigkeit, der Rest ergibt sich von allein.

    Antworten
  5. Stoertebekker
    Stoertebekker sagte:

    So gut es ist, sich diverse Theorien zur Erklärung der Phänomene der Realität anzutun (@DS – danke dafür), so unbefriedigend bleibt es. Wieder mal stellt sich die Frage, ob dieser ganze VWL Kram überhaupt irgendwas PRAKTISCH Verwertbares bringt…

    a) Jeder der Welterklärer setzt die Prämissen anders. Mal geht’s um M2, dann um broad money (M3?) Mal um Konsumentenpreise, mal um Immobilienpreise, mal um beides.

    b) Alle Inflations-Erklärungsversuche beschäftigen sich mit den monetären Themen, schauen sich die Realwirtschaft aber nicht an (obwohl m*v=p*y durchaus das y enthält). Das wäre aber nötig, um die nichtmonetären Effekte zu isolieren.

    b1) T Congdon erklären die unterschiedlichen Inflationsraten (eigentlich Preissteigerungsraten; es irritiert, dass dies nicht einmal in diesem Umfeld konsequent unterschieden wird) in unterschiedlichen Volkswirtschaften als Ergebnis der Geldpolitik.

    b2) @DS verweist auf die Produzentenpreisindizes in der Schweiz (4%) und in D (22,9%) und erklärt das mit der Geldpolitik.

    Das springt aus meiner Sicht deutlich zu kurz und würde nur gelten, wenn die Volkswirtschaften STRUKTURELL gleich wären. Auf Dienstleistungen dürften die Energiepreiserhöhungen/Supply-Chain-verwerfungen/Force Majeures/younameit beispielsweise anders wirken als auf produzierendes Gewerbe. Auf Volkswirtschaften mit höherer Autarkie anders als auf stark im-/exportlastige Volkswirtschaften, die über Währungen und Weltmarktpreise die Schwankungen viel stärker spüren.

    Und noch gravierender dürfte zB die Art der Stromerzeugung sein. Wenn in der Schweiz 66% der Energie aus Wasserkraft, 20% aus Atom und 10% aus Windenergie gewonnen werden, leuchtet mir unmittelbar ein, dass die Energie-PreisSTEIGERUNGEN gegenüber Deutschland MASSIV niedriger sein müssen, sobald fossile Energieträger am Weltmarkt solch gigantische Preissprünge erleben.

    c) Und dann passt das häufig in sich auch nicht. T Congdon sieht broad money als relevant an, verlangt aber von der ZB eine Verstetigung der Geldmengensteigerung. Geht direkt natürlich nicht. Also greift er zurück auf die Bundesbank von vor 30 Jahren, die das geschafft hätte.

    30 Jahre haben in der Realwirtschaft aber dermaßen Veränderungen hinterlassen, dass mir ob solcher Ideen schummerig wird. (Vor 30 Jahren haben die Autos gerade die Airbags als Pflicht ins Lastenheft bekommen. Es hat noch Deng Xiaoping in China regiert und die chemische Industrie am Golf war in den Kinderschuhen. Und der globale Handel mit seinen Geldanforderungen um Welten geringer.)

    Fazit: Wer auf der Suche nach Welterklärern ist, die versuchen, die realen Phänomene unserer Welt in ihren Theorien zu verarbeiten, wird weiter lange suchen müssen. Das spiegelt sich im Übrigen auch im Wechsel des Bloghosts vom Camp Inflation in Camp Rezession. Wenn ein propagierter Erklärungsansatz eine Halbwertzeit von 6, 12, 18 (?) Monaten hat, taugt er nicht für forsch vorgetragene Vorschläge zur Zukunftssteuerung. Das gilt leider für alle Ansätze (die mir über den Weg gelaufen sind).

    PS Auch wenn es die meisten vermutlich nervt, J Snider sieht die globale Wirtschaft (insbesondere aber die USA) seit der globalen Finanzkrise in einem tendenziell rezessiven Umfeld. Der wesentliche Indikator – die „Marktintelligenz“ der Bondmärkte bzw. deren Zinserwartungen am langen Ende. Die Konsistenz seiner Argumentation in einer sich verändernden Welt macht Spaß, so wie im Übrigen auch bei O Issing vor ein paar Wochen hier am Blog.

    Antworten
    • JürgenP
      JürgenP sagte:

      @Stoertebekker “Jeder der Welterklärer setzt die Prämissen anders”.

      “Welterklärer” = Experte & Expertin der xy-Wissenschaft / Professor der xy-Wissenschaft / Politiker der xy-Partei / ModeratorIn der xy-Sendung / Chefredakteur der xy-Zeitung / Bloginnitiator & Blogteilnehmer mit xy-Weltanschauung / usw.usw.usw.

      Die Demokratie lässt es ja zu, dass jeder seine Prämissen setzt wie er will und daraus resultierende Schlussfolgerungen verbreitet. Das sollte auch so beibehalten werden. Was aber, wenn der babylonische Turm der allgemeinen Verwirrung zu Null-Ergebnis und großem Streit um die vermeintlich beste Lösung führt?

      Antworten
      • Stoertebekker
        Stoertebekker sagte:

        @JürgenP

        Wunderschöne Auflistung 👍

        Tja, wir sind in der Tat im Babelschen Turm. Eigentlich ist es sogar noch schöner – die einzelnen Beteiligten wechseln zwischendurch die Sprache, so dass deren gestern Gesagtes heute schon nicht mehr verständlich ist…

        Aber Sie haben oben ja schön die Konsequenz für den Einzelnen beschrieben. Kopf oben lassen, klaren Blick behalten und für möglichst viele Eventualitäten vorsorgen. Einen schönen Sonntagabend! 🥂

      • Christian Anders
        Christian Anders sagte:

        @Jürgen P

        „Die Demokratie lässt es ja zu, dass jeder seine Prämissen setzt wie er will und daraus resultierende Schlussfolgerungen verbreitet. Das sollte auch so beibehalten werden.“

        *WINKTHEKTISCH*

        NEIN!!!

        Was heißt denn „das sollte so beibehalten werden“?

        Das sollte es NICHT, wenn hier Wissenschaft betrieben werden soll. Alle Nachfragen nach realistischeren Methoden schreien nach MeinungsUNfreiheit, nicht dem Gegenteil.

        DIE wissenschaftliche Methodik ist undemokratisch, exklusiv, folgerichtig, unempathisch. Hier werden NIE Prämissen so gesetzt „wie er will“.

        Sollte DAS das Ziel sein, ist die VWL als Wissenschaft verloren. Wisschenschaft ist Erklärung der Welt kompatibel mit Evidenz. Nichts davon funktioniert, wenn der freie Mensch hier frei seine Prämissen setzt.

      • JürgenP
        JürgenP sagte:

        @CA Mein Hinweis bezog sich auf die freie Meinungsäußerung von Welterklärern. Sollten die jedoch den Versuch starten, Wissenschaft für sich in Anspruch zu nehmen, so gelten selbstverständlich und ausschließlich die von Ihnen angegebenen Anforderungen. Also: kein Stress, keine Hektik …

        Allerdings: wieso gelingt es VWL – Wissenschaftlern nicht, einigermaßen tragfähige Hypothesen zu formulieren, mit denen Praktiker mittel- und langfristig arbeiten zu können, ohne Kopf und Kragen zu riskieren.

        Ist deren wissenschaftlicher Denkrahmen eventuell so desolat, dass sie selbst nicht mehr Sinnvolles von Unsinnigem und die Wege des Erfolgs von Irrwegen des Misserfolgs *) unterscheiden können.

        *) frei nach Mirow, ISBN 978-3-446-47248-8, Seite 4

      • Christian Anders
        Christian Anders sagte:

        @JürgenP

        „Sollten die jedoch den Versuch starten, Wissenschaft für sich in Anspruch zu nehmen […]“

        Genau das ist doch der Fall in der VWL?

        „Allerdings: wieso gelingt es VWL – Wissenschaftlern nicht, einigermaßen tragfähige Hypothesen zu formulieren, mit denen Praktiker mittel- und langfristig arbeiten zu können, […]“

        Dazu kann ich nicht den Urgrund angeben, nur meine Beobachtungen mitteilen:

        a) es werden Prämissen gesetzt, die ungerechtfertigt, unlogisch und teils auch sicher falsch sind.
        Beispiele:
        – Modelle, die Gleichgewichtsmodelle sind, erfordern die Prämisse eines Gleichgewichtszustandes. Eine ungerechtfertigte Prämisse, die im Widerpspruch zu unseren Beobachtungen steht. Wahrscheinlich also falsch.
        – Der Funktionsmechanismus unseres Geldsystems, der jetzt erst langsam in den Fokus zu rücken scheint, war/ist definitiv falsch verstanden worden und sofern er für Theorien Modelle relevant war, waren diese deshalb falsch.

        b) Nicht objektivierbare Größen werden aufgrund des Drangs zur Mathematisierung ignoriert, denn man kann sie nicht mathematisieren. Sind diese Größen aber relevant, hat man eine mathematisch konklusive, aber zwingend falsche Theorie.
        Beispiele:
        – Machtverhältnisse am Arbeitsmarkt -> Stärke/Schwäche von Gewerkschaften

        c) Der Arbeitsmarkt wird nach denselben Gleichgewichtsmodellen von Angebot und Nachfrage versucht zu erfassen, wie ein Gütermarkt. Die extreme Andersartigkeit eines Marktes, bei dem das „Produkt“ (Arbeit) gleichzeitig auf sich selbst zurückwirkt, da Arbeit via Lohn Arbeit nachfragt, wird völlig unterschätzt und teilweise ignoriert. Hier sind gleich zwei Prämissen drin, die Käse sind: Jene aus a) und dann auch noch die Gleichsetzung mit einem idealisierten Gütermarkt, die logisch inkohärent und sicher falsch ist.

        d) Das Konzept der Grenzproduktivität eines isoliert betrachteten Arbeitsplatzes ist eine Krücke, die so krumm ist, dass sie eigentlich wertlos ist. Sie wird aber trotzdem exzessiv genutzt, um den Lohnfindungsprozess des Arbeitsmarktes zu erklären, denn sie passt so gut in das falsche Konzept aus c)
        Es ist aber eine falsche Prämisse

        Da frage ich Sie: Was soll da rauskommen?

      • JürgenP
        JürgenP sagte:

        @CA Antwort: nichts > verschwendete Zeit, sich mit sowas zu beschäftigen. Gegenfrage: gibt es Alternativen und wenn ja, woran sind sie zu erkennen?

      • Christian Anders
        Christian Anders sagte:

        @JürgenP

        Die Alternative ist, dass man sich mit einem unabgeschlossenen theoretischen Bau zufrieden gibt und die Erklärkraft empirischer Befunde dieses unfertigen Baus als DIE höchste Maßgabe für Qualität gelten lässt – nicht seine mathematische Qualität oder seine Abgeschlossenheit, die ihn zur vollständigen Theorie veredeln soll.
        Vorgabe: KEINE Prämisse ist besser(!) als eine schlechte, erzeugt dies eine Lücke in der Theorie, ist dies zu akzeptieren.

        Zweitens gibt es ein Problem der Wissenschaftsoziologie derart, dass sich Denkfehler in einer Wissensgemeinschaft so lange fortpflanzen, bis falsche Dinge als gesicherte Grundlage gelten. Sogar dann, wenn sie logisch beim zweiten oder spätestens dritten Blick eigentlich auseinanderbrechen müssten, wenn man nicht vom Denkfehler infiziert ist.

        In den Naturwissenschaften schiebt die Qualität der Empirie dem immer wieder einen Riegel vor – ein Luxus, über den VWL in viel geringerem Umfang verfügt.

        Es braucht des Weiteren Anerkenntnis des Umstandes, dass meist Weltbilder die Grundlage ökonomischen Verständnisses legen anstatt Daten und empirische Befunde. Die Welt SOLL auf eine bestimmte Art sein – also wird nach der Theorie gesucht, die eine Welt beschreibt, die dann wie in der Theorie funktioniert, wenn alles nur so wäre, wie man es gerne hätte.
        Darüber, wie eine Welt funktioniert, die real ist wie sie ist, kann man nichts erfahren.

        Das können Sie z. B. am Zirkelschluss sehen, dass Marktergebnisse immer die bestmöglichen seien, weil der Markt nunmal als DAS definiert ist, dass in der Theorie die bestmöglichen Ergebnisse erzielt. Das ist logisch unhaltbar, es fallen einem hunderte Gegenbeispiele ein (und eines nur würde reichen), aber die Geschichte der gescheiterten -ismen ist der empirische „Beleg“ dafür, dass das schon so richtig sein wird.

        Dann ist es so, dass sie in den besten Journals nur dann publizieren können, wenn sie mathematisch konklusive Beschreibungen anbieten.
        Alleine die Anerkenntnis, dass hochrelevante Teile der Ökonomie „moving targets“ sind, die sich nicht sinnvoll mathematisieren lassen, würde dem gesamten Veröffentlichungsreigen dieser Form der Ökonomie einen Riegel vorschieben. Wer hat daran Interesse? Die Ökonomen selbst eher nicht. Die Herausgeber auch nicht.

        Was tun? Ich weiß es nicht genau. Die beste Idee, die ich habe, ist, Ökonomie nicht den Ökonomen zu überlassen, sondern anders ausgebildete Wissenschaftler oder Ingenieure quer einsteigen zu lassen – mit einer besseren Ausbildung in der Erkenntnisgewinnung. Die kann nur besser sein, denn:

        Wenn man WIRKLICH zu diskutieren scheint, ob die Quantitätsgleichung eine Theorie ist, eine beinhaltet, eine Identität ist, ob sie was anderes ist: Dann hat man keine Probleme mit Detailfragen, sondern im untersten Grundsatz schon was falsch verstanden.

      • JürgenP
        JürgenP sagte:

        @CA Für mich als Nichtökonomen sehr klar beschrieben. Vielen Dank für die Mühe.

  6. jobi
    jobi sagte:

    Sehr interessanter Podcast mit allen wesentlichen Aspekten zum Thema !

    An Tim Congdons Position fand ich inkonsistent, dass er einerseits behauptet, auf broad money ( bis wohin genau? ) zu schauen, andererseits aber eine Geldmengensteuerung an Bankbilanzen und bank lending growth festmachen will.

    Und natürlich seine Auffasung, die er mit vieler Ökonomen teilt: debt doesn’t matter.

    Interessant für Anleger auch die deutlichen Aussagen von J.Powell, der den Weg zur Inflationsbekämpfung unmissverständlich beschreibt : “we have no precision tools, we have to slow down the economy and financial conditions”.

    Die Mehrheit der Passiv-Investoren scheint das noch nicht erreicht zu haben.

    Antworten
    • Joerg
      Joerg sagte:

      @Jobi
      zu “Die Mehrheit der Passiv-Investoren scheint das noch nicht erreicht zu haben.”

      Im Gegenteil, unser “draw down” wird geringer als der der meisten Einzelaktien-Anleger (da schlaeft man besser) und wir kaufen gestaffelt den ganzen Heuhaufen nach und haben SICHER die naechsten Gewinner mit dabei ;-)

      LG Joerg

      Antworten
      • jobi
        jobi sagte:

        @Joerg

        Der draw down der Indizes war deshalb geringer, weil die Tech-Dickfische erst jüngst betroffen waren.

        Wenn der breite Markt noch einmal um 20% fällt, wird die Mehrheit verkaufen, so wie das in jedem Bärenmarkt der Fall ist.

        Wer noch 20+ Ansparjahre vor sich hat, für den ist buy & hold das Richtige – vorausgesetzt er behält die Nerven.

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